Александр Дюма

La San Felice Band 7


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Augen mit einem Nebel, der sich erst nach einigen Sekunden ein wenig zerstreute.

      Endlich konnte sie lesen.

      »San Germano, am 19. December, Morgens.«

      »Er ist in San Germano, oder vielmehr er war dort, als er diesen Brief schrieb,« sagte Luisa zu Michele.

      »Lies, Schwesterchen,« antwortete dieser. »Es wird Dir wohlthun.«

      Sie begann wieder – denn sie hatte sich unterbrochen, indem sie den Kopf zurückwarf und den Brief an ihr Herz drückte.

      »San Germano, am 19. December, Morgens.

      »Theure Luisa!

      »Lassen Sie mich mit Ihnen eine große Freude theilen. So eben habe ich den einzigen Menschen wiedergesehen, welchen ich mit einer Liebe liebe, die der gleich ist, welche ich Ihnen geschworen, obschon sie dennoch von ganz anderer Art ist. Ich habe nämlich meinen Vater wiedergesehen.

      »Was er ist und wo er ist, dies ist ein Geheimniß, welches ich selbst Ihnen gegenüber bewahren muß, welches ich Ihnen aber dennoch mittheilen würde, wenn ich bei Ihnen wäre. Ein Geheimniß vor Ihnen zu haben! In der That, ich lache selbst darüber. Hat man wohl Geheimnisse vor seiner zweiten Seele?

      »Ich habe eine Nacht, von neun Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens, bei meinem Vater zugebracht, den ich seit zehn Jahren nicht gesehen hatte. Die ganze Nacht hat er mir von dem Tode und von Gott gesprochen; die ganze Nacht habe ich ihm von meiner Liebe und von Ihnen erzählt.

      »Er ist, was selten vorkommt, ein hochgebildeter Geist und ein zärtliches Herz. Er hat viel geliebt und viel gelitten, aber, beklagen Sie ihn, er glaubt nicht. Beten Sie für meinen Vater, Sie, der Engel des Sohnes, und Gott, der Ihnen nichts verweigern kann, wird ihm vielleicht den Glauben schenken.

      »Ein anderes Weib als Sie, Luisa, würde sich schon gewundert haben, in diesen Zeilen nicht zwanzigmal die Worte zu finden: »Ich liebe Sie!« Aber dennoch haben Sie dieselben schon hundertmal gelesen, nicht wahr? Wenn ich mit Ihnen von meinem Vater spreche, von welchem ich mit Niemanden sprechen kann, wenn ich Ihnen meine Freude schildere, ihn wiedergesehen zu haben, nicht wahr, dann begreifen Sie wohl, daß dies nichts Anderes ist, als wenn ich mein Herz in Ihre Hände lege und vor Ihnen knieend zu Ihnen sage: »Ich liebe Sie, meine Luisa! Ich liebe Sie.«

      »Ich bin also jetzt nur noch zwanzig Meilen von Ihnen entfernt, meine schöne Fee des Palmbaumes, und wenn Sie diesen Brief empfangen, werde ich Ihnen noch näher sein. Die Brigands belästigen uns, morden uns, verstümmeln uns, aber sie halten uns nicht auf. Wir sind aber auch nicht eine Armee, wir sind nicht Soldaten, die sich auf dem Marsche befinden, um in ein Königreich einzufallen und eine Hauptstadt zu erobern. Wir sind eine Idee, welche die Runde um die Welt macht. Doch, da spreche ich ja gar Politik!

      »Ich wette, daß ich errathe, wo Sie meinen Brief lesen. Sie lesen ihn in unserm Zimmer, zu Häupten meines Bettes sitzend, in jenem Zimmer, wo wir uns wiedersehen werden und wo ich, indem ich Sie wiedersehe, die langen, fern von ihnen zugebrachten Tage vergessen werde.«

      Luisa unterbrach sich. Thränen umflorten ihre Augen und Schluchzen erstickte ihre Stimme.

      Michele eilte auf sie zu und kniete vor ihr nieder.

      »Muth, Muth, Schwesterchen!«, sagte er zu ihr.

      »Was Du thut, ist schön, und der gute Gott wird Dich dafür belohnen. Und wer weiß! Ihr seid beide jung. Vielleicht seht Ihr einander doch einmal wieder.«

      Luisa schüttelte den Kopf.

      »Nein, nein,« sagte sie mit einer Bewegung, welche ihren festgeschlossenen Augen Thränen auspreßte. »Nein, wir werden einander nie wiedersehen. Und es ist auch besser, wenn ich ihn nicht wiedersehe. Ich liebe ihn zu sehr, Michele, und erst seitdem ich beschlossen, ihn nicht wiederzusehen, weiß ich wie sehr ich ihn liebe.«

      »Kurz, Du weißt,« sagte Michele, »daß in deiner Trauer etwas Gutes liegt, wenn Du ihn nicht wiedersieht. Nanno prophezeite eurer Liebe ein trauriges Ende.«

      »O,« rief Luisa, »was würde ich mich an alle Prophezeiungen der Welt kehren, wenn ich lieben könnte, ohne mich eines Verbrechens schuldig zu machen!«

      »Na, lies nur weiter. Dies wird besser sein,« sagte Michele.

      »Nein, sagte Luisa, indem sie den zur Hälfte gelesenen Brief in ihren Busen steckte, »nein, wenn er allzu viel von dem Glück des Wiedersehens spräche, so ließe ich mich vielleicht dadurch bestimmen, von der Abreise zurückzutreten.

      In diesem Augenblicke hörte sie die Stimme des Chevalier, welcher sie rief.

      Sie eilte in den Corridor hinaus, dessen Thür Michele hinter ihr und hinter sich verschloß.

      Die in den Salon führende Thür des Speisezimmers stand offen.

      In dem Salon befand sich der Doctor Cirillo.

      Eine lebhafte Röthe stieg in Luias Wangen empor. Auch der Doctor Cirillo war in ihr Geheimniß eingeweiht. Uebrigens war ihr nicht unbekannt, daß Salvato's Briefe ihr durch Vermittlung des liberalen Comités zugingen, dessen Mitglied Cirillo war.

      »Theure Freundin,« sagte der Chevalier zu Luisa, hier ist unser guter Doctor, den wir seit langer Zeit nicht gesehen und der sich nach deiner Gesundheit erkundigen will. Ich hoffe, er wird damit zufrieden sein.«

      Der Doctor begrüßte Luisa, bemerkte aber auf den ersten Blick die moralische Unruhe, von der sie erfüllt war.

      »Sie befinden sich besser,« sagte er, »aber vollkommen wiederhergestellt sind Sie noch nicht und es ist mir lieb, daß ich heute gekommen bin.«

      Der Doctor betonte das Wort heute. Luisa schlug die Augen nieder.

      »Wohlan,« sagte San Felice, »ich muß Sie mit ihr allein lassen. In der That, Ihr Aerzte genießt Vorrechte, welche die Ehemänner selbst nicht besitzen. Zum Glück für Sie hab' ich etwas zu besorgen, sonst würde ich ganz gewiß nicht verfehlen, an der Thür zu lauschen.«

      »Daran würden Sie sehr Unrecht thun, mein lieber Chevalier, entgegnete Cirillo, »denn wir haben einander Dinge von der höchsten politischen Bedeutung zu sagen, nicht wahr, Signora?«

      Luisa versuchte zu lächeln, ihre Lippen kräuselten sich aber blos, um einen Seufzer entschlüpfen zu lassen.

      »Na, vorwärts! Verlassen Sie uns doch, Chevalier!« rief Cirillo. »Die Sache ist ernster, als ich glaubte.«

      Und damit drängte er San Felice zu der Thür hinaus, welche er hinter ihm verschloß. Dann kehrte er zu Luisa zurück und ergriff ihre beiden Hände.

      »Nun sind wir allein, mein theures Kind,« sagte er zu ihr. »Sie haben geweint?«

      »Ja, und viel!«, murmelte sie.

      »Seitdem Sie einen Brief von ihm erhalten haben, oder schon vorher?«

      »Vorher und seitdem.«

      »Ist ihm ein Unfall zugestoßen?«

      »Nein, Gott sei Dank!«

      »Um so besser, denn er ist eine edle und kräftige Natur, einer jener Menschen, wie wir deren in unserm armen Königreich Neapel niemals genug haben werden. Sie haben also einen andern Grund, bekümmert zu sein?«

      Luisa gab keine Antwort, aber ihre Augen wurden wieder feucht.

      »Sie haben sich doch nicht etwa über San Felice zu beklagen?« fragte Cirillo.

      »O!« rief Luisa, die Hände faltend, »er ist der Engel der väterlichen Güte!«

      »Ich begreife. Er reist ab und Sie bleiben da.«

      »Er reist ab und ich folge ihm.«

      Cirillo betrachtete Luisa mit einem Blick des Erstaunens, welcher allmälig durch Thränen umschleiert ward.

      »Und Sie,« sagte er zu ihr, was für ein Engel sind Sie! Ich kenne im ganzen Himmel nicht einen einzigen, dessen Namen Sie nicht würdig wären zu tragen, und welcher würdig wäre, sich den Ihrigen beizulegen.«

      »Sie sehen wohl, daß ich kein Engel bin, denn ich weine ja. Die Engel weinen nicht darüber, daß sie ihre Pflicht thun.«

      »Thun