Menschen und die Natur haben sich aber auch vereinigt, um sie prachtvoll unter den Reichen zu machen. Die Griechen haben ihr ihre Tempel, die Römer ihre Wasserleitungen, die Sarazenen ihre Schlösser, die Normannen ihre Basiliken, die Spanier ihre Kathedralen gelassen, und da die Breite, unter welcher sie liegt, jeder Pflanze dort zu blühen, jedem Baum sich dort zu entwickeln erlaubt, so vereinigt sie in ihren glänzenden Gärten den Oleander von Lakonien, den Palmbaum Ägyptens, die Feige Indiens, die Aloe Afrikas, die Fichte Italiens, die Zypresse Schottlands und die Eiche Frankreichs.
Nichts ist daher auch schöner als die Tage Palermos, wenn es nicht seine Nächte sind; orientalische Nächte, klare und duftige Nächte, in denen das Murmeln des Meeres, das Rauschen der Abendluft, das Getöse der Stadt wie ein allgemeines Konzert der Liebe erscheinen, in welchem jedes Ding der Schöpfung, von der Welle bis zu der Pflanze, von der Pflanze bis zu dem Menschen einen geheimnisvollen Seufzer ausstößt. Steigt auf den Altan der Zisa oder auf die Terrasse des Palazzo Reale, wenn Palermo schläft, und es wird euch scheinen, als ob ihr an dem Bette eines jungen Mädchens in üppigen Träumen säßet.
Das ist die Stunde, zu welcher die Piraten von Algier und die Korsaren von Tunis aus ihren Raubnestern hervorkommen, indem sie die dreieckigen Segel ihrer barbarischen Feluken in den Wind stellen und um die Insel herumstreifen, wie die Hyänen der Sahara und die Löwen des Atlas um eine Schäferei. Wehe dann den unvorsichtigen Städten, welche ohne Leuchttürme und ohne Wachen an den Ufern des Meeres einschlafen, denn ihre Bewohner erwachen bei dem Scheine der Feuersbrunst und bei dem Geschreie ihrer Frauen und Töchter, und bevor die Hilfe herbeigekommen, sind die Geier von Afrika mit ihrer Beute davongeeilt, dann, wenn der Tag anbricht, wird man die Flügel ihrer Schiffe am Horizonte erbleichen und hinter den Inseln Porri, Favignana oder Lampadouze verschwinden sehen.
Zuweilen ereignet es sich auch, dass das Meer plötzlich bleifarbig wird, dass der Wind fällt, dass die Stadt schweigt; das kommt daher, weil einige blutige Wolken rasch von Süden nach Norden an dem Himmel hingezogen sind, weil diese Wolken den Sirocco verkündigen, diesen so sehr von den Arabern gefürchteten Rhamsin, ein glühender Dunst, der in den Sandsteppen von Libyen entsteht und den der Südostwind nach Europa treibt; sogleich beugt sich Alles, Alles leidet, Alles beklagt sich; die ganze Insel stöhnt, wie wenn der Ätna droht, die Tiere und die Menschen suchen voller Besorgnis ein Obdach, und wenn sie es gefunden haben, so legen sie sich keuchend nieder, denn dieser Wind schlägt allen Mut zu Boden, lähmt jede Kraft, erlöscht jede Fähigkeit. Palermo röchelt dann gleich einer mit dem Tode Ringenden bis zu dem Augenblicke, wo ein reiner, von Calabrien kommender Hauch der Sterbenden wieder Kraft gibt, welche bei dieser belebenden Luft erbebt, wieder zum Dasein kommt, mit demselben Glücke Atem schöpft, als ob sie aus einer Ohnmacht erwache, und am folgenden Tage wieder sorgenlos ihr Leben des Vergnügens und der Lust beginnt.
Es war an einem Abende des Monats September 1803; der Sirocco hatte den ganzen Tag über geweht, aber bei Sonnenuntergange hatte sich der Himmel wieder aufgeklärt, das Meer war wieder azurblau geworden und einige frische Windstöße bliesen von dem Lipariotischen Archipel her. Diese Veränderung der Atmosphäre übte, wie wir bemerkt, ihren wohltätigen Einfluss auf alle belebten Wesen aus, die allmählich aus ihrer Erstarrung er« wachten; man hätte glauben können, einer zweiten Schöpfung beizuwohnen, um so mehr, als Palermo, wie wir gesagt, ein wahres Eden ist.
Unter allen den Töchtern Evas, welche in diesem Paradiese, das sie bewohnen, aus der Liebe ihre Hauptbeschäftigung machen, gibt es eine, welche eine zu wichtige Rolle in dem Laufe dieser Geschichte spielen wird, als dass wir nicht auf sie und auf den Ort, den sie bewohnt, die Aufmerksamkeit und die Blicke unserer Leser fesseln sollten. Sie mögen daher mit uns Palermo durch das Thor San-Giorgio verlassen, sie mögen Costello-a-Mare zur Rechten lassen, einige Zeit lang dem Ufer folgen und an jener köstlichen Villa anhalten, welche sich dort an dem Strande des Meeres erhebt und deren bezaubernde Gärten sich bis an den Fuß des Berges Pellegrino erstrecken, das ist die Villa des Fürsten von Carini, Vizekönigs von Sizilien für Ferdinand IV., der zurückgekehrt ist, um von seiner schönen Stadt Neapel Besitz zu nehmen.
Auf dem ersten Stockwerke dieser eleganten Villa, in einem mit himmelblauen Atlas behangenen Zimmer, dessen Falten mit Perlschnüren aufgeschlagen sind und dessen Decke in Fresko gemalt ist, liegt eine Frau m einem einfachen Morgenkleid, mit herabhängenden Armen, zurückgeworfenem Kopfe und aufgelösten Haaren auf einem Sofa, noch vor einem Augenblicke hätte man sie für eine Marmorstatue halten können, aber ein leichter Schauder hat ihren ganzen Körper überlaufen, ihre Wangen beginnen sich zu färben, ihre Augen haben sich wieder geöffnet; die wundervolle Statue belebt sich, seufzt, streckt die Hand nach einer kleinen, auf einem Marmortische von Selinunt stehenden silbernen Schelle aus, bewegt sie nachlässig, und wie von der Anstrengung ermüdet, die sie gemacht hat, lässt sie sich wieder auf das Sofa zurücksinken. Indessen ist der Silberklang gehört worden, eine Tür geht auf, und eine junge und hübsche Kammerfrau erscheint auf der Schwelle, deren in Unordnung geratene Toilette andeutet, dass sie, wie ihre Gebieterin, dem Einfluss des afrikanischen Windes unterlegen ist.
– Sind Sie es, Theresa? sagte ihre Gebieterin schmachtend, indem sie den Kopf nach ihrer Seite wandte. O mein Gott! es ist zum Sterben, bläst der Sirocco etwa immer noch?
– New, Signoria, er hat sich gänzlich gelegt, und man beginnt wieder zu atmen.
– Bringen Sie mir Früchte und Eis, und geben Sie mir Luft.
Theresa vollzog diese beiden Befehle mit eben so viel Schnelligkeit, als es ihr ein Rest von Schwäche und Unbehagen gestattete. Sie stellte die Erfrischungen auf den Tisch und machte das Fenster auf, welches auf das Meer ging.
– Sehen Sie, Frau Gräfin, sagte sie, wir werden morgen einen herrlichen Tag haben, und die Luft ist so rein, dass man deutlich die Insel Alicudi steht, obgleich der Tag sich zu neigen beginnt.
– Ja, ja, diese Luft tut wohl. Gib mir den Arm, Theresa, ich will versuchen, mich bis an dieses Fenster zu schleppen.
Die Kammerfrau näherte sich ihrer Gebieterin, welche den Sorbet wieder auf den Tisch stellte, den ihre Lippen kaum berührt hatten, und sich, auf ihre Schultern stützend, schmachtend bis nach dem Balkon ging.
– Ah! sagte sie, indem sie die Abendluft einsog, wie man bei dieser milden Luft wieder auflebt. Bringen Sie mir diesen Sessel, und öffnen Sie auch noch das Fenster, welches auf den Garten geht. Gut! ist der Fürst von Montreal zurückgekehrt?
– Noch nicht.
– Um so besser, ich möchte nicht, dass er mich bleich und entstellt sähe, wie ich jetzt bin. Ich muss abscheulich sein.
– Die Frau Gräfin ist niemals schöner gewesen, und ich bin überzeugt, dass es in der ganzen Stadt, welche wir von hier aus übersehen, nicht eine Frau gibt, , du nicht eifersüchtig auf die Signoria ist.
– Selbst die Marquise von Rudini? selbst die Fürstin von Butera?
– Ich nehme Niemand aus.
– Der Fürst bezahlt Sie, um mir zu schmeicheln, Theresa.
– Ich schwöre der gnädigen Frau, dass ich ihr nur das sage, was ich denke.
– O! was es so angenehm ist, in Palermo zu leben, sagte die Gräfin, indem sie mit voller Brust Atem schöpfte.
– Besonders, wenn man zwei und zwanzig Jahre alt, wenn man reich und wenn man schön ist, fuhr Theresa lächelnd fort.
– Du endigst meinen Gedanken; ich will daher auch Jedermann um mich herum glücklich sehen. Wann ist Deine Hochzeit, he?
Theresa antwortete nicht.
– War sie nicht für nächsten Sonntag bestimmt? fuhr die Gräfin fort.
– Ja, Signoria, antwortete die Kammerfrau seufzend.
– Was gibt es denn? Bist Du nicht mehr entschlossen?
– Doch, immer noch.
– Hast Du einen Widerwillen gegen Gaëtano?
– Nein, ich halte ihn für einen rechtschaffenen Mann, der mich glücklich machen wird. Außerdem ist diese Heirat ein Mittel, immer bei der Frau Gräfin zu bleiben, und das ist es, was ich wünsche.
– Warum