ich. »Sie haben mir die Ueberzeugung beigebracht, daß Sie um meinetwillen Ihr meinem Gatten geleistetes Versprechen nicht in den Wind schlagen dürfen. Der Eid ist heilig, und es sei fern von mir, Sie zum Bruch desselben verleiten zu wollen.«
Der Major stieß einen tiefen erleichternden Seufzer aus und klopfte mir auf die Schulter, um mir auszudrücken wie vollständig er meine Worte billigte.
»Außerordentlich hübsch gesagt!« erwiderte er, sofort wieder zu seiner alten lächelnden Freundlichkeit übergehend. »Meine theure Lady, Sie besitzen die Gabe, Sympathien einzuflößen und Ihr scharfer Blick hat sofort meine Situation durchschaut. Sie erinnern mich lebhaft an meine reizende Lady Clarinda. Sie hat ebenfalls die Gabe, Sympathien einzuflößen und meine Lage zu durchschauen. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn es mir gestattet würde, Sie einander vorstellen zu dürfen.«
Trotz der vom Major versuchten Abschweifungen behielt ich mein Ziel fest im Auge.
»Ich freue mich außerordentlich auf die Bekanntschaft der Lady Clarinda,« sagte ich.
Indessen —«
»Ich werde Ihnen ein kleines Diner geben,« unterbrach mich der Major mit aufloderndem Enthusiasmus. »Sie und ich und Lady Clarinda. Unsere junge Primadonna soll am Abend kommen und uns etwas vorsingen. Was meinen Sie, wollen wir gleich das Menü entwerfen? Meine süße Freundin welches ist Ihre Lieblings-Herbstsuppe?«
»Wollen wir nicht lieber noch etwas bei unserm ersten Thema verweilen?« unterbrach ich sein Entzücken.
Des Majors Lächeln starb dahin; seine Hand ließ die Feder sinken, welche den Namen meiner Lieblings-Herbstsuppe unsterblich machen sollte.
»Muß es denn sein?« fragte er bittend.
»Nur für einen Augenblick, Major.«
»Sie erinnern mich lebhaft,« sagte er mit traurigem Schütteln des Kopfes, »an eine andere reizende Freundin von mir – eine Französin, Madame Mirliflore. Sie verfolgt ihre Zwecke ebenso hartnäckig, wie Sie es thun. Glücklicherweise ist sie in London. Wollen wir sie auch zu unserm kleinen Diner bitten?« Die Züge des Majors strahlten bei dem Gedanken und er nahm die Feder wieder auf. »Darf ich mir also noch einmal erlauben, Sie zu fragen, welches Ihre Lieblings-Herbstsuppe ist?«
»Wollen wir nicht erst den andern Gegenstand erledigen?« fragte ich, ihn abermals abkühlend.
Der Major legte zum zweiten Mal die Feder nieder.
»Allerdings!« sagte er mit resignirtem Lächeln. »Sie wollten also bemerken —?«
»Ich wollte bemerken,« entgegnete ich, »daß Ihr Eid Ihnen nur verbietet mir das Geheimniß meines Gatten zu erzählen. Er verbietet Ihnen aber nicht, mir einige Fragen zu beantworten.«
Major Fitz-David erhob warnend seine Hand und warf mir einen eigenthümlichen Blick aus seinen kleinen grauen Augen zu.
»Halt! meine süße Freundin!« sagte er. »Ich weiß ganz genau, wohin mich Ihre Fragen führen werden und welches das Resultat sein wird, wenn ich sie beantworte. Als Ihr Gatte mich heut besuchte, erinnerte er mich daran, daß ich einer schönen Frau gegenüber so weich wie Wasser sei. Er hat ganz Recht. Ich bin so weich wie Wasser; ich kann einem reizenden Weibe nichts abschlagen. Theure, anbetungswürdige Lady, mißbrauchen Sie nicht den Einfluß, den Sie auf mich haben! Lassen Sie einen alten Soldaten nicht seinem Ehrenworte untreu werden!«
Ich versuchte etwas zu erwidern; aber der Major faltete seine Hände und sah mich mit fast rührender Bitte an.
»Weshalb denn die Sache so beeilen?« fragte er.
»Ich leiste ja keinen Widerstand Ich bin ein Lamm – weshalb mich opfern? Ich erkenne Ihre Macht an; ich empfehle mich Ihrem Mitleid. Alle Unglücksfälle meiner Jugend und meines Mannesalters sind mir durch die Frauen gekommen. Jetzt, bereits mit einem Fuß im Grabe, habe ich mich noch nicht im geringsten gebessert. Ich bin ihnen noch ebenso gut wie je und noch ebenso bereitwillig, mich von ihnen mißleiten zu lassen. Sehen Sie diese Narbe!« sagte er, eine Locke seiner Perrücke emporhebend und mir eine schwere Verletzung an der Seite seines Kopfes zeigend. »Diese Wunde entstand durch eine Pistolenkugel. Ich empfing sie nicht etwa im Dienste meines Vaterlandes, sondern im Dienste einer schwer beleidigten Dante von der Hand ihres schurkischen Gatten. Sie war des Opfers aber werth!« Er küßte zärtlich seine Hand, zum Andenken an die todte oder abwesende Dame, und deutete dann auf ein Gemälde in Wasserfarben, das an der Wand gegenüber hing und ein hübsches Landhaus darstellte. »Das schöne Gut gehörte mir einst,« fuhr er fort. »Es ist schon vor manchen Jahren verkauft Und wer hat das Geld bekommen? Die Frauen – Gott segne sie alle! – die liebenswürdigen und reizenden Frauen. Es thut mir nicht leid. Wenn ich noch ein Gut hätte, würde es ohne allen Zweifel denselben Weg gehen. Das Einziges was ich mir bewahrt habe, ist meine Ehre. Und nun ist diese auch in Gefahr. Ja, ja, wenn Sie mit Ihren verführerischen Fragen fortfahren mit Ihren lieblichen Blicken und Ihrer holden Stimme, dann weiß ich genau, was geschehen wird. Sie werden mich des letzten und besten aller Besitzthümer berauben. Habe ich es wohl verdient, so von Ihnen behandelt zu werden?«
Ich machte abermals einen Versuch, zu sprechen, aber der Major Fitz-David vertraute sich noch unschuldiger meiner Gnade denn zuvor an.
»Verlangen Sie von mir, was Sie wollen,« fuhr er fort, »nur nicht einen Freund zu verrathen. Ich bezweifle nicht daß man Ihnen übel mitgespielt; es ist grausam, von einer Frau, wie Sie es sind, zu verlangen, daß sie ihr ganzes Leben im Dunkel bleiben solle. Wenn ich Sie so vor mir sehe, in Ihrer Schönheit und in Ihrem Unglück, möchte ich daran denken daß ein Versprechen selbst ein Eid, seine Grenzen habe wie alles andere in der Welt. Dennoch werde ich mich durch meinen Eid gebunden halten; aber ich würde nicht den kleinen Finger aufheben, um Sie zu verhindern, das Geheimniß selber zu entdecken.«
Er hatte diese Worte mit tiefem Ernst gesprochen und namentlich die Schlußwendung scharf betont. Unwillkürlich sprang ich vom Stuhl empor. Major Fitz-David hatte einen neuen Gedanken in mir erweckt.
»Nun verstehen wir einander!« sagte ich.
»Ich nehme Ihre eigenen Bedingungen an. Ich will nichts weiter von Ihnen verlangen, als was Sie mir soeben aus eigenem Antriebe angeboten.«
»Was ich Ihnen angeboten?« fragte er ein wenig aufgeregt.
»Nichts, das Sie Ursache haben werden, zu bereuen,« antwortete ich; »nichts, das Ihnen schwer werden wird, zu erfüllen. Darf ich mir eine kühne Frage erlauben? Setzen wir den Fall, dies Haus wäre mein, anstatt daß es Ihnen gehört.«
»Betrachten Sie es ganz als das Ihre,« rief der galante alte Gentleman. »Vom Boden bis zur Küche herab, betrachten Sie es ganz als das Ihre!«
»Tausend Dank, lieber Major; für den Augenblick nehme ich Ihr Geschenk an Sie wissen, daß eine Hauptschwäche aller Weiber die Neugier ist. Nehmen wir also an, meine Neugier hätte mich hierher geführt, um mein neues Haus bis in seine geringsten Details kennen zu lernen. Wenn ich nun von Zimmer zu Zimmer, von Schrank zu Schrank ginge, glauben Sie, daß ich Chancen haben würde, um —?«
Der Major verstand mich sogleich und schien ebenfalls von einem neuen Gedanken belebt.
»Würde ich also Chancen haben,« fuhr ich fort, »irgend eine Spur von meines Mannes Geheimniß in diesem Hause zu finden? Ein Wort als Entgegnung, Majors Ja oder nein?«
»Ja,« sagte er nach kurzem Ueberlegen.
Der erste wichtige Schritt war gethan. Er genügte mir aber noch nicht, ich fühlte die unabweisliche Nothwendigkeit, noch weiter zu forschen.
»Bedeutet dieses Ja,« fragte ich weiter, »daß ich hier im Hause einen greifbaren Schlüssel finden könnte?«
Er überlegte abermals. Ich hatte ihn, ohne daß er es klar bemerkt, in meine Interessen gezogen.
»Der Schlüssel, von dem Sie sprechen, existirt allerdings,« sagte er.
»In diesem Hause?« fiel ich schnell ein.
»In diesem Zimmer!« antwortete der Major, mir einen Schritt näher tretend.
In meinen Gedanken begann es zu schwirren; mein Herz schlug mir fast hörbar