Александр Дюма

Kleine Romane und Novellen


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berührte blieb zerstreut und tiefsinnig beim Essen, und die Augen beständig auf die Tür heftend, erbebte sie jedes Mal, wenn diese Tür aufging, mit beklommenem Busen und feuchten Augen; dann versank sie allmählich in ein köstliches Schmachten, von dem sie sich selbst keine Rechenschaft abzulegen vermochte. Gidsa wurde es gewahr und beunruhigte sich darüber.

      – Leidet die Frau Gräfin etwa?

      – Nein, antwortete Gemma mit schwacher Stimme, aber finden Sie nicht, dass diese Wohlgerüche berauschend sind?

      – Will die Frau Gräfin, dass ich das Fenster aufmache?

      – Hüten Sie sich davor; es ist mir allerdings so, als ob ich sterben würde; aber es scheint mir auch, als ob der Tod sehr süß sei. Nehmen Sie mir meinen Kopfputz ab, er drückt mich, und ich habe nicht mehr die Kraft, ihn zu tragen.

      – Gidsa gehorchte, und die langen Haare der Gräfin sanken wallend auf auf den Boden.

      – Empfinden Sie denn nichts dem Ähnliches, was ich empfinde, Gidsa? Es ist ein unbekanntes Wohlsein, etwas Himmlisches, das mir in den Adern fließt; ich werde irgend einen Liebestrank getrunken haben. Helfen Sie mir doch, mich aufzurichten, und führen Sie mich vor diesen Spiegel.

      Gidsa unterstützte die Gräfin und half ihr an den Kamin. Vor ihm angelangt, stützte sie ihre beiden Ellenbogen auf das Gesims, senkte ihren Kopf auf ihre Hände und betrachtete sich.

      Jetzt, sagte sie, lassen Sie alles das forttragen, entkleiden Sie mich, und lassen Sie mich allein.

      Die Kammerfrau gehorchte, die Diener der Gräfin deckten den Tisch ab, und als sie sich entfernt, vollzog Gidsa den zweiten Teil des Befehls ihrer Gebieterin, ohne dass sie sich von dem Spiegel entfernte; nur erhob sie schmachtend die Arme, einen nach dem andern, um ihrer Kammerfrau die Möglichkeit zu lassen, ihren Dienst zu versehen, den sie gänzlich ausführte, ohne dass die Gräfin aus der Art von Entzücken erwachte, in das sie versunken war; endlich verließ sie das Zimmer, wie ihre Gebieterin es ihr befohlen hatte, und ließ sie allein.

      Die Gräfin vollendete maschinenmäßig und in einem Zustande, gleich dem des Somnambulismus, den Rest ihrer Nachttoilette, legte sich zu Bett, blieb einen Augenblick lang auf ihren Ellbogen gestützt und die Blicke auf die Tür geheftet, dann endlich fielen allmählich, trotz ihren Anstrengungen, wach zu bleiben, ihre Augenlider zu, ihre Augen schlossen sich und sie ließ den Kopf in die Kissen zurücksinken, indem sie einen langen Seufzer ausstieß und den Namen Rodolfos flüsterte.

      Am folgenden Morgen streckte Gemma, als sie erwachte, die Hand aus, wie als ob sie jemand an ihrer Seite zu finden glaubte, aber sie war allein.

      Ihre Augen irrten nun in dem Zimmer herum, dann hefteten sie sich auf den neben ihrem Bette stehenden Tisch; auf diesem Tische lag ein offener Brief, sie nahm ihn und las:

      »Frau Gräfin,

      »Ich konnte die Rache eines Räubers an Ihnen nehmen, ich habe es vorgezogen, mir ein fürstliches Vergnügen zu gewähren; damit Sie aber beim Erwachen nicht glauben möchten, dass Sie geträumt, so habe ich Ihnen einen Beweis der Wirklichkeit zurückgelassen, betrachten Sie sich in ihrem Spiegel.

Pascal Bruno.«

      Gemma fühlte sich am ganzen Körper schaudern, ein kalter Schweiß bedeckte ihr die Stirn; sie streckte die Hand aus, um zu rufen, aber indem sie sich aus weiblichen Instinkt zurückhielt, sammelte sie alle ihre Kräfte, sprang aus ihrem Bette, eilte vor den Spiegel und stieß einen Schrei aus; ihre Haare und ihre Augenbrauen warm rasiert.

      Sogleich hüllte sie sich in einen Schleier, warf sich in ihren Wagen und befahl, nach Palermo zurückzukehren.

      Kaum war sie dort angelangt, als sie dem Fürsten von Carini schrieb, dass ihr Beichtvater ihr zur Büßung ihrer Sünden befohlen hätte, sich die Haare und die Augenbrauen abzuschneiden, und ein Jahr lang in ein Kloster zu gehen.

      IX

      Am ersten Mai 1805 war ein Fest auf dem Schloss Castelnuovo; Pascal Bruno war guter Laune, und gab einem seiner guten Freunde, Namens Placido Meli, einem ehrbaren Schmuggler aus dem Dorfe Gesso, und zwei Mädchen, welche dieser letztere von Messina in der Absicht mitgebracht hatte, eine vergnügte Nacht zuzubringen, ein Abendessen. Diese freundschaftliche Aufmerksamkeit hatte Bruno innig gerührt, und um nicht an Artigkeit gegen einen so vorsorglichen Kameraden zurückzubleiben, hatte er es übernommen, der Gesellschaft die Ehre seines Hauses zu erzeigen, dem zu Folge waren die besten Weine von Sizilien und Calabrien aus den Keller, der kleinen Feste heraufgeholt, die ersten Köche von Bauso angenommen, und all dieser seltsame Luxus, in welchem sich der Held unserer Geschichte zuweilen gefiel, für diese Veranlassung entfaltet.

      Das Gelage war teufelmäßig im Zuge, und dennoch waren die Tischgenossen erst an dem Anfange des Mittagessens, als Ali eintrat und Placido ein Billet eines Bauern von Gesso überbrachte. Placido las es, und indem er das Papier zornig zwischen seinen Händen zerrieb, rief er aus:

      – Bei Christi Blut! er hat seine Stunde gut gewählt!

      – Wer das, Gevatter? sagte Bruno.

      – Bei Gott! Der Kapitän Luigi Cama von Villa-San-Giovanni.

      – Ah! sagte Bruno, unser Rumlieferant?

      – Ja, antwortete Placido; er lässt mir melden, dass er sich an dem Strande befindet und dass er eine ganze Ladung hat, deren er sich zu entledigen wünscht, bevor die Douaniers seine Ankunft erfahren.

      – Die Geschäfte vor Allem, Gevatter, sagte Bruno. Ich werde Dich erwarten, ich bin in guter Gesellschaft, und sei unbesorgt, wenn Du nicht zu lange ausbleibst, so wirst Du von alledem wiederfinden, was Du zurücklässt, und mehr, als Du davon nehmen kannst.

      – Es ist die Sache einer Stunde, erwiderte Placido, indem er sich in die Gründe seines Wirtes zu fügen schien; das Meer ist fünf Hundert Schritte weit von hier.

      – Und wir haben die ganze Nacht, sagte Pascal.

      – Guten Appetit, Gevatter.

      – Glückliche Reise, Meister.

      Placido entfernte sich, Bruno blieb allein mit den beiden Mädchen, und, wie er es seinem Gast versprochen hatte, litt die Fröhlichkeit des Abendessens durchaus nicht durch diese Abwesenheit; Bruno war liebenswürdig für zwei, und das Gespräch und die Pantomime begann eine höchst lebhafte Wendung zu nehmen, als die Tür aufging und eine neue Person eintrat, Pascal wandte sich um und erkannte den maltesischen Kaufmann, von welchem wir bereits mehrere Male gesprochen haben, und von dem er einer der besten Kunden geworden war.

      – Ah! bei Gott! sagte er, seien Sie willkommen, besonders wenn Sie Serailpastillen, Tabak von Latakis und Schärpen von Tunis mitbringen; hier sind zwei Odalisken, welche erwarten, dass ich ihnen das Taschentuch zuwerfe, und es wird ihnen eben so lieb sein, dass es mit Gold gestickt ist, als wenn es von einfachem Mousselin wäre. Apropos, Ihr Opium hat Wunder getan.

      – Es freut mich, antwortete der Maltheser, aber in in diesem Augenblicke komme ich wegen anderer Sachen, als meinem Handel.

      – Du kommst zum Nachtessen, nicht wahr? Dann setze Dich dorthin, und sei ein zweites Mal willkommen; das ist ein königlicher Platz, einer Flasche gegenüber und zwischen zwei Mädchen.

      – Euer Wein ist vortrefflich, ich bin überzeugt davon, und diese Damen scheinen mir liebenswürdig, antwortete der Maltheser, aber ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.

      – Mir?

      – Ihnen.

      – Sag.

      – Ihnen allein.

      – Dann auf morgen die Mitteilung, mein würdiger Kommandeur.

      – Ich muss Sie auf der Stelle sprechen.

      – Dann sprich vor Allen; es ist hier Niemand zu viel, und wenn ich mich wohl befinde, so ist es mein Grundsatz, mich nicht stören zu lassen, handelt es sich auch um mein Leben.

      – Gerade um dieses handelt es sich.

      – Bah! sagte Bruno, indem er die Gläser füllte, es gibt einen Gott für die rechtschaffenen Leute. Auf Deine Gesundheit,