sprechen, mein Bruder, sagte Gregoriska, Madame ist Polin und versteht diese Sprache.
Nun sprach Kostaki in französischer Sprache einige für mich fast eben so unverständliche Worte aus, als die, welche er in moldauischer Sprache ausgesprochen hatte; aber die Mutter unterbrach sie, indem sie würdevoll den Arm ausstreckte. Es war augenscheinlich für mich, daß sie ihren Söhnen erklärte, daß es an ihr wäre, mich zu empfangen.
Nun begann sie in moldauischer Sprache eine Bewillkommungsrede, welcher ihr Gesicht einen leicht anzuwendenden Sinn gab. Sie zeigte mir den Tisch, bot mir einen Sessel neben sich an, bezeichnete mir mit der Geberde das ganze Haus, wie um mir zu sagen, daß es das meinige wäre, und indem sie sich zuerst mit einer wohlwollenden Geberde setzte, machte sie ein Zeichen des Kreuzes und begann ein Gebet. Nun nahm jeder seinen Platz ein; einen durch die Etikette bestimmten Platz. Gregoriska saß neben mir. Ich war die Fremde, und schuf dem zu Folge Kostaki einen Ehrenplatz neben seiner Mutter Smeranda.
So hieß die Gräfin.
Gregoriska hatte gleichfalls das Kostüm gewechselt. Er trug die magyarische Tunika wie sein Bruder, nur war diese Tuinka von granatfarbigem Sammet und seine Beinkleider von blauem Kasimir. Ein glänzender Orden hing an seinem Halse: es war der Nisham des Sultans Mahmud.
Die übrigen Hausgenossen aßen an demselben Tische, jeder in dem Range, den ihm seine Stellung unter den Freunden oder unter den Dienern verlieh.
Das Abendessen war traurig, nicht ein einziges Mal richtete Kostaki das Wort an mich, obgleich sein Bruder immer die Aufmerksamkeit hatte, Französisch mit mir zu sprechen. Was die Mutter anbetrifft, so bot sie mir mit dieser feierlichen Miene, welche sie niemals ablegte, von Allem selbst an. Gregoriska hatte die Wahrheit gesagt, sie war eine wahre Fürstin.
Nach dem Abendessen schritt Gregoriska auf seine Mutter zu. Er erklärte ihr in moldauischer Sprache das Bedürfnis, das ich haben müßte allein zu sein, und wie sehr nach den Gemüthserschütterungen eines solchen Tages die Ruhe mir nothwendig wäre. Smeranda machte mit dem Kopfe ein Zeichen der Billigung, reichte mir die Hand, küßte mich auf die Stirn, wie sie es mit ihrer Tochter gethan hätte, und wünschte mir eine gute Nacht auf ihrem Schlosse.
Gregoriska hatte sich nicht geirrt; ich wünschte diesen Augenblick der Einsamkeit sehnlichst. Ich dankte daher auch der Fürstin, welche mich bis an die Thüre zurückbegleitete, wo mich die beiden Frauen erwarteten, die mich bereits in mein Zimmer geführt hatten.
Ich grüßte sie gleichfalls, so wie ihre beiden Söhne, und kehrte in das nämliche Zimmer zurück, aus welchem ich eine Stunde zuvor gekommen war.
Ich dankte den Frauen. Ich gab ihnen einen Wink, daß ich mich allein auskleiden würde; sie entfernten sich sogleich mit Beweisen der Ehrerbietung, welche Andeuteten, daß sie den Befehl hätten, mir in allen Dingen zu gehorchen.
Ich blieb in diesem unermeßlichen Zimmer, von dem mein Licht, indem ich es weiter trug, nur die Theile erleuchtete, welche ich durchschritt, ohne jemals das Ganze derselben erleuchten zu können. Ein seltsames Spiel des Lichtes, das zwischen dem Scheine meiner Kerze und dem Scheine des Mondes, der durch meine Fenster ohne Vorhänge fiel, einen Kampf entstehen ließ.
Außer der Thüre, durch welche ich eingetreten war, und die auf die Treppe führte, befanden sich zwei andere Thüren in meinem Zimmer; aber ungeheure, an diesen Thurm auf meiner Seite angebrachte Riegel genügten, um mich zu beruhigen.
Ich ging an die Eingangsthüre, welche ich untersuchte. Diese Thüre hatte, wie die andern, ihre Vertheidigungsmittel.
Ich machte mein Fenster auf, es ging auf einen Abgrund.
Ich sah ein, daß Gregoriska mit diesem Zimmer eine überlegte Wahl getroffen hatte.
Indem ich nach meinem Sopha zurückkehrte, fand ich endlich auf einem an meinem Bette stehenden Tische ein kleines zusammengeschlagenes Billet.
Ich machte es auf und las in polnischer Sprache:
»Schlafen Sie ruhig, Sie haben Nichts zu fürchten, so lange als Sie in dem Innern des Schlosses bleiben.
Ich befolgte den mir gegebenen Rath, und indem die Ermüdung über meine Sorgen den Sieg davon trug, legte ich mich zu Bett und schlief ein.
XIV.
Die beiden Brüder
Von diesem Augenblicke an wohnte ich auf dem Schlosse, und von diesem Augenblicke an begann das Drama, das ich Ihnen erzählen will.
Die beiden Brüder verliebten sich in mich, jeder nach der Art seines Charakters.
Kostaki sagte mir gleich am folgenden Tage, daß er mich liebe, erklärte, daß ich ihm, und keinem Andern angehören würde, und daß er mich eher tödten würde, als mich, wem es auch sein mögte, angehören zu lassen.
Gregoriska sagte nichts; aber er umgab mich mit Aufmerksamkeiten und Artigkeiten. Alle Mittel einer glänzenden Erziehung, alle Erinnerungen, einer an den edelsten Höfen Europas zugebrachten Jugend wurden angewandt, um mir zu gefallen. Ach! Das war nicht schwer; bei dem ersten Klange seiner Stimme hatte ich gefühlt. daß diese Stimme meiner Seele schmeichle; bei dem ersten Blicke seiner Augen hatte ich gefühlt. daß dieser Blick mir bis in das Herz drang.
Nach Verlauf von drei Monaten hatte mir Kostaki hundert Male wiederholt, daß er mich liebe, und ich haßte ihn; nach Verlauf von drei Monaten hatte mir Gregoriska noch kein einziges Wort von Liebe gesagt, und ich fühlte, daß ich ganz die seine sein würde, sobald er es verlangte.
Kostaki hatte auf seine Ausgänge verzichtet. – Er verließ das Schloß nicht mehr. Er hatte für den Augenblick zu Gunsten einer Art von Lieutenant abgedankt, der von Zeil zu Zeit kam, um seine Befehle zu holen und verschwand.
Smeranda liebte mich gleichfalls mit leidenschaftlicher Freundschaft, deren Ausdruck mir Furcht machte. Sie begünstigte sichtlich Kostaki, und schien weit eifersüchtiger auf mich, als er es selbst war. Nur, da sie weder polnisch noch französisch, und ich die moldauische Sprache nicht verstand, so konnte sie nicht sehr zu Gunsten ihres Sohnes in mich dringen; aber sie hatte drei Worte in Französischer Sprache sagen gelernt, die sie mir jedes Mal wiederholte, wenn sich ihre Lippen auf meine Stirn drückten:
– Kostaki liebt Hedwig.
Eines Tages empfing ich eine schreckliche Nachricht, welche mein Unglück auf das Höchste steigerte: die vier Männer, welche den Kampf überlebt hatten, waren wieder in Freiheit gesetzt worden; sie waren wieder nach Polen abgegangen, indem sie ihr Wort verpfändeten, daß einer von ihnen vor Ablauf von drei Monaten zurückkehren würde, um mir Nachrichten von meinem Vater zu bringen.
Einer von ihnen erschien in der That eines Morgens wieder. Unser Schloß war genommen, verbrannt und geschleift worden, und mein Vater hatte sich bei seiner Vertheidigung tödten lassen.
Ich stand von nun allein auf der Welt.
Kostaki verdoppelte seine Bewerbungen und Smeranda ihre Zärtlichkeit, aber dieses Mal schützte ich die Trauer um meinen Vater vor. Kostaki beharrte darauf, indem er sagte, daß ich um so mehr einer Stütze bedürfte, je einsamer ich dastände; seine Mutter beharrte wie er und mit ihm, vielleicht mehr noch als er darauf.
Gregoriska hatte mir von der Gewalt gesprochen, welche die Moldauer über sich selbst haben, wenn sie nicht in ihren Gefühlen lesen lassen wollen. Er war ein lebendiges Beispiel davon. Es war unmöglich, von der Liebe eines Mannes überzeugter zu sein, als ich es von der seinigen war; wenn man mich indessen gefragt hätte, auf welchem Beweise diese Ueberzeugung beruhe, so wäre es mir unmöglich gewesen, es zu sagen; Niemand auf dem Schlosse halte seine Hand die meinige berühren, seine Augen die meinigen suchen sehen. Die Eifersucht allein konnte Kostaki über diese Nebenbuhlerschaft aufklären, wie meine Liebe allein mich über diese Liebe aufzuklären vermogte.
Ich gestehe indessen, daß diese Gewalt Gregoriskas über sich selbst mich beunruhigte. – Zuverlässig glaubte ich, aber das war nicht genug, ich hatte das Bedürfniß überzeugt zu werden, – als ich eines Abends, wo ich so eben in mein Zimmer zurückgekehrt war, leise an die eine jener beiden Thüren klopfen hörte, welche ich als sich von Innen schließend bezeichnet habe;