nehmen Sie vier Bataillone Linieninfanterie, vier Stück Feldgeschütz, zehn Compagnien calabresische Jäger und eine Schwadron Cavallerie. Bewegen Sie sich die nördliche Flanke des Vesuvs entlang, nämlich die, von welcher man die Aussicht auf die Madonna del Arco hat, und langen Sie wo möglich des Nachts in Resina an. Die Einwohner erwarten Sie, denn dieselben sind bereits von mir benachrichtigt und vollkommen bereit, sich zu unseren Gunsten zu erheben.
Dann wendete er sich zu dem Marquis und sagte zu diesem:
Malaspina, geben Sie dem Brigadier diese schriftliche Ordre und unterzeichnen Sie dieselbe in meinem Namen.«
In diesem Augenblick trat der Caplan des Cardinals in das Zimmer, näherte sich ihm und sagte leise:
»Eminenz, der Capitän Scipio Lamarra ist so eben von Neapel eingetroffen und erwartet im Nebenzimmer Ihre Befehle.«
»Ha, endlich!« sagte der Cardinal, indem er freier aufathmete, als er bis jetzt gethan. »Ich fürchtete schon, es sei ihm ein Unglück zugestoßen, diesem armen Capitän. Sagen Sie ihm, daß ich sofort bei ihm sein werde, und leisten Sie ihm mittlerweile Gesellschaft.«
Der Cardinal zog einen Ring vom Finger und drückte ihn auf die Ordre, die in seinem Namen ausgefertigt wurde.
Dieser Scipio Lamarra, dessen Ankunft der Cardinal mit so großer Ungeduld zu erwarten schien, war jener selbe Bote, durch welchen die Königin dem Cardinal ihre Fahne übersendet und welchen sie ihm als zu Allem verwendbar empfohlen.
Er kam von Neapel, wohin er durch den Cardinal geschickt worden. Der Zweck dieser Mission war, sich mit einem der Hauptmitschuldigen an der Verschwörung der Backers, Namens Gennaro Tansano, zu besprechen.
Dieser Gennaro Tansano spielte den Patrioten und stand in den Registern aller republikanischen Clubs obenan, aber blos um stets von ihren Maßnahmen und Beschlüssen Unterrichtetet zu sein, von Welchen er dann den Cardinal Ruffo, mit dem er in Briefwechsel stand, in Kenntniß setzte.
Ein Theil der Waffen, welche beim Ausbruch der Verschwörung der Backers in Gebrauch genommen werden sollten, war bei ihm deponiert. Die Lazzaroni von Chiaja, von Pie di Grotta, von Pozzuole und den nahegelegenen Stadttheilen standen zu seiner Verfügung.
Der Cardinal erwartete auch, wie man gesehen, seine Antwort mit Ungeduld.
Er trat in das Cabinet, in welchem Lamarres, als republikanischer Nationalgardist umkleiden ihn erwartete.
»Nun?« fragte er eintretend.
»Nun, Eminenz, es geht Alles nach Wunsch. Tansano gilt immer noch für einen der besten Patrioten von Neapel und Niemanden fällst es ein, Argwohn gegen ihn zu hegen.«
»Aber hat er gethan, was ich gesagt habe?«
»Ja, das hat er gethan, Eminenz.«
»Das heißt er hat Stricke in die Kellerlöcher der Häuser der hervorragendsten Patrioten werfen lassen?»
»Ja. Er wollte gern wissen, zu welchem Zweck dies geschehe, da ich es aber selbst nicht wußte, so konnte ich ihm hierüber keinen Aufschluß geben. Doch gleichviel, da der Befehl von Ihnen kam, Eminenz, so ist er pünktlich ausgeführt worden.«
»Wissen Sie das gewiß?«
»Ich habe die Lazzaroni bei der Arbeit gesehen.«
»Hat er Ihnen nicht ein Paket für mich mitgegeben?«
»Allerdings, Eminenz. Hier ist es. Es ist in Wachsleinwand gewickelt.«
»Geben Sie her.«
Der Cardinal zerschnitt mit seinem Federmesser die Umschnürung des Pakets und zog dann ein großes Banner hervor, auf welchem er vor dem heiligen Antonius kniend und zu diesem betend dargestellt war, während der Heiland ihm seine beiden mit Stricken gefüllten Hände zeigte.
»So ist es recht,« sagte der Cardinal hocherfreut. »Nun brauche ich noch einen Mann, welcher das Gerücht von dem Wunder in Neapel verbreiten kann.«
Einen Augenblick lang blieb er in Gedanken versunken und fragte sich, wer der Mann sei, der ihm diesen Dienst leisten könne.
Plötzlich schlug er sich auf die Stirn.
»Man schicke Fra Pacifico zu mir,« sagte er.
Fra Pacifico ward gerufen und trat in das Cabinet, in welchem er eine halbe Stunde lang mit dem Cardinal eine Unterredung unter vier Augen hatte.
Hierauf sah man ihn in den Stall gehen, seinen Esel Giacobino herausziehen und mit ihm den Weg nach Neapel einschlagen.
Was den Cardinal betraf, so kehrte er in den Salon zurück, expedirte noch einige Befehle und warf sich, angekleidet auf das Bett, nachdem er noch angeordnet, daß man ihn mit Tagesanbruch wecke.
Mit Tagesanbruch ward der Cardinal geweckt. Während dar Nacht war mitten in dem außerhalb Nola aufgeschlagenen sanfedistischen Lager ein Altar errichtet worden. Der mit dem Purpur bekleidete Cardinal las die Messe zu Gunsten des heiligen Antonius, welchem er den Schutz der Stadt an der Stelle des heiligen Januarius zu übertragen gedachte, der weil er zweimal sein Wunder zu Gunsten der Franzosen verrichtet, für einen Jacobiner erklärt und von dem König seines Titels als Generalcommandant der neapolitanischen Truppen wieder beraubt worden war.
Der Cardinal hatte nach Degradierung des heiligen Januarius lange nachgedacht, wer zu seinem Nachfolger ernannt werden sollte, und seine Wahl war endlich auf den heiligen Antonius von Padua gefallen.
Warum nicht auf den heiligen Antonius den Großen, der wenn man sein Leben in’s Auge faßt, diese Ehre sicherlich weit mehr verdiente als der heilige Antonius von Padua? Ohne Zweifel aber fürchtete der Cardinal, daß die Sage seiner von Callot volksthümlich gemachten Versuchungen in Verbindung mit dem eigenthümlichen Begleiter, den er sich gewählt, seiner Würde Eintrag thun könnte.
Der heilige Antonius von Padua erhielt, obschon er moderner war als sein tausendjähriger Namensvetter, was nun auch der Grund sein mochte, den Vorzug und er war es, welchem im Augenblicke des Kampfes der Cardinal es gerathen fand die heilige Sache in die Hände zu geben.
Nachdem der Cardinal die Messe gelesen, stieg er in seinem Purpurgewand zu Pferde und stellte sich an die Spitze des Hauptcorps.
Die sanfedistische Armee war in drei Divisionen getheilt. Die eine marschierte über Capodichino, um die Porta Capuana anzugreifen.
Die andere umgingt auf dem nördlichen Abhange den Fuß des Vesuvs.
Die dritte that dasselbe auf der Südseite.
Mittlerweile griffen Tschudi; Sciarpa und Panedigrano den General Schipani von vorn an oder sollten ihn angreifen.
Am 13. Juni gegen acht Uhr Morgens sah man von der Höhe des Fort San Elmo die sanfedistische Armee in einer ungeheuern Staubwolke zum Vorschein kommen und sich nähern.
Es wurden sofort an dem Castello Nuovo die drei Alarmschüsse abgefeuert und die Straßen von Neapel wurden augenblicklich so einsam wie die von Theben so stumm wie die von Pompeji.
Der entscheidende Augenblick war da, ein feierlicher und furchtbarer Augenblick, wenn es sich um die Existenz eines Menschen handelt, aber noch weit feierlicher und furchtbarer, wenn es das Leben oder den Tod einer Stadt gilt.
Drittes Capitel.
Der Tag des 13. Juni
Ohne Zweifel waren im Voraus Befehle ertheilt worden, daß diese drei Kanonenschüsse ein doppeltes Signal sein sollten.
Kaum war nämlich der letzte verhallt, so hörten die beiden Gefangenen im Castello Nuovo, welche am Tage vorher verurtheilt worden, in dem nach ihrem Kerker führenden Corridor die eiligen Tritte eines Trupps Bewaffneter.
Ohne ein Wort zu sprechen, warfen sie sich einer in des andern Arme, denn sie begriffen sofort, daß ihre letzte Stunde geschlagen hatte.
Die, welche die Thür öffneten, fanden die Gefangenen einen in des andern Arm, aber resigniert und lächelnd.
»Sind Sie bereit, Bürger?« fragte der Officier, welcher die Escorte commandirte und welchem empfohlen worden, gegen die Verurtheilten mit der größten Schonung und Rücksicht