(père)
Seeabenteuer und Schiffbrüche
Die »Juno«
(1795.)
Als Byron in seiner Jugend Aberdeen in Schottland verließ, um nach Newstead Abbey in England überzusiedeln, kam er in Nottingham zu einem braven Manne, Namens Drury, in Pension, dessen Zuneigung er sich erwarb, und der ihm, während seine Mitschüler einen Spaziergang machten, welcher ihn wegen seines hinkenden Fußes zu sehr angestrengt haben würde, zuweilen erlaubte, seine Bibliothek zu besuchen. Diese an ernsten Büchern reiche Bibliothek hatte eine Abteilung, welche ausschließlich Reisewerke enthielt, und diese Abteilung besuchte der zukünftige Dichter am Liebsten.
Eines Tages fiel ihm die Geschichte von dem Schiffbruche des englischen Schiffes »Juno«, von John Mackay, dem zweiten Hochbootsmanne, in die Hände, und in dieser Erzählung machte die Stelle, welche vom Tode eines jungen Mannes von der Equipage und von dem Schmerze handelte, den dieser Todesfall dem Vater des jungen Mannes vermachte, einen so lebhaften Eindruck auf ihn wie Thomas Moore bei Anführung der erwähnten Stelle sagt, daß man zwanzig Jahre später in seinem »Don Juan« noch Anklänge davon findet.
Diese von Thomas Moore citirte Erinnerung Byrons hatte auch in uns schon längst den Wunsch rege gemacht, John Mackay's ganze Erzählung zu lesen. Da wir jetzt damit beschäftigt sind, einige solcher Schreckensszenen aufzuzeichnen, haben wir uns bemüht, diese Erzählung ausfindig zu machen, und es ist uns gelungen.
Wir geben sie in Nachstehendem, und man wird darin leicht die vom Verfasser des »Don Juan« nachgeahmte Scene erkennen.
1
An der äußersten Spitze des indischen Reiches Birma liegt an der Mündung des Urawaddi, die einen prächtigen Hafen bildet, die Stadt Ranguhn, einer der bedeutendsten Handelsplätze von Pegu.
Zu Anfange Mai des Jahres 1705 lag in ihrem Hafen ein altes englisches Schiff von 450 Tonnen Gehalt, Namens »Juno,« Kapitain Alexander Bremner, welches eine Ladung Teckholz einnahm, um damit nach Madras abzugehen.
Kurz vor der Abreise wurde der zweite Hochbootsmann des Schiffes krank, und es zeigte sich bald, daß er nicht im Stande war, die Seereife mitzumachen.
Da diese Reise, eine Fahrt über den Meerbusen von Bengalen an seiner breitesten Stelle, nicht ohne Gefahr war, besonders während des bevorstehenden Südostpassatwindes, so hielt man es für nöthig, den kranken Hochbootsmann durch einen andern zu diesem Posten befähigten Mann zu ersetzen.
Der Kapitain Bremner hatte nicht nöthig, lange zu suchen. Es meldete sich ein im kräftigsten Alter, das heißt, in den letzten dreißiger Jahren stehender erfahrener Seemann, dessen vorzügliche Zeugnisse bewiesen, daß er die Gewässer, in denen man sich befand, nach allen Richtungen hin befahren hatte. Sein Name war John Mackay.
Der Kapitain Bremner prüfte diesen Mann, untersuchte seine Papiere, und als er die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß er dem in Rede stehenden Posten vollkommen gewachsen sein werde, engagierte er ihn auf ein Jahr.
Da das Fahrzeug, auf dem ein Seemann sich einschifft, für ihn ein Gegenstand von Wichtigkeit ist, weil er demselben sein Leben anvertraut, so untersuchte John Mackay, als er sich an Bord befand, die »Juno« in allen ihren Theilen.
Diese Untersuchung fiel nicht zum Vortheil des Schiffes aus. Die »Juno« war alt, in jeder Beziehung in schlechtem Zustande, und die aus dreiundfünfzig Köpfen bestehende Mannschaft, mit Ausnahme von acht bis zehn Europäern, lauter Lascars, erweckte in dem erfahrenen John Mackay keineswegs hinlängliches Vertrauen, um die Besorgnisse aufzuwiegen, welche das Alter, der schlechte Zustand und die mangelhafte Ausrüstung des Dreimasters in ihm rege gemacht hatten.
Er hielt es daher für nöthig, dem Kapitain ganz offen seine Meinung darüber zu sagen und ihm den üblen Eindruck zu gestehen, den sein Schiff nach genauer Untersuchung auf ihn gemacht hatte.
Der Kapitain Bremner aber war einer von den sorglosen Seeleuten, die auf dem Ozean alt geworden sind, und welche die Vergangenheit als eine Garantie für die Zukunft betrachten. Er antwortete seinem Hochbootsmann, daß er bereits seit zwanzig Jahren auf der »Juno« fahre, daß ihm noch nie ein Unglück begegnet sei, und daß das Schiff, wenn es zwanzig Jahre gut gegangen sei, auch noch eins gut gehen werde, das heißt bis zum Ablaufe des Engagements, das er mit seinem Hochbootsmann abgeschlossen habe.
John Mackay erwiderte darauf, daß die Bemerkung, die er sich erlaubt, durchaus keinen egoistischen Grund habe, sondern daß er sie nur im Interesse der ganzen Mannschaft äußere; daß er, Gott sei Dank, mit dem Meere hinreichend vertraut sei, um nöthigenfalls in einer Schaluppe über den bengalischen Meerbusen zu fahren, daß aber jeder Kommandoposten an Bord eines Schiffes mit einer größeren oder geringeren Verantwortlichkeit verbunden sei, und daß er es demnach für seine Pflicht gehalten habe, ihn auf die Mängel des Schiffes aufmerksam zu machen.
Der Kapitain dankte ihm in einem ziemlich ironischen Tone, und indem er ihm seine Gattin zeigte, die eben an Bord kam, um ihn auf der Fahrt zu begleiten, fragte er ihn, ob er nicht glaube, daß ihm selbst am Meisten an einer glücklichen Reise gelegen sein müsse.
Und in der That, ein flüchtiger Blick auf Madame Bremner war hinreichend, um einzusehen, daß das Wohl einer solchen Frau ihrem Gatten am Herzen liegen mußte.
Madame Bremner, die erst seit kaum einem halben Jahre mit dem Kapitain vermählt war, war wirklich ein reizendes Weibchen. Sie war in Ostindien von europäischen Eltern geboren worden und besaß außer ihrer nicht gewöhnlichen Schönheit die ganze Liebenswürdigkeit und Anmuth der Creolinnen, die in ihrem ganzen Wesen Etwas von der üppigen Natur haben, in deren Schooße sie das Licht der Welt erblickt haben, aufgewachsen sind und sterben sollen.
Ein malayisch er Sklave in seiner malerischen Tracht begleitete sie und vervollständigte das reizende Bild, dessen Hauptfigur sie war.
John Mackay sah daher ein, daß es unschicklich gewesen wäre, wenn er, der nur sein eigenes Leben auf's Spiel setzte, noch länger von den Gefahren gesprochen hätte, in die ein Schiff gerathen konnte, dem sein Kapitain ein so liebenswürdiges Geschöpf anvertraute.
Die letzten Vorbereitungen wurden demnach getroffen, ohne daß sich der Hochbootsmann neue Bemerkungen erlaubte, und am 29. Mai 1795 ging der Dreimaster mit dem Eintritte der Fluth bei einer Wassertiefe von fünfundzwanzig bis dreißig Fuß und schlammigem Grunde, unter Segel.
Sogleich im Anfange glaubte jedoch der Hochbootsmann zu bemerken, daß man das Schiff von der Richtung abweichen ließ, die es einhalten sollte; aber der Kapitain Bremner befuhr schon zu lange diese Gewässer, um annehmen zu können, daß er sich irre. John Mackay bemerkte indessen dem ersten Hochbootsmanne, Namens Wade, daß es ihm scheine, als ob das Schiff weiter nach rechts abhalte, als es sollte, und da dieser die Richtigkeit dieser Bemerkung erkannte, befahl er, daß das Senkblei ausgeworfen werden sollte.
Man hatte in der That noch nicht zwanzig Fuß Wasser.
Die Sache war sehr kritisch. Man benachrichtigte den Kapitain davon, der es nicht glauben wollte; als er sich aber selbst davon überzeugt hatte, befahl er sogleich, den Cours des Schiffes zu ändern.
Noch ehe aber der Steuermann den Helmstock hatte unter den Wind bringen können, verkündete ein heftiger Stoß, daß das Schiff aufgefahren war.
Es war keine Sekunde zu verlieren. Der Kapitain gab auf der Stelle Befehl, daß gebraßt werden sollte, um das Schiff wieder flott zu machen, allein dieser Befehl war unnütz, da es sich lediglich nur noch darum handelte, zu verhindern, daß es abgetrieben wurde.
Es wurden unverzüglich zwei Gabelanker ausgeworfen und man bemerkte zur großen Freude der ganzen Mannschaft, daß das Schiff still lag.
Man hatte nun Zeit, die Sache näher zu untersuchen.
Die »Juno« war auf eine fast steinharte Sandbank gestoßen, ohne jedoch eine Verletzung davon zu tragen, denn es hatte sich noch nirgends ein Leck gezeigt. Die Sache war daher noch nicht so schlimm, als sie Anfangs geschienen hatte. Da verlor plötzlich der eine von den beiden Ankern den Grund und in Folge dessen schleppte alsbald auch der andere.
Sogleich wurde der Befehl zum Auswerfen des Hauptankers gegeben und ausgeführt.
Das schon mit den Wellen treibende Schiff spannte die Ankerkette straff an, aber sie hielt und das Schiff