Hoheit gedenkt vielleicht eine lange Etape zu machen?’ fragte ich.
‚Nein, ich wünsche auf dem Wege anzuhalten.’
Etwas wie eine Ahnung ergriff mein Herz bei diesen Worten.
‚Auf dem Wege?’ wiederholte ich.
‚Ja,’ sagte Ihre Königliche Hoheit.
Ich schwieg.
‚Sie errathen nicht, wo ich anhalten will?’ fragte sie lächelnd.
‚Nein, Madame.’
‚Ich will in Taverney anhalten.’
‚Mein Gott!’ rief ich, »warum dies?’
‚Um Ihren Vater und Ihre Schwester zu sehen.’
‚Meinen Vater! meine Schwester . . . wie! Eure Königliche Hoheit weiß! . . .’
‚Ich habe mich erkundigt und erfahren, daß Sie zweihundert Schritte von der Straße, der wir folgen, wohnen. Sie werden Befehl geben, daß man in Taverney anhält.’
Der Schweiß trat mir auf die Stirne und ich erwiederte Ihrer Königlichen Hoheit schleunigst und mit einem Zittern, das Sie begreifen können:
‚Madame, das Haus meines Vaters ist nicht würdig, eine so hohe Fürstin, wie Sie sind, zu empfangen.’
‚Warum?’ fragte Ihre Königliche Hoheit.
‚Wir sind arm, Madame.’
‚Desto besser, ich bin überzeugt, der Empfang wird darum nur um so herzlicher und einfacher sein. So arm Taverney auch sein mag, so gibt es doch wohl eine Schale Milch für eine Freundin, die einen Augenblick vergessen will, daß sie Erzherzogin von Oesterreich und Dauphine von Frankreich ist.’
‚Oh! Madame,’ antwortete ich mich verbeugend.
Das war Alles. Die Ehrfurcht hielt mich ab, mehr zu sagen.
Ich hoffte, Ihre Hoheit würde dieses Vorhaben vergessen, oder Ihre Laune würde sich diesen Morgen in der frischen Luft auf der Landstraße zerstreuen, doch dem war nicht so. Aus der Station in Pont-à-Mousson fragte mich Ihre Hoheit, ob wir uns Taverney näherten, und ich war genöthigt, zu antworten, wir wären nur noch drei Lieues davon entfernt.«
»Ungeschickter!« rief der Baron.
»Ach! es war, als erriethe die Dauphine meine Verlegenheit. ‚Haben Sie nicht bange,’ sagte sie zu mir, ‚mein Aufenthalt wird nicht lange dauern; doch da Sie mir mit einem Empfang drohen, der mich leiden machen soll, so werden wir quitt sein, denn ich habe Ihnen bei meinem Einzug in Straßburg ebenfalls Beschwerden zugezogen.’ Sagen Sie mir, mein Vater, wie konnte ich, so bezaubernden Worten widerstehen?«
»Oh!« rief Andrée »und Ihre Königliche Hoheit, die so gut ist, wie es scheint, wird sich mit meinen Blumen und mit einer Tasse von meiner Milch, wie sie gesagt hat, begnügen.«
»Ja, aber sie wird sich nicht mit meinen Lehnstühlen, die ihr die Knochen zerbrechen werden, und mit meinem Täfelwerk begnügen, das ihren Blick verdüstern muß. Zum Teufel mit diesen Launen! Frankreich wird wieder gut von einer Frau beherrscht werden, die solche Phantasien hat! Pest! das ist die Morgenröthe einer seltsamen Regierung!«
»Oh! mein Vater, können Sie solche Dinge von einer Prinzessin sagen, die uns mit Ehren überhäuft?«
»Die mich im Gegentheil bald entehren wird,« rief der Greis. »Wer denkt in diesem Augenblick an die Taverney? Niemand. Der Name der Familie schläft unter den Trümmern von Maison-Rouge, und ich hoffte, er würde nur auf eine gewisse Weise und wenn der Augenblick gekommen wäre, wieder an das Tageslicht treten; doch nein, ich hoffte mit Unrecht, die Laune eines Kindes erweckt ihn, getrübt, bestaubt, schäbig, elend. Die Zeitungen, welche auf Alles lauern, was lächerlich ist, um den Scandal daraus zu ziehen, von dem sie leben, werden in ihren schmutzigen Artikeln den Besuch einer hohen Fürstin in der Barake von Taverney schildern. Cordieu! ich habe einen Gedanken.«
Der Baron sprach diese Worte mit einem Nachdruck, der die jungen Leute zittern machte.
»Was wollen Sie damit sagen, mein Vater?« fragte Philipp.
»Ich sage, daß man seine Geschichte kennt,« murmelte der Baron, »und wenn der Herzog von Medina einen Palast angezündet hat, um eine Königin zu umarmen, so kann ich wohl ein elendes Nest in Brand stecken, um von dem Empfange einer Dauphine befreit zu sein. Laßt die Prinzessin nur kommen.«
Die jungen Leute hatten nur die letzten Worte gehört und schauten sich unruhig an.
»Laßt sie kommen,« wiederholte Taverney.
»Sie kann nicht mehr lange ausbleiben,« antwortete Philipp, »ich habe einen kürzeren Weg durch den Wald von Pierrefitte eingeschlagen, um ein paar Minuten Vorsprung vor dem Gefolge zu gewinnen, doch sie können nicht mehr fern sein.«
»Dann ist keine Zeit zu verlieren,« sagte der Baron.
Und rasch, als ob er erst zwanzig Jahre alt wäre, verließ er den Salon, lief in die Küche, riß ein brennendes Scheit aus dem Herde, eilte nach dem Speicher, der mit trockenem Stroh, Luzerne und Bohnen gefüllt war, und näherte bereits das Scheit den Futterbünden, als sich Balsamo hinter ihm erhob und ihn beim Arm faßte.
»Was machen Sie denn, mein Herr?« sagte er, indem er den Brand aus den Händen des Greises riß;« die Erzherzogin von Oesterreich ist kein Connetable von Bourbon, und ihre Gegenwart beschmutzt ein Haus nicht dergestalt, daß man es eher verbrennt, als sie einen Fuß darein setzen läßt.«
Der Greis hielt bleich und zitternd inne und lächelte nicht mehr, wie gewöhnlich. Er hatte alle seine Kräfte zusammenraffen müssen, um für seine Ehre, wenigstens so wie er sie verstand, einen Entschluß zu fassen, der aus einer noch erträglichen Mittelmäßigkeit ein vollständiges Elend machen sollte.
»Gehen Sie, mein Herr, gehen Sie,« sprach Balsamo; »Sie haben nur noch Zeit diesen Schlafrock abzulegen und sich anständiger zu kleiden. Als ich bei der Belagerung von Philippsburg den Baron von Taverney kennen lernte, war er Großkreuz vom Heiligen-Ludwigs-Orden. Ich weiß kein Gewand, das nicht unter einer solchen Decoration reich und zierlich würde.«
»Aber, mein Herr,« versetzte Taverney, »bei Alle dem wird die Dauphine sehen, was ich nicht einmal Ihnen zeigen wollte: daß ich unglücklich bin.«
»Seien Sie unbesorgt, Baron, man wird sie so beschäftigen, daß sie gar nicht bemerkt, ob Ihr Haus neu oder alt, arm oder reich ist. Seien Sie gastfreundlich mein Herr, es ist Ihre Pflicht als Edelmann. Was werden die Feinde Ihrer königlichen Hoheit machen, und sie hat deren eine gute Zahl, wenn ihre Freunde ihre Schlösser verbrennen, um sie nicht unter ihrem Dache aufzunehmen? Greifen wir nicht zukünftigem Aergerniß vor, mein Herr; jedes Ding hat seine Zeit.«
Herr von Taverney gehorchte mit jener Resignation, von der er schon einmal eine Probe abgelegt hatte, und ging wieder zu seinen Kindern, die ihn, unruhig über seine Abwesenheit, überall suchten.
Balsamo zog sich stillschweigend zurück, als wollte er ein begonnenes Werk vollenden.
XIV.
Marie Antoinette Josephe
Es war in der That keine Zeit zu verlieren, wie Balsamo gesagt hatte; ein gewaltiges Geräusch von Wagen, von Stimmen und Pferden erscholl auf dem sonst so friedlichen Wege, der von der Straße nach dem Hause des Baron von Taverney führte.
Man sah nun drei Carrossen, wovon die eine, mit Vergoldungen und mythologischen Basreliefs beladen, trotz ihrer Pracht nicht minder staubig, nicht minder mit Koth bespritzt war, als die andern, vor das große Thor fahren, das Gilbert offen hielt, dessen weit aufgesperrte Augen und fieberhaftes Zittern lebhafte Aufregung bei dem Anblick von so viel Herrlichkeit andeuteten.
Zwanzig Cavaliere, alle jung und glänzend, reihten sich bei dem Hauptwagen auf, als, unterstützt von einem schwarz gekleideten Mann, der auf seinem Rocke das große Band des Ordens trug, ein junges Mädchen von fünfzehn bis sechzehn Jahren ausstieg, das ohne Puder, aber mit einer Einfachheit frisirt war, welche ihr Haar nicht abhielt, sich einen Fuß über ihre Stirne zu erheben.
Marie