Александр Дюма

Tausend und Ein Gespenst


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sein trauriges Werk verlassen, um ein noch bei weitem traurigeres Schauspiel, die Hinrichtung Maria Antoinettens, zu sehen; dann berauscht durch das Geschrei, das er ausgestoßen und das er hatte ausstoßen hören, durch den Anblick des Blutes, das er hatte vergießen sehen, war er nach Saint-Denis zurückgekehrt, und indem er sich Heinrich IV. näherte, der an seinen Pfeiler gelehnt stand, und immer noch von Neugierigen, und ich mögte fast sagen von Verehrern umgeben war, hatte er zu ihm gesagt:

      – Mit welchem Rechte bleibst Du hier stehen, wenn man auf dem Revolutionsplatze den Königen den Kopf abschlägt?

      Und während er mit der rechten der königlichen Leiche eine Ohrfeige gab, hatte er zugleich mit der linken Hand den Bart gepackt und ihn ausgerissen.

      Die Leiche war auf den Boden gefallen, indem sie ein klapperndes Geräusch hören ließ, dem eines Sackes voller Gebeine, den man hatte fallen lassen, ähnlich.

      Sogleich hatte sich ein großes Geschrei von allen Seiten erhoben. – Bei jedem andern Königs, welcher es auch sein mogte, hätte man eine solche Beschimpfung wagen können, – aber bei Heinrich IV., dem Könige des Volkes, war es fast eine dem Volke angethane Schmach.

      Der ruchlose Arbeiter lief also die größte Gefahr, als ich zu seiner Hilfe herbeieilte.

      Sobald er sah, daß er in mir einen Beistand finden könnte, stellte er sich unter meinen Schutz.

      Aber, indem ich ihn immerhin beschützte, wollte ich ihn unter dem Drucke der schändlichen Handlung lassen, welche er begangen hatte.

      – Meine Kinder, sagte ich zu den Arbeitern, laßt diesen Elenden; der, den er beleidigt hat, steht dort oben hinlänglich gut, um von Gott seine Strafe zu erlangen.

      Als ich ihn hierauf den Bart wieder abgenommen, den er der Leiche ausgerissen hatte, und den er immer noch in der linken Hand hielt, jagte ich ihn aus der Kirche, indem ich ihm meldete, daß er nicht mehr zu den Arbeitern gehöre, die ich verwendete.

      Das Hohngeschrei und die Drohungen seiner Kameraden verfolgten ihn bis auf die Straße.

      Indem ich neue Beschimpfungen für Heinrich IV. fürchtete, befahl ich, daß er in die gemeinsame Gruft getragen würde; aber die Leiche wurde bis dorthin von Zeichen der Ehrerbietung begleitet. Statt, wie die andern, in das königliche Beinhaus geworfen zu werden, – wurde er herabgelassen, sanft niedergelegt und sorgfältig in eine Ecke gebettet; dann wurde eine Lage Erde, statt einer Lage Kalk, frommer Weise über ihn ausgebreitet.

      Da das Tagewerk beendigt, so entfernten sich die Arbeiter, und der Wächter blieb zurück; er war ein wackerer Mann, den ich dort angestellt hatte, aus Furcht, daß man des Nachts in die Kirche dringen mögte, um entweder neue Verstümmelungen vorzunehmen, oder um neue Diebstähle zu begehen; dieser Wächter schlief am Tage und wachte von Neben Uhr Abends bis sieben Uhr Morgens. Er brachte die Nacht stehend zu und ging herum, um sich zu wärmen, oder setzte sich an ein angezündetes Feuer an einen der Pfeiler, der sich der Thüre am nächsten befand.

      Alles in der Domkirche bot das Bild des Todes, und die Verheerung machte dieses Bild des Todes noch weit schrecklicher. Die Grabgewölbe standen offen und ihre Platten waren gegen die Wände gestellt; die zerbrochenen Statuen bedeckten den Fußboden der Kirche; hie und da hatten aufgebrochene Särge die Todten zurückgegeben, von denen sie erst am Tage des jüngsten Gerichts Rechenschaft abzulegen geglaubt hatten. Kurz alles führte den Geist des Menschen, wenn dieser Geist erhaben war, zu der Betrachtung, wenn er schwach war, zu dem Schrecken.

      Glücklicher Weise war der Wächter kein Geist, sondern ein organisirter Stoff. Er betrachtete alle diese Trümmer mit demselben Auge, wie er einen gefällten Wald oder ein gemähtes Feld betrachtet hätte, und war nur damit beschäftigt die Stunden der Nacht zu zählen, die einförmige Stimme der Uhr, des Einzigen, was in dem verwaisten Dome lebendig geblieben war.

      In dem Augenblicke, wo es Mitternacht schlug, und wo der letzte Schlag des Hammers in den dunkeln Tiefen der Kirche erbebte, hörte er lautes Geschrei, das von der Seite des Kirchhofes herkam. Dieses Geschrei waren Rufe, lange Klagen, schmerzliches Jammern. – Nach dem ersten Augenblicke der Ueberraschung bewaffnete er sich mit einer Hacke und schritt auf die Thüre zu, welche die Kirche mit dem Friedhofe in Verbindung setzte; als er aber, nachdem er diese Thüre geöffnet, vollkommen erkannte, daß dieses Geschrei von der Gruft der Könige herkäme, wagte er nicht weiter zu gehen, verschloß die Thüre wieder, und eilte, mich in dem Wirthshause zu wecken, in welchem ich logirte.

      Ich wollte anfangs nicht an das Bestehen dieses aus der königlichen Gruft kommenden Geschreies glauben; da ich aber der Kirche gerade gegenüber logirte, so machte der Wächter mein Fenster auf, und in Mitte des nur allein durch das Rauschen des Winterwindes gestörten Schweigens, glaubte ich in der That lange Klagen zu hören, welche mir nicht einzig und allein das Jammern des Windes zu sein schienen.

      Ich stand auf und begleitete den Wächter bis in die Kirche. Dort angelangt, und nachdem wir die Vorhalle wieder hinter uns verschlossen hatten, hörten wir die Klagen weit deutlicher, von denen er gesprochen hatte. Es war um so leichter zu erkennen, woher diese Klagen kamen, als die von dem Wächter schlecht verschlossene Thüre des Kirchhofes sich wieder hinter ihm geöffnet hatte. – Es kamen also wirklich diese Klagen von dem Kirchhofe.

      Wir zündeten zwei Fackeln an und gingen nach der Thüre; aber drei Male löschte sie die Zugluft aus, welche von Außen nach Innen entstanden war, wenn wir uns dieser Thüre näherten. – Ich sah ein, daß es wie mit diesen schwer zu überschreitenden Engpässen wäre, und daß, wenn wir einmal auf dem Kirchhofe wären, wir nicht mehr denselben Kampf zu bestehen hätten. – Ich ließ außer unseren Fackeln eine Laterne anzünden. – Unsere Fackeln erloschen, aber die Laterne widerstand. – Wir schritten durch die enge Thüre, und sobald wir auf dem Kirchhofe waren, zündeten wir unsere Fackeln wieder an, welche der Wind respectirte.

      Indessen in dem Maße, als wir näher kamen, nahm das Geschrei ab, und in dem Augenblicke, wo wir an dem Rande des Grabes ankamen, war es so ziemlich erloschen.

      Wir schwangen unsere Fackeln über der ungeheuren Oeffnung, und wir sahen in Mitte der Gebeine, auf dieser ganz von ihnen durchlöcherten Lage von Kalk und von Erde etwas Gestaltloses, das sich abkämpfte.

      Dieses Etwas glich einem Manne.

      – Was haben Sie und was wollen Sie? fragte ich diese Art von Gespenst.

      – Ach! murmelte es, ich bin der elende Arbeiter, der Heinrich IV. eine Ohrfeige gegeben hat.

      – Aber wie befindest Du Dich dort? fragte ich.

      – Ziehen Sie mich zuerst hier heraus, Herr Lenoir, denn ich sterbe, und nachher sollen Sie Alles erfahren.

      Sobald der Todtenwächter überzeugt war, daß er es mit einem Lebendigen zu thun hätte, so war der Schrecken verschwunden, der sich anfangs seiner bemächtigt hatte, und er hatte bereits eine in dem Grase des Kirchhofes liegende Leiter ergriffen, diese aber aufgerichtet und erwartete meine Befehle.

      Ich befahl ihm, die Leiter in das Grab hinabzulassen, und forderte den Arbeiter auf heraufzusteigen. Er schleppte sich in der That bis an den Fuß der Leiter; aber dort angelangt, als er sich aufrichten mußte, um die Sprossen hinaufzusteigen, bemerkte ich, daß er ein Bein und einen Arm gebrochen hatte.

      Wir warfen ihm einen Strick mit einer Schleife zu; er schlang sich den Strick um seine Schultern, – Ich behielt das andere Ende in meinen Händen; der Wächter stieg einige Sprossen hinab, und Dank dieser doppelten Unterstützung gelang es uns, diesen Lebendigen der Gesellschaft der Todten zu entreißen.

      Kaum war er außer dem Grabe, als er ohnmächtig wurde.

      Wir trugen ihn an das Feuer, und legten ihn auf ein Bett von Stroh; dann sandte ich den Wächter fort, um einen Wundarzt zu holen.

      Der Wächter kehrte mit einem Doctor zurück, bevor der Verwundete wieder zur Besinnung gekommen war, und erst während der Operation schlug er die Augen wieder auf.

      Als der Verband angelegt war, verabschiedete ich den Wundarzt, und da ich wissen wollte, durch welchen seltsamen Umstand sich der Entweiher in dem königlichen Grabe befand, schickte ich auch den Wächter fort. Diesem war nichts lieber, als sich nach den Gemüthsbewegungen einer solchen Nacht zu Bett zu legen, und