Sogleich verrammelte er die Tür, und ging wieder in das Zimmer hinauf, in welchem sich die zitternden Gäste befanden. Der Maltheser trank, die beiden Mädchen sagten ihre Gebete her.
– Nun? sagte der Maltheser.
– Nun, Kommandeur? wiederholte Bruno.
– Placido?
– Er hat sein Teil, sagte Bruno, aber da fällt eine andere Legion von Teufeln uns auf den Leib.
– Welche?
– Die Gendarmen und die Compagnieen von Messina, wenn ich mich nicht irre.
– Und was wollen Sie tun?
– Zuvörderst, so viel als ich vermag von ihnen töten.
– Und nachher?
– Nachher . . . werde ich mich mit dem Reste in die Luft sprengen.
Die Mädchen stießen lautes Geschrei aus.
– Ali, fuhr Pascal fort, führe diese Mädchen in den Keller, und gib ihnen Alles, was sie von Dir verlangen, ausgenommen Licht, aus Furcht, dass sie Feuer an das Pulver legen möchten, bevor es Zeit ist.
Die armen Geschöpfe fielen auf die Knie.
– Vorwärts, vorwärts, sagte Bruno mit dem Fuße stampfend, gehorcht! Und er sagte das mit einer solchen Gebärde und in einem solchen Tone, dass die beiden Mädchen aufstanden und Ali folgten, ohne dass sie eine einzige Klage auszustoßen wagten.
– Und jetzt, Kommandeur, sagte Bruno, als sie hinausgegangen waren, löschen Sie die Lichter aus und stellen Sie sich in eine Ecke, wo die Kugeln Sie nicht treffen können, denn da kommen die Musikanten, und die Tarantella wird beginnen.
X
Einige Augenblicke nachher kehrte Ali zurück, indem vier Gewehre von demselben Kaliber und einen Korb voller Patronen auf seiner Schulter trug. Pascal Bruno machte alle Fenster auf, um zugleich nach den verschiedenen Seiten die Spitze zu bieten.
Ali nahm ein Gewehr und wollte sich an eines von ihnen stellen.
– Nein, mein Sohn, sagte Pascal mit einem ganz väterlichen Ausdrucke zu ihm, nein, das geht mich allein an. Ich will Dein Schicksal nicht auf diese Weise mit dem meinigen verbinden; ich will Dich nicht dahin mit fortreißen, wohin ich gehe. Du bist jung, nichts hat bis jetzt noch Dein Leben aus der gewöhnlichen Bahn fort getrieben; folge mir, bleibe in der von den Menschen vorgeschriebenen Bahn.
– Vater, sagte der junge Mann mit seiner sanften Stimme, warum willst Du nicht, dass ich Dich verteidige, wie Lionna Dich verteidigt hat? Du weißt wohl, dass ich nur Dich habe und dass ich, wenn Du stirbst, mit Dir sterben werde.
– Nicht doch, Ali, wenn ich sterbe, so werde ich vielleicht auf der Erde irgend einen geheimnisvollen und schrecklichen Auftrag zurücklassen, den ich nur meinem Sohne anvertrauen konnte, mein Sohn muss daher leben, um das zu tun, was ihm sein Vater befehlen wird.
– Es ist gut, sagte Ali.
Der Vater ist der Herr, der Sohn wird gehorchen.
»Pascal ließ seine Hand fallen, Ali ergriff und küsste sie.
– Werde ich Dir dann zu nichts dienen, Vater? sagte der Knabe.
– Lade die Gewehre, antwortete Bruno.
Ali machte sich an das Werk.
– Und ich? rief der Maltheser aus der, Ecke, in welche er sich gesetzt hatte.
Sie, Kommandeur, Sie behalte ich, um Sie als Parlamentär abzusenden.
In diesem Augenblicke sah Pascal Bruno die Gewehre einer zweiten Truppe blitzen, welche von dem Gebirge herabkam, und die so geraden Weges auf den abgesonderten Olivenbaum zuschritt, an dessen Fuße Placido’s Leiche lag, dass es augenscheinlich war, dass diese Truppe zu einem gegebenen Rendezvous kam. Die, welche voraus gingen, stießen auf die Leiche; nun bildete sich ein Kreis um sie, aber Niemand vermochte sie zu erkennen, so sehr hatten die scharfen Zähne Lionna’s sie entstellt. Indessen, da Placido ihnen unter diesem Olivenbaum das Rendezvous gegeben hatte, da die Leiche an dem Fuße dieses Olivenbaumes lag und kein anderes lebendiges Wesen sich in der Umgegend zeigte, so war es augenscheinlich, dass der Tote Placido selbst wäre. Die Soldaten schlossen daraus, dass der Verrat entdeckt wäre und dass Bruno auf seiner Hut sein müsste. Nun hielten sie an, um zu beraten. An dem Fenster stehend, folgte Pascal allen ihren Bewegungen. In diesem Augenblicke trat der Mond hinter einer Wolke hervor. Sein Schein fiel auf ihn, einer der Soldaten erblickte ihn und deutete ihn seinen Kameraden mit der Hand an; der Ruf: Der Bandit! . . . der Bandit!. ließ sich in den Gliedern hören und war augenblicklich von einem Pelotonfeuer gefolgt. Einige Kugeln prallten von der Mauer ab, andere flogen pfeifend an den Ohren und über dem Kopfe dessen vorbei, an den sie gerichtet waren, und drangen in die Balken der Decke. Pascal antwortete, indem er nacheinander die vier Gewehre abfeuerte, welche Ali geladen hatte; vier Mann fielen.
Die Compagnieen, welche nicht aus Linientruppen, sondern aus einer Art von Nationalgarde bestanden, welche für die Sicherheit der Straße errichtet war, zögerten einen Augenblick, als sie den Tod so rasch sich entgegenkommen sahen. Alle diese Leute, welche auf den Verrat Placido’s gerechnet, hatten einen leichten Fang zu machen gehofft, aber statt dessen war es eine wahre Belagerung, welche sie machen mussten. Nun aber fehlte ihnen jedes zu einer Belagerung notwendige Gerät, die Mauern der kleinen Feste waren hoch und ihre Thore fest, und sie hatten weder Leitern noch Beile, es blieb noch die Möglichkeit, Pascal in dem Augenblicke zu töten, war er genötigt war, sich frei zu stellen, um durch das Fenster zu zielen; aber das war eine ziemlich schlechte Aussicht für Leute, welche von der Unverwundbarkeit ihres Gegners überzeugt waren. Das Manöver, das sie für das notwendigste hielten, war daher, sich außer Schussweite zurückzuziehen, um über das zu beraten, was dabei zu thun wäre, aber ihr Rückzug ging nicht rasch genug vor sich, dass Pascal Bruno nicht die Zeit gehabt hätte, ihnen zwei neue Todesboten zu senden.
Als Pascal sich von dieser Seite für den Augenblick unbelagert sah, trat er an das gegenüber befindliche Fenster, welches die Aussicht auf das Dorf hatte; die Flintenschüsse hatten diesen ersten Haufen aufmerksam gemacht; kaum war er daher auch an dem Fenster erschienen, als er von einem Hagel von Kugeln empfangen wurde; aber dasselbe wunderbare Glück bewahrte ihn vor dem Tode; es war nun an eine Bezauberung zu glauben, während dagegen jeder seine Schüsse in dieser Masse traf, und Pascal konnte nach den Flüchen, welche er hörte, schließen, dass sie nicht umsonst gewesen waren.
Nun ereignete sich für diesen Haufen dasselbe, wie für den andern: Unordnung entstand in seinen Gliedern, indessen stellten sie sich, statt die Flucht zu ergreifen, gegen die Mauern der Feste selbst, ein Manöver, das Bruno in die Unmöglichkeit versetzte, auf seine Feinde zu schießen, ohne die Hälfte des Körpers aus dem Fenster hervorzustrecken. Da nun aber der Bandit es für unnötig hielt, sich dieser Gefahr auszusetzen, so war die Folge von diesem doppelten Akte der Vorsicht, dass das Feuer für den Augenblick aufhörte.
– Sind wir mit ihnen fertig, sagte der Maltheser, und können wir Victoria rufen?
– Noch nicht, sagte Bruno, es ist nur ein Waffenstillstand; sie sind ohne Zweifel in das Dorf gegangen, um Leitern und Beile zu holen, und wir werden bald Nachrichten von ihnen erhalten. Seien Sie aber unbesorgt, fuhr der Bandit fort, indem er zwei Gläser füllte, wir werden nicht gegen sie zurückbleiben und ihnen Nachrichten von uns geben. . . Ali, hole ein Fass Pulver. Auf Ihre Gesundheit, Kommandeur.
– Was wollen Sie mit diesem Fasse machen? sagte der Maltheser mit einer gewissen Besorgnis.
– O! fast nichts. . . Sie werden sehen.
Ali kehrte mit dem verlangten Gegenstande zurück.
– Es ist gut, fuhr Bruno fort, jetzt nimm einen Bohrer und bohre ein Loch in dieses Fass.
Ali gehorchte mit der passiven Schnelligkeit, welche das hervortretende Zeichen seiner Ergebenheit war. Während dieser Zeit zerriss Pascal eine Serviette, zog die Fäden aus, vereinigte sie, rollte sie in dem Pulver einer Patrone, steckte diese Lunte in das Loch des Fasses und verstopfte dieses Loch mit angefeuchtetem Pulver, das zugleich die Lunte befehligte; kaum hatte er diese Vorbereitungen getroffen,