führt, obgleich der Ruhm sich von ihm abwendet und der Überfluss mitleidlos auf der andern Seite des Weges schreitet.
So war es mit Valentin; er hatte seiner Kunst sein Glück geopfert und seine Kunst hatte ihm, wenigstens in den Augen der Welt, nichts dafür zurückgegeben. Dennoch hätte er sie nicht inniger lieben, sie nicht hoffnungsvoller pflegen, nicht stolzer und treuer an sie glauben können, wenn die königliche Akademie ihn zu ihrem Präsidenten gewählt, oder die Königin ihn zum Ritter geschlagen hätte. Durch seine Rente war er vor Armut bewahrt und folglich wurde ihm jenes bitterste Elend erspart, welches früher oder später jeden andern Mann, der weniger von den Umständen begünstigt war und einen so niedrigen Rang als er in der Kunst einnahm, niedergebeugt hätte. Dieser glücklichen Lage des Herrn Blyth wurde von einem sie begleitenden Nachteil lange und drückend das Gegengewicht gehalten.
Er arbeitete geduldig weiter, niemals den Glauben oder die Hoffnung verlierend, weil er niemals die Liebe zu seiner Kunst verlor, oder den Genuss sie zu pflegen, wie entmutigend auch immer die erzielten Resultate waren. Wie bei den meisten andern Menschen, die mit geringer Intelligenz begabt sind, waren seine Worte doch mannichfaltig. Er versuchte den überladenen und den strengen Stil, er war abwechselnd religiös, allegorisch, historisch, sentimental und humoristisch. Einmal ging er vom Portrait zur Landschaft über, bald steife Studien nach der Natur anfertigend und dann bald wieder in poetischen Auffassungen schwärmend, welche unentdeckt in mancher Sammlung als unechte Bilder von Berghem oder Claude hätten hängen können.
In welchem Kunstgenre sich Valentin aber auch abmühte, um sich auszuzeichnen, immer schien dasselbe Missgeschick über seinen Bemühungen zu schweben. Jahr um Jahr baten seine Bilder um Aufnahme in der Akademie und unabänderlich wurden ihnen, und das nicht mit Unrecht, die schlechtesten Plätze an den Wänden der Ausstellung verweigert. Von einer Ausstellung bis zur andern arbeitete er wacker weiter, niemals mutlos, niemals hoffnungslos, wenn er vor seiner Staffelei saß, bis endlich der Tag der Belohnung erschien, für den er so lange und mühevoll gestrebt hatte. Ein kleines Bild von sehr unbedeutendem Vorwurf, das Innere einer Küche mit einer listigen Katze, welche, während der Abwesenheit der Köchin die Milch vom Teebrett stiehlt, darstellend, wurde wohlwollend von dem entscheidenden Ausschusse als »zweifelhaft« bezeichnet, – im Fall es an irgend einem vergessenen Platze in der Nähe des Eingangs der Thür passen würde – passte für einen solchen Platz und wurde wirklich als Herrn Blyths kleiner Beitrag zu den tausenden von Gemälden, die in jenem Jahre von der königlichen Akademie für das Publikum ausgestellt wurden, aufgehängt. Valentins Triumph fand hier aber sein Ende noch nicht. Sein Bild wurde wirklich an den Aktionär eines Kunstvereins verkauft. Dieser aufgeklärte Kunstmäzen war der Inhaber einer Kneipe. Er hatte zehn Pfund in der großen Lotterie gewonnen, und da er sich haushälterisch entschlossen hatte, das größte Werk, welches er finden konnte, für sein Geld zu kaufen, ging er mit dem Zollstab eines Zimmermannes umher, alle Bilder, welche um zehn Pfund verkauft werden sollten, auszumessen. Der »Jesuit in der Familie,« wie Blyths Bild genannt wurde, bot in dieser Hinsicht einen köstlichen Kauf dar und wurde folglich von jenem Beschützer der schönen Künste angekauft. Einmal mit einer Zehnpfundnote versehen, welche er mit seinem eigenen Pinsel verdient hatte, trotzte er heiter allen schmähenden Meinungen und allen ihm mit Unverschämtheit ihren Rat erteilenden Freunden. Er schwärmte in der übertriebensten Weise von künftiger Berühmtheit und künftigem Reichtum und bewies, sorglos genug, dass er so fest als irgend ein anderer Phantast an die ausschweifendsten Träume seiner Phantasie glaubte, dadurch, dass er heiratete und sich in großem Stil einrichtete, gestützt auf den glänzenden Erfolg, welchen er durch seinen »Jesuiten in der Familie« davongetragen hatte.
Er war seit einiger Zeit mit der Dame verlobt gewesen, die jetzt Madame Blyth geworden war. Sie war die jüngste von acht Schwestern, welche einen Teil der Familie eines armen Kupferstechers bildeten, die zwar arm an Geld, aber an prächtig tönenden Vornamen sehr reich waren. Madame Blyth hieß Lavinia-Ada, und dies war der bescheidenste Name unter den Schwestern. Valentins Verwandte widersetzten sich nachdrücklich dieser Partie, nicht bloß wegen der Armut der Braut, sondern aus einem andern und sehr ernstem Grunde, welcher sich durch die Ereignisse bald als nur zu. wohlbegründet herausstellte. Lavinia hatte als Kind lange und schmerzhaft an einer Rückenmarkskrankheit gelitten. Beständige Aufmerksamkeit und ein ärztlicher Beistand, wie ihn ihr Vater schaffen konnte, hatten, scheinbar erfolgreich die Krankheit bekämpft; das Mädchen wuchs hübscher als alle ihre Schwestern heran und anscheinend fast ebenso stark wie die gesündeste von ihnen. Als der alte Blyth jedoch hörte, dass sein Sohn jetzt gerade so entschlossen war, zu heiraten, als er es früher gewesen war, ein Maler zu werden, hielt er es für ratsam, gewisse Erkundigungen über die Konstitution der jungen Dame einzuziehen, und wandte sich mit der ihm eigenen Vorsicht in geheimer Unterredung an den Hausarzt der Familie. Das Resultat dieser Konferenz war durchaus nicht zufriedenstellend. Der Doktor hütete sich sorgfältig, sich irgendwie zu kompromittieren; er sagte, hoffentlich sei keine Gefahr für das Rückenmark mehr vorhanden, aber er könne nicht mit gutem Gewissen seine Meinung dahin abgeben, dass er davon vollkommen überzeugt sei. Nachdem der alte Herr Blyth seinem Sohne diese trostlosen Worte wiederholt hatte, fragte er ihn zartfühlend und bedächtig, aber geradeheraus, ob er nach einem solchen Ausspruche des Arztes noch ehrlich glaube, seine eigene Glückseligkeit oder diejenige der jungen Dame in Betracht zu ziehen, wenn er sie überhaupt heirate?
Valentin wollte wie gewöhnlich zuerst nur ausschließlich die gute Seite der Frage betrachten und legte auf des Doktors Autorität wenig Gewicht. Da er aber von seinem Vater gedrängt wurde, die Sache ebensowohl von der schlechtesten als von der besten Seite zu betrachten, antwortete er entschlossen, dass er, was immer sich ereignen möge, entschlossen sei, sein Lavinia gegebenes Versprechen zu der Zeit, welche sie schon für ihre Hochzeit bestimmt, zu erfüllen.
»Lavinia und ich lieben einander zärtlich«, sagte Valentin mit zitternder Stimme, aber mit vollkommener Festigkeit in seinem Benehmen. »Ich hoffe zu Gott, dass das, was man zu befürchten scheint, niemals eintreffen wird, sollte es aber der Fall sein, so werde ich niemals bereuen, sie geheiratet zu haben; denn ich weiß, dass ich ebenso bereit bin, ihr Pfleger als ihr Gatte zu sein.« Was konnte der alte Blyth, was konnte irgend ein Mann von Gefühl und Ehre einer solchen Antwort entgegen setzen? Nichts. Die Heirat fand statt und Valentins Vater bemühte sich sehr, aber nicht ganz vergebens, künftigen Resultaten ganz so hoffnungsvoll wie Valentin selbst entgegen zu sehen.
Mehrere Monate lang erfüllte die Glückseligkeit des Malers und seiner Frau mehr als die glänzendsten Hoffnungen, welche sie als Brautpaar gehegt hatten. An des Doktors warnende Worte wurde kaum gedacht. Die Zeit der Tränen aber und des bittern Kummers, welche sie zu erwarten hatten, nahte unaufhaltsam, sogar zu der Zeit, wo sie noch leichtsinnig über alle ärztliche Autorität an dem häuslichen Herde des Malers scherzten. Lavinia erkältete sich. Die Erkältung ging in Rheumatismus, Fieber, dann in allgemeine Schwäche und endlich in nervöse Anfälle über – eine jede dieser Krankheiten waren wirklich nur so viele unerkannte Erscheinungen, unter welchen die schreckliche Rückenmarkskrankheit verräterisch und schleichend maskiert daherschritt.
Als die ersten positiven Symptome erschienen, benahm sich der alte Herr Blyth mit seiner ganzen gewöhnlichen Großmut gegen seinen Sohn. »Meine Börse ist die deinige, Valentin«, sagte er; »öffne sie. wenn du willst, und besorge für Lavinia, so lange noch eine Aussicht für sie ist, denselben ärztlichen Beistand und dieselben Arzneien, als wenn sie die größte Herzogin im Lande wäre.« Des alten Mannes liebevoller Rat wurde liebevoll befolgt. Die berühmtesten Ärzte in England erteilten Lavinia ihren Rath, jedoch so weit als die menschliche Wissenschaft die Ereignisse vorhersagen konnte, war es Mistress Blyth, nach der Meinung aller ihrer ärztlichen Ratgeber, bestimmt, für den Rest ihres Lebens nie wieder von dem Bette, worauf sie lag, aufzustehen, außer vielleicht einmal nach dem Sofa getragen, oder, wenn irgendeine günstige Krise eintrat, gelegentlich in einem Krankenstuhle umher gefahren zu werden.
Welch ein Schlag diese Nachricht für den Gatten und die Frau war, das erfuhr niemand; sie hielten es sogar selbst voreinander geheim. Frau Blyth gewann zuerst ihren Mut und ihre Ruhe wieder; sie bat es sich als eine besondere Gunst aus, dass Valentin da Trost suchen solle, wo sie wusste, dass er ihn früher oder später finden würde: indem er in seinem Atelier seine herkömmlichen Arbeiten wieder aufnehme, welche, seitdem ihre Krankheit wirklich erkannt worden war, eine Unterbrechung erlitten hatten.
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