lachte. – »Sie sind nicht unparteiisch, Fräulein Tine.«
Tine wurde rot. – »Ich verbitte mir . . .«
Und auch sie verließ mit ziemlich festen Schritten das Zimmer. Frau Busgaard drehte ihre Haubenbänder umeinander.
»Sie haben doch keinen rechten Stein im Brett bei den Mädchen, Herr Ingenieur,« sagte sie gutmütig. »Na, Tine und Thomas ziehen an einem Strang, und ich habe ihn lieb. Er ist der einzige Sohn meines einzigen Bruders, und Sie werden ihn auch schätzen lernen. Er hat eine scharfe Zunge, aber das Herz sitzt auf dem rechten Fleck. Und das tut der Kopf übrigens auch. Sie sollen sehen, wir werden Vergnügen an Thomas haben.«
»Ich freue mich auf ihn,« sagte der Ingenieur höflich. Das tat er eigentlich nicht; er hatte das Gefühl, als sollte er sich zu den Alten halten, bei den Jungen waren seine Chancen vorläufig nur gering.
Jetzt stürzte Tyr herein, beinahe ehe er die Tür geöffnet hatte.
»Mutter, Mutter, das war ein Spaß. Sowie die Ferkel kamen, fraß die Sau sie auf – wie bei der Katze, die du mir vorige Weihnachten in Kopenhagen gekauft hattest. Die kleinen Tiere gingen einfach durch das große durch.«
Und Tyr glänzte vor Freude und schwitzte vor Vergnügen über den praktischen Beitrag zur Fortpflanzungslehre, dem er draußen im Schweinestall beigewohnt hatte.
Nach ihm kam Busgaard. Er schwitzte auch und trocknete sich den Schweiß mit seinem großen rotgeblümten Taschentuch von der Stirn.
Und dann fluchte er: »Dieser Satans Viehknecht, dieser Tölpel, der Kerl ist ein kompletter Esel! Ich werfe ihn hinaus, ohne Lohn, augenblicklich.«
»Das tust Du nicht,« sagte Frau Busgaard beruhigend.
»Du meinst, dann rennt er gleich zum Kreisrichter und bekommt Recht, wie?«
Und Busgaard schwitzte stärker und trocknete sich die Stirn eifriger.
Er fauchte ein paar Minuten und fiel dann über den abwesenden Kreisrichter Heiden in sehr unparlamentarischen Wendungen her, die mit der durch die Situation gegebenen Bemerkung endeten: »Und wenn der Knallidiot mir wenigstens meine Gelder wieder schaffen könnte! – Aber das kann er natürlich auch nicht –.«
Tante Mus benutzte kluger Gewohnheit gemäß die Gelegenheit; das war ihre Force, und darauf beruhte ein gut Teil ihrer stillen aber unzweifelhaften Macht.
»Bus,« warf sie leicht hin, »darum habe ich auch nach Thomas telegraphiert! Niels holt ihn mit dem Wagen von der Bahn.«
In alten Tagen betrachtete man Explosionen als etwas Unangenehmes und Abnormes; in unseren Tagen, wo nicht allein Gasmotoren, sondern alle Motoren, Petroleum- und Benzinmotoren durch eine ununterbrochene Reihe von Explosionen getrieben werden, die also eine Bedingung für den Betrieb von Automobilen und Luftschiffen sind, hat man sich an diese Erscheinungen gewöhnt. Ein moderner Leser wird sich also auch an Gutsbesitzer Busgaard gewöhnen können, dessen ganzes Leben eine fortgesetzte Reihe kräftiger Explosionen ist.
Bei dem Namen Thomas explodierte er gewaltig.
»Den Teufel hast Du –.«
»Pst, Bus, pst,« erwiderte Frau Busgaard beschwichtigend. – »Ja, das habe ich. Ich mag nicht, daß die Leute hier auf dem Hofe herumgehn und sich gegenseitig verdächtigen. Und von Thomas weiß ich, was Du auch von ihm sagen magst, auf Diebe versteht er sich. Und deshalb meine ich, wir sollen ihn zu dem brauchen, wozu er gut ist. Das ist meine Ansicht, und ich bin sicher, ich habe recht!«
Busgaard brummte – aber sie hatte recht. Das haben Frauen nicht immer. Aber wehe dem Ehemann, dessen Frau es so eingerichtet hat, daß sie meistens recht hat. Die Männer sind nun einmal geneigt einzuräumen, daß ihr Widerpart recht hat, und darum unterliegen sie. Frauen räumen das niemals ein. Und darum ist auch kein Auskommen mit ihnen. Wenn sie nicht sind wie Frau Busgaard, dann gnade Gott! Und sie sind nicht alle wie Frau Busgaard. Freuen wir uns, daß sie so ist. –
Thomas wurde stillschweigend akzeptiert.
»Die Sonate ist hin,« sagte Busgaard den Kampf aufgebend. Erst verliere ich 5 Spanferkel, dann ärgere ich mich über den verwünschten Kreisrichter und den infamen Diebstahl, und jetzt schafft Mutter mir den Laffen, den Thomas, auf den Hals. – Alles an einem Vormittag! es wäre erklärlich und verzeihlich, wenn ich mich dem Trunke ergäbe – rein spielen, wenn es mir so im Kopf summt, kann ich nicht – facit, der Tag ist verloren.
Ich gehe zum Vieh hinaus. – Glauben Sie nur, Ingenieur, die stummen Kreaturen sind die wahren Freunde des Menschen.«
Mit dieser philosophischen Bemerkung ging Onkel Bus hinaus, um zu wirtschaften, wodurch der Betrieb auf Braendholt für einen Tag ernstlich gebremst wurde. Frau Busgaard schüttelte den Kopf und nahm den Strickstrumpf wieder auf.
»Sie haben wohl nichts dagegen, daß ich meinem Neffen das Zimmer, das Sie haben, gebe? Er hat es immer gehabt, wenn er hier war,« sagte sie freundlich zu Willumsen, und der Ingenieur verstand, daß der Herr, der kam, einen Stein im Brett hatte an den Stellen, von denen die eigentliche Regierung auf dem Gute ausging.
Er neigte den Kopf mit einem »Gott bewahre« und ging, um seine Habseligkeiten zu ordnen.
Unterdessen rollte ein Wagen dem Hofe entgegen, und darin saßen unsere beiden Rechtsgelehrten aus der Eisenbahn, die somit auf den Kampfplatz geführt wurden, den das Leben ihnen für diesen Augenblick anweisen wollte.
Entree der Juristen
Die wenigsten Leser ahnen, wie schwer es ist, die rechten Farbentöne für ein Interieur zu finden, das einem kritischen Publikum behagen soll. Es scheint so einfach. Soll Liebesglück geschildert werden, so nimmt man eine Sommernacht mit Mond, tiefblauem Himmel und funkelnden Sternen; handelt es sich um Gewalt und Mord, so ist die Nacht schwarz, der Sturm heult, während die Wolken wie böse Gewissen über einen mondlosen Himmel jagen; im Jugendglück leuchtet der Wald grün und die Lerchen schlagen, bei Hoffnung spielen die blauen Wogen, als Abschluß versinkt die Sonne rot über dampfenden Wiesen und so weiter in großer festlicher Auswahl.
Nach dem alten Rezept.
Das moderne ist gerade entgegengesetzt. Soll stilles Glück geschildert werden, so rast eine sturmgepeitschte See; soll Liebe gemalt werden, so stehen steife dürre Bäume da und strecken Totenfinger gegen die Liebenden aus, kurz der Gegensatz wird von dem Dichter betont, der ein Weihnachtsidyll gibt und dabei beschreibt, wie ein brustkrankes Proletarierkind auf einer Hintertreppe sitzt und zu Tode hungert. Das ist etwas schwerer als das andere und es endet damit, daß man wie jüngst ein junger Lyriker einen idyllischen Fjord bei Sonnenuntergang mit einer aufgerissenen blutigen Wunde vergleicht.
Auch dies hat seine Liebhaber – es gilt bloß den Geschmack des geneigten Lesers zu treffen. Aber Staffage gehört dazu.
Wenn nun also Kreisrichter Heiden und Kriminalassessor Klem in Gutsbesitzer Busgaards zweisitzigen Jagdwagen von Roskilde nach Braendholt hinausrollen, um zu den Untersuchungen zu schreiten, die auf mehr als 252 Seiten die gespannten Leser dieser wahrhaftigen Schilderung fesseln sollen, so ist es Pflicht des Autors eine landschaftliche und meteorologische Staffage zu geben, die sich auf passende und angenehme Weise um die Schilderung herumlegt.
Die Roskildegegend kann man nun einmal nicht umändern, und da im vorigen Kapitel auf Braendholt Sonnenschein war, ist das Wetter – diese große immer wiederkehrende Frage – eine gegebene Größe in der Gleichung. Winter ist es, wie schon früher öfters bemerkt, und die Uhr ist gegen zehn.
Einige Tiere haben wir zur Verfügung – sie dienen immer zur Belebung. Die Kühe sind im Stall, und wilde Tiere gibt es in der Gegend von Roskilde in größerer Menge nicht. Ein Hase kann draußen auf den Schneefeldern herumhüpfen. Mag er! Fünf, sechs Krähen können mit heiserem Krächzen – heiseres Krächzen ist gut – von rechts geflogen kommen. Das bedeutet Glück, und wenn die beiden Herren kein Glück haben sollten, hätten wir sie ebensogut zu Hause lassen können.
Also.
Die Sonne schien über die Schneefelder, die sich gegen den tiefblauen Fjord herabsenkten, wo das Eis am Ufer schmale Rinden gebildet hatte wie die Ränder einer mit Kollodium