Mr. Delamayn völlig ab.
»Wie es Ihnen gefällig ist,« erwiderte er mit unerschütterlichem Gleichmuth, »nehmen Sie es mir nicht übel, ich bin hier in Gesellschaft von Damen, die mich nicht rauchen lassen wollen und ich vermisse meine Pfeife schmerzlich, ich dachte ich könnte mich einen Augenblick davon machen und ein paar Züge thun, aber wenn Sie es wünschen, will ich auch spielen.«
»O bitte, rauchen Sie doch ja,« erwiderte Blanche, »ich werde einen Anderen wählen, ich will Sie gar nicht.«
Dem »ehrenwerthen« jungen Manne sah man an, wie sehr ihn diese Antwort erfreute.
Die ungestüme junge Dame wandte ihm den Rücken zu und sah sich nach den Gästen an der andern Seite des Pavillons um. »Wen soll ich wählen?« fragte sie sich selbst.
Ein junger Mann mit einer von der Sonne gebräunten Haut, der in Ausdruck und Wesen etwas von einem Seemann hatte, trat schüchtern auf sie zu und sagte flüsternd: »Wählen Sie mich.«
Auf Blanche’s Gesicht riefen diese Worte ein reizendes Lächeln hervor; allem Anschein nach war der dunkle junge Mann sehr gut bei ihr angeschrieben.
»Sie?« sagte sie kokett, »Sie verlassen uns ja in einer Stunde.«
Er wagte sich noch einen Schritt näher und sagte: Ich komme übermorgen wieder.«
»Aber Sie spielen ja so schlecht?«
»Ich könnte mich aber bessern, wenn Sie es mich lehren wollten!«
»Glauben Sie? dann will ich es mit Ihnen versuchen.«
Sie wandte sich mit heiterer Miene zu ihrer Stiefmutter und sagte: »ich wähle Mr. Arnold Brinkworth!«
Abermals schien hier in einem den Gästen unbekannten Namen etwas zu liegen, was gleichwohl einen besonderen Eindruck, dieses Mal nicht auf Miß Silvester, sondern auf Sir Patrick hervorbrachte. – Er sah Mr. Brinkworth plötzlich mit einem Ausdruck von Interesse und Neugierde an, und würde, hätte nicht die Frau vom Hause in diesem Augenblicke seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, unfehlbar mit dem jungen Manne gesprochen haben. Die Reihe war an Lady Lundie, ihrerseits einen zweiten Spieler zu wählen. Ihr Schwager war für sie eine wichtige Person, und sie hatte ihre besonderen Gründe, sich bei dem Haupte der Familie beliebt zu machen. Sie setzte die ganze Gesellschaft in Erstaunen, als sie Sir Patrick zu ihrem Mitspieler erwählte.
»Mama,« rief Blanche, »wo denkst Du hin? Sir Patrick spielt gewiß nicht mit, Croquet war ja zu seiner Zeit noch gar nicht erfunden.«
Sir Patrick gestattete der jungen Generation nie, eine verletzende Bemerkung über seine Zeit zu machen, ohne dieser Generation mit gleicher Münze heimzuzahlen.
»Zu meiner Zeit,« sagte er zu seiner Nichte gewendet, »erwartete man von den Leuten, daß sie zu einer Gesellschaft, wie diese, einige liebenswürdige Eigenschaften mitbringen würden, in neuerer Zeit habt Ihr aber solche Anforderungen aufgegeben; das ist,« bemerkte der alte Herr, indem er einen der Croquethämmer vom Tische nahm, »eines der Erfordernisse des Erfolgs in der modernen Gesellschaft und hier,« fügte er hinzu, indem er einen Ball in die Hand nahm, »ist ein anderes; man lernt so lange man lebt, ich spiele mit.«
Lady Lundie, die gegen jede ironische Bemerkung gefeit war, lächelte anmuthig und sagte: »Ich wußte, daß Sir Patrick mir zu Gefallen mitspielen würde.«
Sir Patrick verneigte sich verbindlich.
»Lady Lundie,« antwortete er, »meine Gedanken sind für Sie kein Geheimniß und liegen offen vor Ihnen.«
Zum Erstaunen aller noch nicht vierzigjährigen Gäste gab er diesen Worten einen besonderen Nachdruck. Indem er die Hand aufs Herz legte und einen Vers citirte, sagte er: »Ich darf mit Dryden ausrufen: »Alt wie ich bin, für Frauenlieb’ nicht mehr gemacht, Fühl’ ich doch immer noch der Schönheit Macht.«
Lady Lundie war durch diese Galanterie ersichtlich beleidigt.
Mr. Delamayn ging noch einen Schritt weiter, mit der Miene eines Mannes, der sich gebieterisch berufen fühlt, eine Pflicht zu erfüllen, nahm er das Wort und sagte: »Das hat Dryden nicht gesagt, darauf lasse ich meinen Kopf.«
Mit Hilfe seines elfenbeinernen Spazierstockes drehte sich Sir Patrick rasch um und sah Mr. Delamayn scharf in’s Gesicht.
»Wollen Sie Dryden besser kennen als ich?« sagte er.
Der »ehrenwerthe« Geoffrey antwortete bescheiden: »Ich glaube wohl, denn ich habe drei Mal mit ihm um die Wette gerudert und wir haben uns zusammen auf’s Rudern eingeübt.«
Sir Patrick sah mit einem bitter triumphirenden Lächeln umher.
»Dann erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß Sie mit einem Manne um die Wette gerudert haben, der vor ungefähr zweihundert Jahren gestorben ist.«
Mr. Delamayn wandte sich mit unverhohlenem Erstaunen an die ganze Gesellschaft.
»Was will der alte Herr,« fragte er. »Ich spreche von Tom Dryden vom Corpus-Chrifti-College, jeder Mensch auf der Universität kennt ihn.«
»Und ich,« entgegnete Sir Patrick, »spreche von dein Dichter John Dryden, den ersichtlich nicht Jeder auf der Universität kennt.«
Mr. Delamayn antwortete ganz ernsthaft: »Auf mein Ehrenwort, von dem habe ich mein Leben lang noch nichts gehört.«
Er lächelte und zog seine Rosenholzpfeife aus der Tasche.
»Haben Sie vielleicht ein Zündholz?« fragte er den alten Herrn in dem unbefangen freundlichsten Tone.
Sir Patrick aber antwortete in einem durchaus nicht freundlichen Tone: »Ich rauche nicht, Sir.«
Herr Delamayn sah ihn an, ohne im mindesten beleidigt zu sein.
»Sie rauchen nicht?« wiederholte er, »dann Begreife ich nicht, wie Sie Ihre Mußestunden hinbringen.«
Sir Patrick machte der Unterhaltung ein Ende.
»Das muß Ihnen allerdings unbegreiflich sein,« sagte er mit einer sehr leichten Verbeugung.
Während dieses»kleine Scharmützel vor sich ging, hatte Lady Lundie das Spiel arrangirt und die Gesellschaft, Spieler wie Zuschauer, fing an, sich nach dem Rasen hinzubewegen.
Sir Patrick hielt seine Nichte, die im Begriff war, sich in Gesellschaft des dunklen jungen Mannes« gleichfalls in den Garten zu begeben, zurück und sagte: »Laß Mr. Brinkworth bei mir, ich habe mit ihm zu reden.«
Blanche ertheilte demgemäß ihre Ordre Mr. Brinkworth wurde verurtheilt, bei Sir Patrick zu bleiben, bis sie seiner bei dem Spiel bedürfen würde.
Mr. Brinkworth war erstaunt, aber er gehorchte.
Während dieser Ausübung eines Actes der Autorität von Seiten Blanche’s begab sich etwas Bemerkenswerthes an der anderen Ecke des Garten-Pavillons. Mrs. Silvester benutzte die durch die allgemeine Bewegung nach dem Rasen hin verursachte Verwirrung, um dicht an Mr. Delamayn heranzutreten.
»In zehn Minuten,« flüsterte sie ihm zu, wird der Gartenpavillon leer sein, dann triff mich dort.«
»Der ehrenwerthe Geoffrey fuhr zusammen und sah sich verstohlen nach den Gästen in seiner Nähe um.
»Glaubst Du, daß wir da unbeachtet sein werden?« flüsterte er leise.
Die Lippen des Mädchens zitterten, es war schwer zu sagen, ob vor Zorn oder vor Furcht.
»Ich bestehe darauf,« antwortete sie, und verließ ihn.
Mr. Delamayn blickte ihr mit zusammengezogenen Augenbrauen nach und verließ auch seinerseits den Garten-Pavillon.
Der Rosengarten hinter dem kleinen Gebäude war in diesem Augenblick ganz leer; Geoffrey zündete seine Pfeife an und verbarg sich hinter den Rosen. Er rauchte in raschen, ungeduldigen Zügen; in der Regel war er für seine Pfeife ein äußerst milder Herr; wenn er den vertrauten Diener hetzte, so war das bei ihm ein sicheres Zeichen innerer Aufregung.
Drittes Kapitel.
Die Entdeckung
So waren denn nur noch