Marcus Andrew Hislop Clarke

Deportiert auf Lebenszeit


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»Schon eine Woche, nicht wahr, Kapitain Blunt?«

      »Dreizehn Tage, Madame,«s brummte Blum.

      »Ich erinnere mich, daß wir auf der Höhe der Koromandel-Küste, als wir die Pest in der »Klapperschlange« hatten —«

      »Kapitain Vickers, noch ein Glas Wein?« rief Blunt, um die Erzählung abzuschneiden.

      – »Danke, nicht mehr. Ich habe Kopfweh.«

      »Kopfweh – ja, das wundert mich nicht, wenn man zu den Kerls hinuntergeht. Es ist schändlich, wie diese Schiffe überfüllt werden. Wir haben über zwei hundert Seelen an Bord und nur Platz für die Hälfte.«

      »Zweihundert Seelen! Gewiß nicht,« sagte Vickers. »Noch den königlichen Verordnungen —«

      »Hundertundachtzig Gefangene, fünfzig Soldaten, dreißig Mann Schiffsbedienung, Alles in Allem und wie viele? – eins zwei, drei, sieben in der Kajüte. Wie viel macht das ?«

      »Wir sind ein wenig beengt,« sagte Best.

      »Es i sehr Unrecht,« sagte Vickers feierlich. »Seht Unrecht, nach den königlichen Verordnungen.« – Aber die königlichen Verordnungen waren in der Kajüte noch unbeliebter als Pine’s unendliche Anekdoten und Mrs. Vickers gab der Unterhaltung schnell eine andere Wendung.

      »Sind Sie nicht dieses Lebens gänzlich müde, Mr. Frere?«

      »Nun, es ist nicht gerade ein Leben, wie ich es zu führen wünschte,« sagte Frere und strich mit der von Sommerflecken gesprenkelten Hand durch sein hartes, rothes Haar, »aber man muß aus Allem das Beste ziehen.«

      »Ja,« sagte die Dame in jenem leisen, mitleidigen Ton, in dem man von irgend einem Unfall spricht, »es muß ein harter Schlag für Sie gewesen sein, so plötzlich eines großen Vermögens beraubt zu werden.«

      »Nicht das allein, sondern auch noch ausfindig zu machen, daß das schwarze Schaf, welches Alles bekommt, eine Woche vor meines Onkels Tode noch Indien abgesegelt ist. Lady Devine erhielt am Begräbnißtage einen Brief, worin ihr Sohn ihr anzeigte, daß er im Hydaspes nach Calcutta gegangen sei und nie wiederkommen wolle!«

      »Sir Richard Devine hinterließ keine andern Kinder ?«

      »Nein, nur diesen geheimnißvollen Richard, den ich nie gesehen habe, der mich aber gehaßt haben muß.«

      »So so. O diese Familienzwistigkeiten sind schrecklich. Die arme Lady Devine, sie verlor an einem Tage den Gatten und den Sohn!«

      »Ja und am nächsten Morgen hörte sie von dem Morde, der an ihrem Vetter, dem Lord Bellasis begangen war! Sie wissen, daß wir mit den Bellasis verwandt sind. Meiner Tante Vater heirathete eine Schwester des zweiten Viscounts.«

      »Wirklich. Das ist ein schrecklicher Mord. Und Sie glauben, daß der schreckliche Mann, den Sie mir neulich zeigten, es gethan hat?«

      »Die Geschworenen haben es verneint,« sagte Mr. Frere lachend. »Aber ich begreife nicht, wie sonst irgend Jemand einen Beweggrund dazu haben konnte. Ich will aber jetzt auf Deck gehen und rauchen.«

      »Warum nur der alte Geizhals von Schiffsbauer seinen einzigen Sohn zu Gunsten dieses Burschen enterben wollte,« sagte Sergeant Pine zu Kapitain Vickers, als der breite Rücken von Maurice Frere auf der Kajütstreppe verschwand.

      »Wahrscheinlich leichtsinnige Streiche, die der Sohn auf dem Continent gemacht; solche Emporkömmlinge haben nie Geduld mit den Verschwendern. Aber es ist hart für Frere. Er ist bei aller seiner Rauhheit kein schlechter Mensch und wenn ein junger Mann die Erfahrung macht, daß ein Zufall ihm die Aussicht auf eine Viertel Million raubt und er nichts hat als sein Patent in einem dienstthuenden Regiment, das in eine Strafkolonie kommandiert ist, so hat er wirklich Grund, gegen das Schicksal zu murren.«

      »Wie kam es denn, daß der Sohn nun doch das ganze Vermögen erhielt?«

      »Ja, es scheint, daß der alte Devine gerade, als er noch seinem Advokaten geschickt hatte, um sein Testament zu ändern, einen Schlaganfall bekam, vermuthlich eine Folge seiner Wuth. Als sie am Morgen in sein Zimmer kamen, fanden sie ihn todt.«

      »Und der Sohn ist fort zur See,« sagte Mrs. Vickers, »und weiß nichts von Allem. Es ist ganz romantisch.«

      »Es freut mich, daß Frere das Geld nicht bekam,« sagte Pine, an seinem üblen Vorurtheil festhaltend. »Ich habe selten ein Gesicht gesehen, das ich weniger leiden mochte, selbst unter meinen Gelbjacken unten.«

      »O Mr. Pine, wie können Sie so sprechen?« rief Mrs. Vickers.

      »Bei meiner Seele, Madame, Einige von ihnen sind in guter Gesellschaft gewesen, – das kann ich Ihnen sagen. Da unten sind Taschendiebe und Schwindler, die sich in der besten Gesellschaft bewegt haben.«

      »Schreckliche Menschen,« rief Mrs. Vickers und legte ihre Kleider zurecht. »John, ich will auf Deck gehen.«

      Die ganze Gesellschaft erhob sich bei diesem Signal.

      »Nun, Pine,« sagte Kapitain Blunt, als er allein mit demselben blieb, »wir Beide treten ihr stets auf die Schleppe!«

      »Weiber sind immer im Wege an Bord,« erwiderte Pine.

      »Ach Doktor, das meinen Sie doch nicht im Ernst, das weiß ich,« sagte eine weiche, volle Stimme hinter ihm.

      Es war Sara Purfoy, welche so eben aus ihrer Kajüte trat.

      »Hier ist das Mädchen,« rief Blunt. »Wir sprachen gerade von Ihren Augen, meine Liebe.«

      »Nun sie werden es wohl vertragen, daß man von ihnen spricht,« sagte sie und richtete ihre Blicke gerade auf ihn.

      »Beim Himmel, das können sie,« rief Blunt und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Es sind die schönsten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen habe und darunter die rothesten Lippen —«

      »Lassen Sie mich vorüber, Kapitain Blunt, bitte sehr. Ich danke Ihnen, Doktor.«

      Und ehe der sie bewundernde Kapitain es verhindern konnte, war sie bescheiden aus der Kajüte gewichen.

      »Ein schönes Stück Waare, – nicht?« fragte Blunt, ihr nachblickend. »Aber es sitzt ein Stück Teufel in ihr.«

      Der alte Pine nahm eine mächtige Prise.

      »Teufel! Ich will Ihnen etwas sagen, Blunt. Ich weiß nicht, wo Vickers sie aufgetrieben hat, aber das weiß ich, daß ich mein Leben lieber dem schlimmsten Schurken dort unten anvertrauen möchte, als ihr, wenn ich sie beleidigt hätte.

      Blunt lachte herzlich.

      »Nun, ich glaube doch nicht, daß sie es versteht, einem Manne das Messer in den Leib zu rennen,« sagte er, aufstehend. »Aber ich muß auf Deck, Doktor.«

      Pine folgte ihm langsam.

      »Ich will nicht behaupten , daß ich mich sehr gut auf die Weiber verstehe,« sagte er vor sich hin, »aber wenn das Frauenzimmer nicht eine ganz besondere Geschichte hat, so müßte ich mich sehr irren. Was hat sie hier an Bord als Kammerjungfer zu thun, das begreife ich nicht.«

      Er steckte sich die Pfeife zwischen die Zähne und ging auf dem nun verlassenen Deck bis zur Hauptluke auf und ab. Oefter wandte er sich, um Sara’s weiße Gestalt auf dem Hinterdeck auf und ab schreiten zu sehen. Dann sah er wie eine andere, dunklere Gestalt sich zu ihr gesellte und er murmelte: »Sie hat nichts Gutes vor, darauf möchte ich schwören.«

      In demselben Augenblick berührte ein Soldat im Interimsrock seinen Arm. Er war von unten gekommen.

      »Was gibt es ?«

      Der Mann richtete sich auf und grüßte.

      »Verzeihen Sie, Doktor, einer der Gefangenen ist krank geworden und da der Mittag vorüber ist und er immer schlechter wird, habe ich gewagt, Euer Ehren zu stören.«

      »Du Esel,« brummte Pine, der wie alle groben Leute ein gutes Herz unter der rauhe Schaale barg – »warum hast Du mir das nicht früher gesagt?« Er klopfte die Asche ans seiner kaum angezündeten Pfeife, stopfte Papier hinein und folgte dem Manne hinab.

      Inzwischen genoß das Frauenzimmer, welches der Gegenstand von Pine’s Verdacht war, die