mein Freund bewahrte seine Selbstbeherrschung er trat zu mir heran und flüsterte mir zu, ich möge mich mit dem gemachten Gewinn schnell zurückziehen; diese Warnung ließ er einige Male an mich ergehen; allein da er sah, dass ich ihm kein Gehör schenkte, verließ er den Saal und ging fort.
Kurz nachdem er sich entfernt hatte, rief eine heisere Stimme hinter mir. »Erlauben Sie mir, mein Herr, dass ich die beiden Goldstücke, welche Sie fallen ließen, zurück gebe. – Auf mein Ehrenwort, Herr! ich sah noch nie in meinem langen Leben, Jemand mit so viel Glück spielen. Tausend Sapperment! Machen Sie es noch bessert Sprengen Sie die Bank!« – Ich drehte mich um, und erblickte einen großen Mann mit einem Uniformrock bekleidet, der mir freundlich zunickte. Wäre ich meiner Sinne ganz mächtig gewesen, so hätte ich mich mehr mit seiner Persönlichkeit beschäftigt. Er hatte das Aussehen eines alten Soldaten; seine Augen waren gerötet, seine Nase zerquetscht, der Schnurrbart groß und militärisch geordnet, seine Stimme war ganz für den Kommandoton geschaffen, doch seine Hände waren vielleicht die unsaubersten in ganz Frankreich; diese sonderbare Persönlichkeit störte mich aber in diesen Augenblicken durchaus nicht, denn ich war in der Trunkenheit meines Glückes geneigt, die ganze Welt zu umarmen. Ich nahm die Dose an, welche der Soldat mir reichte und schnupfte daraus, klopfte ihm auf den Rücken und versicherte ihm, dass ich ihn für den ausgezeichnetsten Menschen der Welt halte, ja, für den ruhmreichsten Soldaten der großen Armee. Der Alte schnippte mit den Fingern und munterte mich noch einmal auf, die Bank zu sprengen.
Und ich befolgte seinen Rat und gewann so unerhört, dass der Croupier nach einer Viertelstunde ausrief: »Meine Herren, die Bank ist für heute aufgehoben!«
Alles Papiergeld und Gold der Bank lag in einem großen Haufen unter meinen Händen, das ganze Kapital des Spielhauses war also dazu bestimmt in meine Taschen zu wandern.
»Binden Sie doch das Geld in Ihr Taschentuch,« sagte mein militärischer Freund, als er sah, dass ich mit den Händen in dem Golde wühlte. »Machen Sie es nur mit dem Golde, wie wir es in der Armee mit den Resten des Mittagsmahles machten; Ihr Gewinn ist zu gewichtig für schwache Taschen.« – Ich breitete mein Taschentuch aus und brachte meinen Gewinn darin unter. »Ha, schon wieder ein Goldstück auf der Erde!« rief mein Ratgeber aus, und hob mit verschiedenen Scherzworten begleitet, den Napoleonsd’or von dem Fußboden auf. »So Herr, nun noch fest zugebunden und das Geld ist in Sicherheit,« fügte er hinzu. »Fühlen Sie nur, der ganze Ballen Geld ist fest und hart wie eine Kanonenkugel; ja, wenn man uns bei Austerlitz noch mit solchen Kugeln traktiert hätte.«
»Was werde ich aber jetzt unternehmen?«
»Nichts Einfacheres als meinen werten englischen Freund zu bitten, nun noch, nach seinem immensen Glück, eine Flasche Champagner mit mir zu trinken, um Fortuna hochleben zu lassen.«
Wir setzten uns zu Tische und ließen alle Welt hochleben, selbst Frau und Töchter des Croupiers, dann alle Frauen der Erde, Fortuna mit inbegriffen. Ich fühlte, dass der Wein wie Feuer durch meine Adern rann, mein Kopf brannte heftig, nie hatte der Wein solchen Einfluss auf mich ausgeübt, war ich unwohl oder war der Champagner wirklich so außerordentlich stark?
Doch ich rief trotzdem noch nach einer dritten Flasche, als zwei bereits leer vor uns standen. Der alte Soldat schüttelte jedoch den Kopf, legte seine schmutzigen Finger an seine zerquetschte Nase und empfahl feierlich: »Kaffee, mein Freund, Kaffee!« und stand auf, welchen zu verlangen.
Diese Worte des alten »Helden von Austerlitz« schienen eine zauberhafte Wirkung auf alle Anwesenden auszuüben, denn sie entfernten sich sogleich Einer nach dem Andern. Wahrscheinlich hatten sie gehofft, ich würde mich in meiner Freude so betrinken, dass sie schließlich willkürlichen Anteil an meinem Gewinn nehmen konnten, da sie nun aber sahen, dass sich der Alte zu meinem Schutzgeist gemacht hatte, gaben sie ihre Hoffnung auf. Als der alte Soldat zurückkehrte, waren wir nur noch allein in dem Zimmer anwesend; doch ich bemerkte, dass der Croupier, in einem Vorzimmer saß und schweigend seine Abendmahlzeit hielt, sonst war Alles wieder still und ruhig geworden.
Mit einem Male begann mein Schutzgeist flüsternd: »Hören Sie, mein Freund, ich habe eben mit der Wirtin, die ein wahres Wunder der Kochkunst ist, gesprochen und sie beauftragt, uns einen vorzüglichen Kaffee zu bereiten. Sie müssen diesen Kaffee trinken, damit sich Ihr aufgeregter Kopf wieder ein Wenig sammele, denn es ist sehr gewagt, – mit so vielem Gelde in der Nacht nach Hause zu gehen. Es haben viele der hier anwesend Gewesenen Ihrem Glück im Spiel beigewohnt; – es waren zwar, wie ich glaube, alle gutmütige Menschen, aber – Jeder hat seine schwachen Seiten. Sie verstehen mich doch? Wenn Sie sich dann erfrischt haben, so, rate ich, schicken Sie um einen Wagen, setzen sich mit Ihrem Gelde hinein und befehlen dem Kutscher, dass er nur durch die hellerleuchteten Straßen fahre. Folgen Sie mir; denn nur in dieser Weise werden Sie mit Ihrem Gelde sicher in Ihre Wohnung anlangen und – morgen werden Sie dem alten Soldaten dankbar sein, dass er Ihnen diesen Rat gegeben hat.«
Als der Alte geendigt hatte, kam der Kaffee, schon sorgfältig in zwei Tassen eingegossen. – Ich hatte Durst und trank die Tasse mit einem Zuge leer. Doch kaum hatte ich sie niedergesetzt, als mir ganz sonderbar zu Mute ward. Ein heftiger Schwindel ergriff mich, ich stand aus und ergriff die Lehne meines Stuhles, doch das ganze Zimmer drehte sich kreisförmig, so schien es mir, und ich fühlte mich außerordentlich unwohl, so unwohl dass ich nicht wusste, wie ich nach Hause kommen würde.
»Mein teurer Freund,« hob mein Nachbar wieder an, »Sie können unmöglich in diesem Zustande nach Hause gehen; ich schlage vor, bleiben Sie hier. Ich bleibe auch hier. Man wird Ihnen hier ein prächtiges Bett überlassen und dann schlafen Sie ungestört aus und morgen, bei hellem Tageslicht, tragen Sie denn Ihren Schatz sicher heim.«
Ich hatte nur noch zwei Gedanken, erstlich, dass ich mein Taschentuch mit dem Gelde nicht aus den Händen lassen dürfe und zweitens, dass ich mich sofort niederlegen müsse. So nahm ich nun den Rat des Alten an, stützte mich auf seinen Arm und nahm mein Geld in die Hand; so brachen wir auf. Der Croupier ging, zufällig wahrscheinlich mit uns. Wir durchschritten Gänge und stiegen einige Treppen hinauf, bis wir endlich zu dem Zimmer gelangten, welches für mich bereitet war; der alte Soldat schüttelte mir noch warm die Hand, sagte, dass wir zusammen frühstücken würden und dann, nachdem er mir herzlich gute Nacht gewünscht hatte, verließ er mich. Der Croupier hatte uns ebenfalls begleitet und ging nun mit meinem neuen Freunde fort. Als ich allein war, begab ich mich zu dem Waschtisch und wusch mir das Gesicht, trank dann eine starke Portion frisches Wasser und setzte mich nieder; bald fühlte ich mich nun auch etwas wohler. Die dumpfe Luft in dem Spielzimmer, das grelle Gaslicht, die Aufregung, alles dies hatte mich in den Zustand versetzt. Jetzt aber hatte das erquickende Wasser, die bessere Luft und das milde Licht meiner Kerze so günstig aus mich eingewirkt, dass ich zu überlegen anfing und mir sagte, es sei wohl gewagt, die Nacht in einem Spielhaus zuzubringen, doch noch gewagter sei es, mit der Summe, die ich nun mein nannte, durch die Straßen von Paris zu gehen. Auf meinen Reisen hatte ich ja an noch schlechteren Orten geschlafen. Ich verrammelte dann meine Tür sorgfältig; danach blickte ich noch unter mein Bett und den Schrank, untersuchte die Festigkeit der Fenster und nachdem ich nun alle die Vorsichtsmaßregeln angewendet hatte, entledigte ich mich der Oberkleider, stellte das Licht in die Asche des Kamins und legte mich, mit meinem Gelde unter dem Kopfkissen nieder.
Bald fühlte ich, dass ich nicht einschlafen konnte, ja dass ich nicht einmal meine Augen schließen konnte, ich fühlte, dass ich eine Art Fieberanfall hatte. Meine Glieder zitterten und jeder meiner Sinne schien geschärft zu sein.
Ich warf mich hin und her, legte mich mit dem Kopfe an das Fußende des Bettes und versuchte alle nur möglichen Lagen, doch es blieb vergeblich und ich wusste, dass die Nacht eine schlaflose sein würde.
Wenn ich nur wenigstens ein Buch gehabt hätte, um die Zeit mit Lesen zu verbringen; aber es blieb mir nichts Anderes übrig, als mich mit dem üblen Zustande meiner Nerven zu beschäftigen.
Ich stützte mich auf den Ellenbogen und blickte im Zimmer herum, welches von dem Mondlichte sanft erleuchtet war und gestattete, dass ich die Bilder und die Gegenstände darin unterscheiden konnte. Als meine Blicke so von Wand zu Wand liefen, erinnerte ich mich an Le Maisrtes köstliches kleines Buch, betitelt: »Die Reise durch mein Zimmer.« Ich beschloss, dem französischen Schriftsteller nachzuahmen und die Gegenstände in meinem Zimmer