Иван Тургенев

Zwei Freunde


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für ein neues Mädchen meinen Sie denn?

      Peter Wassiljewitsch beugt sich ein wenig seitwärts, und, durch das Fenster nach dem Hof hinaus schauend, wo der Hund in diesem Augenblicke einen barfüßigen Jungen bei den Waden packt, erwiedert er:

      – So ein blondköpfiges Mädchen. . . sonst nicht übel.

      – Acht – antwortet nach einer Pause Boris Andrejitsch – das ist meine neue Wäscherin.

      – Wo kommt sie denn her? fragt wiederum Peter Wassiljewitsch halb verwundert.

      – Aus Moskau. Sie war dort in der Lehre.

      Und Beide schweigen.

      – Wie viel haben Sie denn im Ganzen Wäscherinnen, Boris Andrejitsch? – läßt sich von Neuem Peter Wassiljewitsch vernehmen, mit Aufmerksamkeit den Tabak betrachtend, der mit einem trockenen Knistern unter der Asche der angebrannten Pfeife aufsprüht.

      – Drei, – antwortete Boris Andrejitsch.

      – Drei! Und ich habe nur eine Einzige. Und auch diese hat fast Nichts zu thun. Bei mir, Sie wissen ja, giebt es nicht viel zu waschen.

      – So, so! – antwortet Boris Andrejitsch.

      Und die Unterhaltung nimmt damit auf einige Zeit ein Ende.

      Unter solchen Gesprächen pflegte der Morgen zu verstreichen und man erreichte die Frühstücksstunde. Peter Wassiljewitsch legte viel Gewicht auf das Frühstück und behauptete daß die zwölfte Stunde grade diejenige Tageszeit sei, wo der Mensch Appetit bekomme. Und wirklich: er aß zu dieser Stunde mit solcher Heiterkeit, mit einem so gesunden und angenehmen Wohlbehagen, daß auch ein Deutscher seine Freude daran gehabt haben würde. So pflegte Peter Wassiljewitsch regelrecht sein Frühstück einzunehmen. Boris Andrejitsch aß weniger. Er begnügte sich gewöhnlich mit einem wenig Fricassee von Huhn, mit zwei oder drei weichgekochten Eiern nebst Butter und irgend einem englischen Dessert aus einem wunderlich geformten und patentirten Gefäße, für welches er viel Geld gezahlt hatte, und das er eigentlich abscheulich fand, obwohl er in der Regel versicherte, daß er ohne dasselbe keinen Bissen in den Mund nehmen könnte. Nach dem Frühstück gingen die beiden Freunde bei schönem Wetter bis Mittag aus; sie besichtigten die Wirthschaft oder spazierten, schauten zu, wie die jungen Pferde eingefahren wurden u.s.w. Manchmal gelangten sie bis zum Dorfe Peter Wassiljewitsch’s und traten dann zuweilen in sein Häuschen ein.

      Dieses Häuschen war klein und baufällig. Es glich eher einer ganz gewöhnlichen Bauernhütte, als dem Wohnsitze eines Gutsherrn. Auf dem Strohdache, welches durch und durch von Sperlings- und Dohlennestern durchlöchert war, wuchs grünes Moos. Von zwei Eschenblöcken, die einst oben in die Wand nebeneinander eingesetzt waren, hatte sich der eine nach außen gesenkt, während sich der andere ganz und gar nach unten neigte und in den Boden hineinwuchs. Mit einem Worte. das Haus Peter Wassiljewitsch’s sah elend aus, sowohl von außen, als von innen. Aber Peter Wassiljewitsch machte sich nicht viel daraus. Als Junggeselle und anspruchsloser Mensch kümmerte er sich wenig um die Bequemlichkeiten des Lebens, und war schon damit zufrieden, daß er überhaupt einen Winkel besaß, wo er sich zur Noth vor Regen und Kälte schützen konnte. Seine Wirthschaft versah die Haushälterin Macedonia. eine Frau in mittleren Jahren, die seht arbeitsam und sogar ehrlich war, aber unglückselige Hände besaß. Nichts wollte ihr gelingen. Nahm sie ein Geschirr zur Hand, so zerbrach es in Stücke, die Wäsche bekam Risse, die Speisen kamen entweder roh oder angebrannt aus der Pfanne. Peter Wassiljewitsch hatte sie mit dem Namen Caligula beehrt.

      Von Natur gastfreundlich hatte Peter Wassiljewitsch gern Gäste bei sich und bewirthete sie trotz der Spärlichkeit seiner Mittel aufs Beste. Besonders war er in dieser Richtung geschäftig während der Besuche Boris Andrejitsch’s. Aber Dank seiner Macedonia, die vor lauter Eifer immer Hals über Kopf einherlief, fielen die Aufwartungen stets ziemlich schlecht aus und beschränkten sich meistentheils auf ein Stück gedörrten, alt gewordenen Störrückens und ein Gläschen Bittern, von welch letzterem sich Peter Wassiljewitsch gewöhnlich sehr richtig ausdrückte, daß er recht gutgegen den Magen sei. Nach dem Spaziergange pflegten beide Freunde zu Boris Andrejitsch zurückzukehren, und sie speisten nun, ohne sich zu beeilen. Wenn sie sich dann in einer Weise restaurirt hatten, als ob dein Mittag kein Frühstück vorangegangen wäre, begab sich Peter Wassiljewitsch nach einem einsamen Winkel und hielt dort sein Mittagschläfchen, das gewöhnlich zwei, drei Stunden in Anspruch nahm. Boris Andrejitsch war unterdessen mit der Lektüre ausländischer Zeitungen beschäftigt. Des Abends kamen die Freunde wieder zusammen: ihre Freundschaft war eben derart, daß sie sich nicht trennen konnten! Manchmal spielten sie Prèfèrence; wenn nicht, so unterhielten sie sich in derselben Weise wie am Morgen. Es kam auch mitunter vor, daß Peter Wassiljewitsch die Guitarre von der Wand herunterholte und zu ihr diese oder jene Romanze mit ziemlich angenehmer Tenorstimme sang. Peter Wassiljewitsch liebte die Musik sehr, viel mehr, als es bei Boris Andrejitsch der Fall war, der indessen den Namen Beethoven’s nicht ohne Entzücken aussprechen konnte und sich immer vornahm, ein Clavier aus Moskau zu bestellen. In den Augenblicken, wo ihn Mißmuth und Niedergeschlagenheit unwandelten, hatte Peter Wassiljewitsch die Gewohnheit, eine Romanze vorzutragen, die sich auf seine Dienstzeit im Regiment bezog. Mit besonderem Ausdruck und etwas näselnd pflegte er dann folgende Verse vorzutragen:

      Kein Franzose briet uns Essen,

      Wackerer Djentschik, habe Dank!

      Redekampf war längst vergessen,

      Kleine Catalani sang;

      Hörnertöne signalirten

      Und Feldwebel rapportirten.

      Boris Andrejitsch accompagnirte seinen Freund dann und wann, seine Stimme war aber nicht wohlklingend, und er sang falsch. Gegen zehn Uhr, manchmal auch schon früher, gingen die Freunde auseinander – und am darauf folgenden Tage ging es von neuem los, nach demselben Programm.

      Eines Tages, wie gewöhnlich etwas zur Seite gebeugt und Boris Andrejitsch gegenüber seinen Platz einnehmend, warf Peter Wassiljewitsch einen besonders aufmerksamen Blick auf ihn und äußerte sich, ihn sinnend im Auge behaltend:

      – Nur Eins befremdet mich an Ihnen, Boris Andrejitsch.

      – Und das wäret – fragte Jener.

      – Nun, ich sag’s Ihnen Sie sind jung, klug, gebildet – was Teufel, hocken Sie da im Dorfe?

      Boris Andrejitsch sah seinen Nachbar verwundert an.

      – Sie wissen ja, Peter Wassiljewitsch, – sagte er endlich – daß, wenn nicht meine Umstände . . . meine Umstände sind es, die mich dazu nöthigen, Peter Wassiljewitsch.

      – Die Umstände? Ihre Umstände sind einstweilen noch nicht so arg. Ihr Gut kann schon seinen Mann ernähren. Treten Sie in den Dienst ein.

      Und nach einer kurzen Pause setzte er hinzu:

      – Ich an Ihrer Stelle würde in ein Ulanenregiment eintreten.

      – In ein Ulanenregiment? Und weshalb grade in ein solches?

      – Hm! weil es mich dünkt, daß es dort am anständigsten für Sie wäre.

      – Aber erlauben Sie. Sie selbst waren ja Husar!

      – Ich? Freilich, ich habe als Husar gedient – erwiederte mit Lebhaftigkeit Peter Wassiljewitsch. – Und was für ein Regiment war das! Ein zweites derart finden Sie in der ganzen Welt nicht mehr! Ein goldenes Regiment war es! Die Vorgesetzten, die Kameraden – alles prächtige Leute! Für Sie jedoch . . . wahrlich . . . für Sie wäre es nach meiner Ansicht doch besser, zu den Ulanen zu gehen. Sie haben blondes Haar, eine nette Taille – Alles spricht dafür.

      – Aber erlauben Sie, Peter Wassiljewitsch. Sie vergessen, daß ich mich den militärischen Vorschriften unterwerfen und den Anfang mit dem Junkerrang machen müßte. In meinen Jahren wäre dies etwas schwierig. Ich glaube sogar, daß es unstatthaft ist!

      – Ja, dass ist wahr – erwiederte Peter Wassiljewitsch, und ließ die Augen sinken. – Nun, – in diesem Falle heirathen Sie! – sagte er plötzlich, den Kopf erhebend.

      – Sie haben aber heute ganz wunderliche Gedanken! – rief Boris