Александр Дюма

Zwanzig Jahre nachher


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werdet Ihr begreifen,« fuhr Rochefort fort, »daß die Bastille verlassen, um nach Vincennes und zu kommen nur das Gefängnis wechseln heißt.«

      »Sagt unumwunden daß Ihr zu der Partei von Herrn von Beaufort gehört, das wird freimütiger sein.«

      »Monseigneur, ich bin so lange eingeschlossen gewesen, daß ich nur zu einer Partei, zu der Partei der frischen Luft gehöre. Verwendet mich zu irgend etwas Anderem, gebt mir eine Sendung, beschäftigt mich thätig, aber aus der offenen Straße, wenn es möglich ist.«

      »Mein lieber Herr von Rochefort,« sagte Mazarin mit seiner spöttischen Miene, »Eure Eifer reißt Euch fort, Ihr haltet Euch noch für einen jungen Mann, weil dass Herz immer noch jung ist, aber die Kräfte fehlen Euch. Glaubt mir, Ihr bedürft jetzt vor Allem der Ruhe. Holla! irgend Jemand herein!«

      »Ihr verfügt also nicht über mich?«

      »Im Gegentheil, ich habe verfügt.«

      Bernouin trat ein.

      »Rufe einen Huissier,« sprach Mazarin, »und bleibe in meiner Nähe,« sagte er mit leisem Tone bei.

      Ein Huissier trat ein, der Cardinal schrieb einige Worte, die er diesem Manne zustellte, grüßte sodann mit dem Kopfe und sagte:

      »Gott befohlen, Herr von Rochefort.«

      Rochefort verbeugte sich ehrfurchtsvoll.

      »Ich sehe, Monseigneur,« sagte er, »man führt mich wieder in die Bastille.«

      »Ihr seid gescheidt.«

      »Ich kehre dahin zurück, Monseigneur, aber ich wiederhole Euch, Ihr habt Unrecht, daß Ihr mich nicht zu verwenden wißt.«

      »Euch, den Freund meiner Feinde?«

      »Warum nicht, Ihr hättet mich zum Feind Eurer Feinde machen sollen.«

      »Glaubt Ihr, es gebe nur Euch allein? Seid überzeugt Herr von Rochefort, ich werde Leute finden, welche so viel werth sind, als Ihr.«

      »Ich wünsche es Euch, Monseigneur.«

      »Schon gut; geht, geht! Ihr braucht mir ferner nicht mehr zu schreiben, Eure Briefe wären verlorene Briefe.«

      »Ich habe die Kastanien aus dem Feuer geholt,« murmelte Rochefort, indem er sich entfernte; »ist d’Artagnan nicht zufrieden, wenn ich ihm von dem Lobe erzähle, das ich ihm gespendet habe, so muß ich ihn einen Undankbaren schelten. Aber wohin führt man mich denn, in des Teufels Namen?«

      Man führte Rochefort wirklich nach der kleinen Treppe, statt ihn durch das Vorzimmer gehen zu lassen, wo d’Artagnan wartete. Im Hofe fand er seinen Wagen und Eine vier Mann Escorte, aber er suchte vergebene seinen Freund..

      »Ah! ah,« sagte Rochefort zu sich selbst, »das verändert die Sache auf eine furchtbare Weise; wenn noch so viel Volk auf den Straßen ist, so wollen wir es versuchen, Herrn von Mazarin zu beweisen, daß wir, Gott sei Dank, noch zu etwas ganz Anderem taugen, als zur Bewachung eines Gefangenen. Und er sprang so leicht in den Wagen, als ob er erst fünf und zwanzig Jahre alt wäre.

       IV

      Anna von Oesterreich mit sechsundvierzig Jahren

      Allein mit Bernouin, blieb Mazarin einen Augenblick nachdenkend; er wußte viel, aber er wußte immer noch nicht genug. Mazarin war Betrüger im Spiel. Das ist ein Umstand, den uns Brienne aufbewahrt hat: er hieß dies seinen Vortheil nehmen. Er beschloß die Partie mit d’Artagnan nicht eher anzufangen, als bis er alle Karten seines Gegners genau kennen würde.

      »Monseigneur hat nichts zu befehlen?« sagte Bernouin.

      »Allerdings,« antwortete Mazarin, »leuchte mir, ich gehe zu der Königin.«

      Bernouin nahm eine Kerze und marschierte voraus.

      Es war ein geheimer Gang vorhanden, der von den Zimmern und dem Cabinet von Mazarin nach den Zimmern der Königin ausmündete. Durch diesen Gang begab sich der Cardinal, so oft er zu Anna von Oesterreich gehen wollte.

      Als Bernouin in das Schlafzimmer gelangte, nach welchem dieser Gang führte, traf er Madame Beauvais. Madame Beauvais und Bernouin waren die innigen Vertrauten dieser veralteten Liebe, und Madame Beauvais übernahm es, den Cardinal bei Anna von Oesterreich zu melden, welche sich mit ihrem Sohne, König Ludwig XIV., in ihrem Betzimmer befand.

      In einem großen Lehnstuhle sitzend, den Ellbogen auf den Tisch und den Kopf auf die Hand gestützt, betrachtete Anna von Oesterreich das königliche Kind, welches auf dem Boden liegend, in einem großen Schlachtenbuche blätterte. Anna von Oesterreich war die Königin, welche ausgezeichnet gut sich mit Majestät zu langweilen wußte. Sie blieb zuweilen Stunden lang in ihr Schlafgemach oder in ihr Betzimmer zurückgezogen, ohne zu lesen oder zu beten.

      Das Buch, mit welchem der König spielte, war ein Quintus Curtius, reich mit Kupferstichen ausgestattet, welche die Großthaten von Alexander darstellten.

      Madame Beauvais erschien an der Thüre des Betzimmers und meldete den Cardinal Mazarin.

      Das Kind erhob sich auf einem Knie und schaute die Stirne runzelnd seine Mutter an.

      »Warum kommt er so,« sagte es, »ohne um Audienz zu bitten?«

      Anna erröthete leicht.

      »Es ist wichtig,« versetzte sie, »daß ein erster Minister in Zeiten, wie sie jetzt sind, zu jeder Stunde von dem, was vorgeht, der Königin Bericht erstatten kann, ohne daß er die Neugierde oder die Commentare des ganzen Hofes anzuregen nöthig hat.«

      »Aber eo scheint mir, Herr von Richelieu kam nicht so?« sprach das unbeugsame Kind.

      »Wie erinnert Ihr Euch, was Herr von Richelieu that? Ihr konntet es nicht wissen, denn Ihr waret noch zu jung.

      »Ich erinnere mich dessen nicht, sondern ich fragte, und man sagte es mir.«

      »Und wer sagte es Euch?« versetzte Anna von Oesterreich mit einer Bewegung schlecht verborgener böser Laune.

      »Ich weiß, daß ich nie die Personen nennen darf, welche die Fragen beantworten, die ich an sie richte,« antwortete das Kind, »oder daß ich sonst nichts mehr erfahren würde.«

      In diesem Augenblick trat Mazarin ein. Der König stand vollends auf, nahm sein Buch, schloß es und trug es auf den Tisch, bei welchem er aufrecht stehen blieb, um Mazarin zu nöthigen, ebenfalls zu stehen.

      Mazarin beobachtete mit seinem geistreichen Auge diese ganze Scene, von welcher er die Erklärung der vorhergegangenen zu verlangen schien.

      Er bückte sich ehrfurchtsvoll vor der Königin, machte eine tiefe Verbeugung vor dem König, der ihm mit einem ziemlich stolzen Nicken des Kopfes dankte; aber ein Blick seiner Mutter machte es ihm zum Vorwurf, daß er sich den Gefühlen des Hasses hingab, die Ludwig XIV. seit seinen Kinderjahren gegen den Cardinal hegte, und er empfing, ein Lächeln auf den Lippen, das Compliment des Ministers.

      Anna von Oesterreich war bemüht, auf dem Antlitz von Mazarin die Ursache dieses unvorhergesehenen Besuches zu errathen, denn der Cardinal kam gewöhnlich nur zu ihr, wenn sich alle Welt zurückgezogen hatte.

      Der Minister machte ein unmerkliches Zeichen mit dem Kopf, die Königin wandte sich an Madame Beauvais und sagte:

      »Es ist Zeit, daß sich der König schlafen legt. Ruft La Porte.«

      Die Königin hatte bereite dem jungen Ludwig drei- bis viermal gesagt, er möge sich schlafen legen, und stets hatte das Kind mit zärtlichen Bitten darauf bestanden, es wünsche zu bleiben. Diesmal aber machte es keine Bemerkung; es biß sich nur in die Lippen und erbleichte. Einen Augenblick nachher trat La Porte ein. Das Kind ging gerade auf ihn zu, ohne seine Mutter zu umarmen.

      »Nun, Louis,« sagte Anna, »warum umarmt Ihr mich nicht?«

      »Ich glaubte, Ihr wäret böse gegen mich, Madame, Ihr jagt mich fort.«

      »Ich jage Euch nicht fort. Ihr habt nur vor Kurzem erst die Blattern gehabt, seid noch leidend und ich fürchte, das lange Wachen könnte Euch anstrengen.«

      »Ihr habt nicht dasselbe befürchtet, als Ihr mich heute in den Palast