Artur Landsberger

Wie Satan starb


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kamen ihm, nur den wahren Grund, den jeder dritte ihm sofort genannt hätte, erriet er nicht.

      »Also, Herr Oberleutnant,« empfing ihn der vorgesetzte Offizier sehr dienstmäßig. »Ihr skandalöses Benehmen, verstehen Sie,« und er wiederholte noch einmal und unterstrich es: »Ihr skandalöses Benehmen muß ein Ende haben. Und zwar sofort. Wie Sie da abbrechen, das ist Ihre Sache. Sie scheinen nämlich nicht zu wissen, daß Sie sich und nicht zuletzt diese Dame kompromittieren.«

      Peter stand ganz verdutzt.

      »Ja . . . das ist doch . . . rein zwischen uns . . . beiden . . .« stammelte er. »Das . . . kann doch höchstens eine Vermutung sein.« – Und er, der sich die Tage über um niemanden gekümmert, kaum jemanden gesehen hatte, begriff gar nicht, daß Fernstehende so aufdringlich und taktlos sein und sich um Dinge kümmern konnten, die sie nichts angingen.

      »Das kombiniert man sich einfach,« erwiderte der Oberst. »Wir alle kombinieren uns das! Selbst meine Frau! Man muß sich schämen.«

      »Ja, aber warum tut man das?« fragte Peter. »Wen es stört, der braucht es sich doch einfach nicht zu kombinieren, und wem es Freude macht, nun, der nimmt eben keinen Anstoß daran.«

      »Es hört auf! Und zwar noch heute! Sieht man Sie noch einmal zusammen, so bestrafe ich Sie.«

      »Man wird uns nicht mehr zusammen sehen,« versprach Peter.

      »Und Sie werden mit der Dame auch nicht mehr unter vier Augen zusammen sein,« forderte der Oberst.

      »Das kann ich Herrn Oberst nicht zusagen.«

      »Es handelt sich um keine Zusage, sondern um einen Befehl!«

      »Wenn Herr Oberst der Dame das dann vielleicht direkt sagen wollten.«

      »Ich? Wieso ich?« erwiderte er verwirrt. »Was habe ich mit Ihren Liebschaften zu tun?«

      »Ich dachte, nichts! Aber Herr Oberst haben mich soeben eines Besseren belehrt.«

      Der Oberst zitterte jetzt am ganzen Körper.

      »Kommt die Da —, die Frau etwa zu Ihnen aufs Zimmer?«

      »Darüber bedaure ich Herrn Oberst keine Auskunft geben zu können.«

      »Ich verbiete es Ihnen!«

      »Ich bin auf die Entschlüsse der Dame ohne Einfluß.«

      »Weisen Sie ihr die Tür.«

      »Das verbietet mir außer meiner Erziehung in diesem Falle das Gefühl.«

      »Sie haben Ihr Gefühl dienstlichen Befehlen unterzuordnen.«

      »Ich bedaure, Herr Oberst, aber das vermag ich nicht.«

      »Ich werde Sie zwingen.«

      »Dazu hat man mich nicht einmal in Dahomey zwingen können.«

      »Sie sind hier nicht in Dahomey, sondern stehen vor Ihrem deutschen militärischen Vorgesetzten.«

      »Das ist mir inzwischen zum Bewußtsein gekommen.«

      Der Oberst, der den Sinn dieser Worte mehr fühlte als verstand, fuhr Peter an und sagte:

      »Sie haben drei Tage Stubenarrest wegen Renitenz.«  —

      Aber der Gesichtsausdruck Peters, der ein leises Lächeln nicht unterdrücken konnte, machte ihn nachdenklich. – »Ae . . »das heißt . . . ä . . .,Sie werden natürlich umquartiert – und zwar in ein anderes Stockwerk. Sie werden Ihr Zimmer überhaupt nicht mehr betreten.« – Und er schien sehr zufrieden mit dieser Lösung.

      »Verzeihung, Herr Oberst,« erwiderte Peter. »Die Neigung der Dame gilt nicht dem Zimmer, sondern der Person. Es dürfte sich daher nicht um die Ausschaltung des Zimmers, sondern um Ausschaltung der Dame handeln.«

      »Ich verbiete Ihnen, die Dame von dem Zimmerwechsel in Kenntnis zu setzen! So! Und damit dürfte der Fall erledigt sein.«

      Er war es leider nicht! Denn als am Nachmittage desselben Tages Frau Julie von Reinhart in Engelberg ankam und beim Hotelportier, der weder von dem Zimmerwechsel noch von dem Stubenarrest Peters Kenntnis hatte, nach der Zimmernummer ihres Sohnes fragte, wurde ihr die ehemalige Zahl genannt.

      »Ja, hat mein Sohn das Telegramm denn nicht bekommen?« fragte sie beängstigt und bewegt, als sie im Fahrstuhl in die zweite Etage fuhr.

      »Ich kann es nicht sagen,« erwiderte der Hoteldirektor, der infolge der doppelten Bedienung, in der Frau Julie reiste, an die Stelle des Portiers getreten war.

      »Mir lag daran, ihn nicht zu überraschen, weil ich fürchte, daß ihn das zu stark erregen wird. – Ist er gesund? Hat er alle . . .?« Sie stutzte und brachte das Wort ›Glieder‹ nicht über die Lippen.

      »Er macht einen durchaus gesunden Eindruck,« erwiderte der Direktor.

      Für Frau Julie war das ein großer Augenblick. Auf eine Frage, die sie sich vier Jahre lang Tag für Tag, Stunde um Stunde gestellt hatte, war ihr endlich die erlösende Antwort geworden! Ihr wurde schwarz vor den Augen, die Knie zitterten und sie hielt sich an ihrer Zofe und Johann, dem Diener, fest.

      Ein dankbarer Blick Johanns traf den Direktor.

      »Die gnädige Frau hat vier Jahre lang nichts von dem jungen Herrn gehört,« sagte er zur Erläuterung. »Denken Sie, er war in Dahomey gefangen; in den Kolonien!«

      »Nun, bei den Franzosen hat er es gewiß gut gehabt.«

      »Glauben Sie?« fragte Johann.

      »Ich bitt’ Sie, ein Kulturvolk wie die Franzosen wird seine Gefangenen doch nicht schlecht behandeln.«

      Der Fahrstuhl hielt. Frau Julie hatte sich wieder in der Gewalt.

      »Ich möchte doch lieber,« sagte Frau Julie mit geröteten Wangen. »Ich fürchte, er könnte zu sehr erschrecken. – Vielleicht, daß Sie zunächst mal Johann . . . Aber, dann denkt er womöglich, mir sei etwas zugestoßen und Sie sollen ihn vorbereiten.«

      »Das wäre denkbar,« stimmte Johann zu. »Aber der Herr Direktor könnte vielleicht sagen, es sei von Luzern aus telephoniert worden, daß die gnädige Frau nach Engelberg unterwegs sei.«

      »Das ginge!« meinte Frau Julie und war so erregt, daß sie den Direktor am Arm nahm und ihm mit einer Stimme, die zitterte und bebte, zuflüsterte: »Gehen Sie, gehen Sie zu meinem Sohne! Und dann, wenn er weiß, dann sagen Sie ihm: am Ende ist sie gar schon da! – Aber nur, wenn Sie sehen, daß er ruhig ist. Sonst muß man es ihm allmählich beibringen.«

      Der Direktor ging den Flur hinunter. Frau Julie stand und hielt sich mit der einen Hand bei Johann, mit der andern bei ihrer Zofe fest. Jeden Schritt, den er tat, fühlte sie in ihrem Herzen. Jetzt blieb er stehen und wandte sich rechts zur Tür. Frau Julie lehnte sich leicht an Johann an. Der Direktor klopfte und öffnete, in dem Glauben, daß jemand »Herein!« rief, die Tür. Im selben Augenblick schrie eine Frau laut auf und man sah, wie der verdutzte Direktor zurückfuhr.

      »Was ist?« rief Frau Julie laut.

      Die Tür flog zu und wurde verschlossen.

      Der Direktor kam zurück und verkündete verlegen:

      »Es tut mir leid, gnädige Frau, aber Ihr Herr Sohn kann nicht empfangen.«

      Frau Julie starrte noch immer zur Tür.

      »Er . . . er . . . ist . . . doch . . . da?« fragte sie zaghaft.

      »Gewiß . . . aber, Verzeihung, er ist nicht allein.«

      In diesem Augenblick kam der Oberst, der sich persönlich davon überzeugt hatte, ob Peter auch in dem ihm angewiesenen Zimmer im oberen Stock die ihm zuerkannte Strafe absaß, die Treppe hinunter. Er gab dem Direktor ein Zeichen, daß er ihn zu sprechen wünsche. Der trat an ihn heran.

      »Kennen Sie Frau . . .?« flüsterte er ihm zu und nannte einen Namen.

      Der Direktor bejahte.

      »Wenn die Da—, die Frau nach Herrn Oberleutnant Reinhart fragen sollte, so sagen Sie ihr nicht, daß er seit heute nicht mehr in Zimmer 43, sondern eine Etage höher in 117 untergebracht ist.«

      Der