mich in eine Festung einzuschließen, wo ich in meinem Thun und Handeln nicht frei wäre, so kehre ich zu meinen Aeltern zurück. Uebrigens haben Sie schon heute Morgen die Güte gehabt, meine Rechnung auszugleichen, und unter den Umständen, in welchen wir uns befinden, habe ich diese Ausgleichung als einen Abschied zu betrachten gehabt.
»Ich verlasse Sie daher, Signora, erfüllt von Dankbarkeit für die Güte, welche Sie mir erwiesen, und so betrübt über diese Trennung, daß ich mir den Schmerz auflege, Ihnen nicht Lebewohl zu sagen, aus Furcht vor dem noch größeren Schmerz, den ich empfinden würde, wenn ich es thäte. Ich bin«, Signora, Ihre dankbare Dienerin
Luisa schauderte, als sie diesen Brief las. Es lag trotz der darin enthaltenen Betheuerungen von Anhänglichkeit und Treue dennoch auch zugleich ein seltsamer Ausdruck von Kälte und Haß darin. Man sah denselben allerdings nicht mit den Augen, aber man gewahrte ihn mit dem Verstande, man fühlte ihn mit dem Herzen.
Luisa kehrte in das Speisezimmer zurück, in welchem Salvato geblieben war, und überreichte ihm den Brief.
Er las ihn zuckte die Achseln und murmelte das Wort: »Natter!«
In diesem Augenblick trat Michele wieder ein. Er hatte den Wagen nicht mehr an der Thür gefunden und fragte, ob er einen andern holen sollte.
Auf die Rückkehr des ersten Wagens konnte man nicht warten, denn es war augenscheinlich daß Giovannina sich desselben bedient hatte.
Michele konnte deshalb nichts Besseres thun, als bis nach Bin di Giotto laufen; wo gewöhnlich Miethwagen standen, und einen andern mitbringen.
»Mein Freund,« sagte Luisa zu Salvato, daß mich diese wenigen Augenblicke Verzögerung, welche uns der Zufall aufnöthigte, draußen um einen letzten Besuch bei der Herzogin von Fusco und ihr zum letzten Mal den Vorschlag machen, mit mir zugleich in dem Castello Nuovo Schutz zu suchen. Bleibt sie dennoch, so will ich ihr wenigstens mein Haus empfehlen, weil dieses dann gänzlich verlassen steht.«
»Geh mein liebes Kind,« sagte Salvato, indem er Luisa auf die Stirn küßte wie ein Vater seine Tochter.
Luisa ging hinauf auf den Corridor, öffnete die Verbindungsthür und trat in den Solon der Herzogin.
Dieser war wie immer, mit allen republikanischen Notabilitäten gefüllt.
Trotz der drohenden Gefahr, trotz der heranziehenden Ereignisse waren die Gesichter ruhig. Man fühlte, daß alle diese Männer des Fortschrittes, welche den gefahrvollen Weg aus Überzeugung betreten, entschlossen waren, ihn bis ans Ende zu verfolgen, und gleich den alten Senatoren der römischen Republik den Tod auf ihren carulischen Stühlen zu erwarten.
Luisa machte auch heute durch ihre Schönheit und ihr interessantes Wesen die gewohnte Sensation.
Man gruppierte sich um sie. Jeder hatte in diesem äußersten Augenblick einen Entschluß für sich gefaßt, und fragte nun die Anderen, wozu sie sich entschlossen hätten, denn er hoffte vielleicht, daß dieser Entschluß der Anderen besser wäre als der seine.
Die Herzogin hatte sich vorgenommen, in ihrem Hause zu bleiben und hier die Ereignisse abzuwarten. Sie hielt dabei aber das Costüm einer Frau aus dem Volke bereit, unter welchem sie im Falle drohender Gefahr zu fliehen gedachte. Die Pächterin eines ihrer Landgüter hielt ihr für diesen Fall ein Asyl bereit.
Luisa bat sie, ihr Haus bis zur dem-Augenblick zu überwachen, wo sie selbst das ihrige verlassen würde, und meldete ihr, daß Salvato, weil er nicht wisse, ob er während des Kampfes im Stande sein würde, für ihre Sicherheit zu sorgen, für sie ein Zimmer ins dem Castell Nuovo habe einrichten lassen, wo sie unter der Obhut des Gouverneurs Massa, eines Freundes von Salvato, bleiben würde.
Es war dies übrigens der Ort, wohin sich die Patrioten alle im äußersten Falle flüchten mußten, denn Niemand traute der Gastfreundschaft Mejean’s, der, wie man wußte, fünfhunderttausend Franks verlangt hatte, um Neapel zu schützen und der für fünfhundertundfünfzigtausend Franks bereit war, es zu vernichten.
Man sagte sogar – was aber, beiläufig gesagt, nicht begründet war – er habe mit dem Cardinal Ruffo unterhandelt.
Luisa suchte mit den Augen Eleonora Pimentel, für welche sie große Bewunderung hegte; Eleonora aber hatte einen Augenblick vor Luisa’s Eintritt den Solon verlassen, um sich in ihre Druckerei zu begeben.
Nicolino kam aus sie zu, um sie zu begrüßen. Er war ganz stolz aus seine schöne Uniform als Husarenoberst, welches den nächstfolgenden Tag von den Säbeln der Feinde zerfetzt werden sollte. Cirillo, welcher, wie wir bereits bemerkt, zur gesetzgebenden Versammlung gehörte, als dieselbe sich permanent erklärt hatte, kam auf Luisa zu und umarmte sie.
Er wünschte ihr nicht alles mögliche Glück – in der Lage, in welcher man sich befand, stand sehr wenig Glück zu hoffen – wohl aber, daß sie unversehrt und mit dem Leben davonkommen möchte. Dann legte er seine Hand auf ihr Haupt und ertheilte ihr mit leiser Stimme seinen Segen.
Luisa’s Besuch war gemacht. Sie umarmte die Herzogin von Fusco zum letzten Mal. Beide Frauen vermochten kaum ihre Thränen zurückzudrängen.
»Ach,« murmelte Luisa, »wir sehen einander vielleicht nie wieder!«
Die Herzogin warf einen Blick gegen Himmel, als ob sie sagen wollte:
»Da oben gibt es ein untrügliches Wiedersehen.»
Dann geleitete sie ihre Freundin bis an die Verbindungsthür.
Hier trennten sie sich, und zwar, wie Luisa sehr richtig prophezeit, um einander nie wiederzusehen.
Salvato erwartete Luisa. Michele hatte einen Wagen mitgebracht. Die beiden Liebenden gingen mit verschlungenen Armen und ohne daß sie ihre Ideen einander mitzutheilen brauchten, um dem »glücklichen Zimmer«, wie sie es nannten, Lebewohl zu sagen.
Dann schlossen sie die Thüren, deren Schlüssel Michele zu sich nahm.
Salvato und Luisa stiegen in den Wagen, Michele, trotz seiner schönen Uniform auf den Bock, und der Wagen rollte noch dem Castello Nuovo.
Obschon es noch nicht spät war, so waren doch alle Thüren und Fenster geschlossen und man fühlte, daß ein gewaltiger Schrecken auf der Stadt lastete.
Hier und da sah man Männer, welche von Zeit zu Zeit sich den Häusern näherten, einen Augenblick stehen blieben und dann weitereilten.
Salvato bemerkte diese Männer, und neugierig, zu wissen, was sie machten, forderte er Michele, indem er das Vorderfenster des Wagens öffnete, auf, sich wo möglich eines dieser nächtlichen Wanderer zu bemächtigen und zu ermitteln, was sie eigentlich thäten.
Als man an dem Palast Curamanico anlangte gewahrte man wieder einen dieser Männer. Michele sprang, ohne erst den Wagen Halt machen zu lassen, zur Erde herab und stürzte sich auf den Mann.
Dieser warf eben eine Rolle Stricke durch ein nahes Kellerloch.
»Wer bist Du?« fragte Michele.
»Ich bin der Fachino des Palastes.«
»Was machst Du?«
»Nun, Sie sehen es doch. Der Abmiether der ersten Etage hatte mich beauftragt, ihm fünfundzwanzig Meter Stricke zu kaufen und sie ihm heute Abend zu bringen. Ich habe mich in einem Wirthshaus auf dem Markte ein wenig verspätet, und als ich an den Palast kam fand ich Alles verschlossen. Da ich den Portier nicht erst wecken wollte, so habe ich das Paket durch das Kellerloch in den Keller des Palastes geworfen, wo man sie morgens schon finden wird.«
Michele, der in all diesem nichts Verdächtiges oder Tadelnswerthes sah hieß den Mann, welchen er am Kragen gepackt, los. Kaum sah der Mann sich frei, so rannte er schleunigst davon und in die Strada del Pace hinein, in welcher er sofort verschwand.«
Diese hastige Flucht machte Michele wieder stutzig.
Von dem Palast Caramanico bis zum Castello Nuovo längs der ganzen Chiaja und dem Riesenhügel sah er dieselbe Thatsache sich wiederholen. Zweimal versuchte er sich wieder eines dieser mit einer unbekannten Mission beauftragten nächtlichen Herumtreiber zu bemächtigt, aber sie waren auf ihrer Hut und es gelang ihm nicht.
Man