zu meiner Verfügung stände. Am folgenden Morgen um eilf Uhr war ich bei ihm.
Rossini's Palast ist, wie alle Italienischen Paläste, von Marmorsäulen, von Freskobildern und von Gemälden zusammengesetzt. Das Ganze, so geräumig, um drei oder vier Französische Häuser darin tanzen zu lassen, für den Sommer, niemals für den Winter gebaut, das heißt voll Luft, Schatten, Frische, Rosen und Camelia's.
Wie man weiß, scheinen in Italien die Blumen in den Zimmern zu wachsen, und nicht in den Gärten, in denen man nur Heuschrecken sieht und hört.
Rossini bewohnte diese Welt von Salons, von Zimmern, von Vorzimmern und von Terrassen. Immer heiter, lachend, von Einfällen und von Witz sprudelnd; seine Frau schritt dagegen durch diese selben Zimmer, gleichfalls lächelnd, aber langsam, ernst und schön wie die Judith von Horaz Vernet.
Sie verneigte sich vor mir und ich warf ihr diesen merkwürdigen schwarzen Schleier über den Kopf, der die Ursache meines Besuches in Bologna war.
Rossini hatte sein Mittagessen bereits angeordnet. Er wünschte, daß ich mich in Gesellschaft von Tischgenossen befinden mögte, die mir angenehm wären, und da er wußte, daß ich irgend eines Tages nach Venedig gehen würde, so hatte er einen jungen Venetianischen Dichter Namens Luigi von Scamozza eingeladen, der seine Studien auf der berühmten Universität von Bologna beendigt hatte, welche der Münze der Stadt den Wahlspruch verliehen hat: Bononia docet.
Ich hatte vier Stunden vor mir, um Bologna zu besuchen, das ich am folgenden Tage zu verlassen gedachte, vorbehaltlich, später dahin zurückzukehren. Ich bat Rossini, mich zu beurlauben und machte mich auf den Weg, während der berühmte Maestro in die Küche hinabging, um einer Schüssel Stuffato mit Macaroni seine ganze Sorgfalt zu widmen, für deren Zubereitung Rossini behauptet, auf der ganzen Italienischen Halbinsel seines Gleichen nicht zu haben, seitdem der Kardinal Alberoni gestorben ist.
Späterhin werde ich vielleicht die Wunder der Universitätsstadt erzählen. Ich werde den Neptun von Bronze beschreiben, das Meisterstück des berühmten Sohnes seiner Mauern, den sie mit ihrem eigenen Namen getauft hat; ihre Kathedrale von Sanct Petrus, die besonders reich durch die Verkündigung Ludovicos Caraccios ist, ihre Kirche von Sanct Petrone mit dem berühmten Meridian Cassinis. Ich werde die Neigung ihrer beiden Thürme ausmessen, der ewige Text zu Streitigkeiten der Gelehrten, die noch nicht zu bestimmen vermogt haben, ob sie sich durch eine Laune des Baumeisters oder durch die Wirkung eines Erdbebens neigen; ob sie sich unter der Hand des Menschen oder unter dem Hauche Gottes geneigt haben. Aber heute habe ich, wie Scheherazade, Eile, auf meine Geschichte zurückzukommen, und ich komme darauf zurück.
Um sechs Uhr waren wir bei dem berühmten Maestro um eine lange Tafel herum versammelt, die in Mitte eines großen, in Fresco gemalten und von allen Seiten gelüfteten Speisesaales stand. Den Italienischen Gebrauchen gemäß war die Tafel mit Blumen und eingemachten Früchten besetzt, das Ganze so eingerichtet, um dem berühmten Stuffato, welcher die Hauptschüssel des Mittagessens war, als Begleitung zu dienen.
Unsere Tischgenossen waren zwei bis drei Italienische Gelehrte, das heißt, eine Probe jener wackeren Leute, welche ein Jahrhundert lang streiten, um zu wissen, ob die Geschichte Ugolinos ein Gleichniß oder eine Thatsache ist; ob Beatrice ein Traum oder eine Wirklichkeit ist; ob Laura dreizehn Kinder oder nur zwölf gehabt hat.
Zwei bis drei Sänger von dem Theater von Bologna, unter denen sich ein junger Tenor Namens Roppa befand, der plötzlich eine schöne Stimme bekommen und sich aus den Küchen eines Kardinals auf das Theater de la Fenice erhoben hatte.
Endlich dieser junge Dichter Student, von dem mir Rossini gesagt hatte, ein trauriges, oder vielmehr schwermüthiges Gesicht, ein edler Denker, in dessen Seele die Hoffnung der Italienischen Wiedergeburt lebte; ein bewunderungswürdiger Krieger, der jetzt wie ein anderer Hector dieses heldenmüthige Venedig vertheidigt, das die unmöglichen Wunder des Alterthumes wieder aufleben läßt, indem es wie ein anderes Troja, wie ein anderes Syracus, wie ein anderes Carthago kämpft.
Endlich Rossini, seine Gattin und ich.
Die Unterhaltung drehte sich um Dante, Petrarca, Tasso, Cimarosa, Pergolèse, Beethoven, Grimod de la Rehnière und Brillat-Savarin, und ich muß zum großen Lobe Rossini's sagen, daß es mir schien, als ob er über diese beiden berühmten Gastronomen die klarsten und bestimmtesten Ansichten habe.
Beeilen wir uns, hinzuzufügen, daß er in dieser Beziehung tapfer von Roppa unterstützt ward, der, unbekannt mit der Theorie, aber ein Mann der Praxis, zehn Jahre lang die Küche besorgt hatte, ohne Carème zu kennen, wie er seit vier Jahren Musik trieb, ohne Grétry zu kennen.
Diese ganze Unterhaltung brachte mich dazu, Rossini zu fragen, warum er nicht mehr componirte.
– Aber, ich glaubte einen hinlänglichen Grund angegeben zu haben.
– Welchen?
– Ich bin faul.
– Ist das der einzige?
– Ich glaube ja.
– So daß, wenn ein Direktor Sie an der Ecke eines Theaters erwartete, und Ihnen eine Pistole auf die Brust setzte. . .
– Indem er mir sagte: Rossini, Du wirst Deine; schönste Oper schreiben, nicht wahr?
– Ja.
– Ei nun! so würde ich sie schreiben.
Leider lag vielleicht bei Weitem mehr Bitterkeit, als Gutmüthigkeit in diesem Worte. Außerdem, vielleicht habe ich Unrecht, aber ich habe niemals an die Gutmütigkeit eines mächtigen Genies geglaubt, und so oft Rossini in meiner Gegenwart über die Küche gesprochen hat, bat es mir immer geschienen, als ob es geschähe, um von Nichts Anderem zu sprechen.
– Demnach also, sagte ich zu Rossini, handelte es sich am Ende blos um einen Ueberfall?
– Um nichts Anderes.
– Wenn man Ihnen aber statt einer Pistole ein Gedicht auf die Brust setzte?
– Versuchen Sie es.
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