Hendrik Conscience

Der Rekrut


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Eltern entzogen.

      Trien, die das Festbrod unter dem Arme trägt, kann ihm kaum folgen.

      Einige Zeit gehen die beiden jungen Leute neben einander ohne zu sprechen; ihre Herzen klopfen heftig, eine tiefe Schamröthe bedeckt Beider Stirnen und Wangen, sie wagen es nicht aufzusehen. Feierliche Stunde, in der zwei Seelen vor einem Bekenntniß beben, welches ihnen ein heilig bewahrtes Geheimniß enthüllen soll!

      Jan sucht schüchtern Trien's Hand, und faßt sie; doch als ob diese Berührung ein Verbrechen wäre und diese Hand ihn brennte, läßt er sie los und zittert.

      Doch nach einer Pause ergreift er sie wieder und spricht mit einem tiefen Seufzer:

      »Trien, werdet ihr mich nicht vergessen?«

      Thränen waren des Mädchens einzige Antwort.

      »Werdet ihr warten, bis Jan vom Militär zurückkommt,« fragte der Jüngling wieder, »darf er wenigstens diesen Trost mitnehmen um nicht vor Kummer zu sterben?«

      Das Mädchen heftet seine großen, blauen Augen auf ihn; der lange, sehnsüchtige Blick, den es auf ihm ruhen läßt, dringt wie ein Sonnenstrahl in sein Herz und läßt es in früher nie gekannter Seligkeit schwelgen.

      Bewußtlos steht er einen Augenblick da, er weiß nicht wie es kam, doch haben seine brennenden Lippen die Stirne des Mädchens berührt. Dann wich er scheu zur Seite und schlang seinen Arm um einen Eichenstamm.

      Dort vor ihm strahlt das Gesicht der Geliebten im keuschen Feuer des Liebesglücks; er legt sich die Hand aufs Herz, das ihm jetzt in wildem Pochen die Brust fast zersprengt; und doch ist eine unaussprechliche Wonne auf seinem Gesicht zu lesen; seine Augen leuchten, er hebt den Kopf stolz in die Höhe, es schien, daß der einzige Blick der Geliebten ihn mit Riesenkraft und Riesenmuth begabt hatte.

      Da tönte hinter dem Gehölze eine bekannte Stimme, es naht Jemand, der ein fröhliches Lied sang . . .

      Es war des Kartoffelbauers Karl, der auch mitziehen mußte und sich ins Dorf begab.

      Trien that sich Gewalt an um ihre Rührung zu verbergen. Aus ihren süßen Träumen geweckt, warf sie einen flüchtigen Blick auf ihren Freund, um ihn zum Fortgehen zu bewegen, auf daß nicht Karl ihn erreiche und ein fremdes Auge lese, was in ihrer Seele vorging.

      Doch Karl schritt schnell voran um seinen Kameraden einzuholen, Trien bemerkte es wohl und sagte schnell.

      »Jan, wenn ihr fort seid, werde ich allein für eure Mutter, euren Großvater und euer Brüderchen sorgen; ich werde das Feld pflügen und auch den Ochsen pflegen, daß ihm nichts abgeht. Ich bin dazu stark und gesund genug und ihr sollt bei eurer Zurückkunft Alles wiederfinden, so wie ihr es bei eurem bitteren Abschiede gelassen habt.«

      »Alles,« wiederholte der Jüngling, ihr tief in die Augen blickend, »Alles?«

      »Ja, Alles, so lang ihr wegbleibt, will ich nicht auf die Kirmeß; ohne euch ist mir doch Alles gleichgültig. Aber . . .ihr müßt auch nicht thun wie der häßliche Schmidt euch rieth, vom Trinken und den netten Mädchen, denn wenn ich das wüßte, so läge ich lieber im Kirchhof . . .«

      In diesem Augenblick legte Karl seine schwere Hand auf Jan's Schulter und sang zum Scherz mit trauriger Stimme:

      »Gott, schöner Schatz, was ist das Herz mir schwer,

      Ich soll jetzt fort von dir zum Militär,

      Adieu, vergiß mein nicht!«

      Das Mädchen wurde schamroth. Jan, der ihre Verlegenheit bemerkte, antwortete lachend auf den Scherz des Kameraden und faßte ihn beim Arm um mit ihm gegen das Dorf zu ziehen. Trien folgte schweigend.

      Wie sie in das Dorf kommen, finden sie vor der Krone noch drei junge Leute mit dem Ranzen auf dem Rücken, die auf die Ankunft von Jan und Karl warteten.

      Ein Jeder küßt seine Eltern und Freunde. Trien allein küßt Niemanden; aber in den verstohlenen Blick, den sie mit Jan austauscht, indem sie ihm das Festbrod giebt, liegt ein rührendes Einverständniß ihrer Seelen.

      Die Rekruten ziehen nach der Stadt.

      Trien verläßt das Dorf ohne zu weinen, doch am kleinen Gehölz geht ihr das Herz über, sie kehrt mit der Schürze vor den Augen zur Hütte zurück, wo jetzt Alles so leer ist und vom Sohn und Geliebten die Erinnerung des traurigen Abschiedes übrig bleibt.

      III

      An einem schönen Augustmorgen verließ Trien hüpfend und tanzend das Dorf um heimzukehren; ihr Gesicht verrieth durch seine süße Miene Fröhlichkeit und Eile; leichten Schrittes ging sie über den staubigen Weg, und von Zeit zu Zeit entschlüpften unvernehmliche Laute ihrer tiefathmenden Brust, als spräche sie mit sich selbst.

      In der einen Hand hielt sie zwei große Blatt Schreibpapier, in der anderen eine geschnittene Feder und ein Fläschchen voll Tinte, die ihr der Küster geschenkt hatte.

      Unterwegs begegnete ihr die schöne Kaet (Katherine) des Holz- schuhmachers, die, singend und einen Bündel Klee auf dem Kopfe tragend, aus einem Seitenwege trat und ihre Freundin mit der Frage anhielt: »He, Trien, wo lauft ihr denn mit dem Papier hin? Was seid ihr eilig, es brennt doch nirgends? – Sagt, wie steht es mit eurem Jan?«

      »Ja, mit unserm Jan,« antwortete Trien, »das weiß der Herrgott, liebe Kaetje. Seit er von hier weg ist, haben wir dreimal von ihm Nachricht erhalten, daß er wohl auf war. Jetzt aber ist es sechs Monate her, daß ein Kamerad von Turnhout in der Krone eine Botschaft von ihm für uns zurückließ; es mag auch schwierig sein, denn er steht irgendwo über Maestricht hin, und von dem fernen Ort gibt es hierher nicht alle Tage Gelegenheit.«

      »Kann er denn nicht schreiben, Trien?«

      »Er hat es wohl gekonnt, und als wir als kleine Kinder zusammen zum Küster in die Schule gingen, hat er fürs Schönschreiben sogar einen Preis bekommen. Doch wird er es jetzt vergessen haben, so gut wie ich.«

      »Und was wollt ihr mit dem Papier thun?«

      »Ja seht, Kaet, seit zwei Monaten habe ich mein altes Schreibbuch wieder aus der Kiste geholt und mich von neuem im Schreiben geübt. Jetzt will ich's versuchen, ob ich einen Brief fertig kriege. Ob es geht, weiß ich zwar nicht. Habt ihr in eurem Leben schon einen Brief geschrieben?«

      »Nein, aber ich habe schon viele lesen hören, denn mein Bruder Dries, der in der Stadt wohnt, schreibt uns fast alle Monat Einen.«

      »Und wie sieht das aus, so ein Brief? was steht darin? ist es als ob man mit Jemand spricht?«

      »Bei weitem nicht, Trien, das wäre was schönes! immer mit Komplimenten und großen Worten, die man fast gar nicht versteht.«

      »Ach, Kaet, wie finde ich mich da heraus! Wenn ich zum Beispiele so schreiben wollte; Jan, wir sind traurig, weil wir nicht wissen, wie's mit Euch steht; Ihr müßt uns bald Nachricht schicken, sonst wird Eure Mutter krank u.s.w. – das wird er doch auch verstehn?«

      »O du einfältig Ding, das ist ja kein Brief, so sprechen alle Leute, so gelehrt sie auch sind; wartet einmal, seht so fängt es immer an: Sehr geehrte Eltern, ich ergreife mit zitternder Hand die Feder, um, um . . . da kann ich nicht mehr weiter.«

      »Nun, um zu schreiben.«

      »O, da wißt ihr es besser als ich; ihr wollt mich zum Besten haben, das ist nicht schön von euch, Trien.«

      »Wo denkt ihr hin, Kaet, wenn ihr die Feder in die Hand nehmt, so wird es doch nicht sein, um ein Butterbrod zuschneiden; ich muß über eure Einfalt lachen, aber ich begreife nicht, warum euer Bruder immer zittert, wenn er sich ans Schreiben setzt. Nr kann gewiß nicht gutschreiben, und dann ists noch ärger, denn wenn Einer zittert, so schreibt er noch schlechter.«

      »Nein, das ist die Ursache nicht, aber Dries lebt luftig in der Stadt und verlangt immer Geld, darum zittert er, denn der Vater ist so böse. Doch noch eins Trien, wie steht's mit der Kuh?«

      »Ziemlich gut, das arme Thier hat etwas ausgestanden, doch jetzt erholt sie sich. Das Kalb haben wir an einen Bauer van Wechel-der-Zande verkauft, es war ein so hübsch schäckiches Thier.«

      Bei diesen Worten entfernten