dem er so viele Monate getrennt worden war – an jenem ersten Tage, als die freundliche Beschäftigung seines Lebens ihm plötzlich fremd vorkam, wenn er seinen Pinsel träge in die Farben tauchte und seine Tränen jedes Mal schnell auf die Palette fielen, so oft er auf sie hernieder blickte, wenn er versuchte, emsig wie gewöhnlich zu arbeiten, nur auf eine halbe Stunde, an einer einfachen Staffage im Bilde, und dennoch der Pinsel falsche Striche machte und die Farbentöne nicht harmonieren wollten und dieselben Worte immer wiederholt von seinen Lippen fielen: »O arme Lavinia, o arme, liebe Lavinia« – sogar dann war der Geist jener geliebten Kunst, welcher er immer so demütig und gläubig gedient hatte, getreu ihrem göttlichen Berufe und tröstete ihn und hielt ihn aufrecht im letzten bittersten Augenblicke, als er seine Palette verzweifelt niederlegte.
Während er noch sein Gesicht vor dem nämlichen Bilde verbarg, welches er und seine Frau einst harmlos und heimlich zusammen gerühmt hatten, in jenen glücklichen Tagen seines Entstehens, welche niemals zurückkehren sollten, belebte der Gedanke des Trostes plötzlich sein Herz wieder und zeigte ihm, wie er sein ganzes späteres Leben mit der unvergänglichen Schönheit eines reinen und edeln Zweckes schmücken könne. Von dieser Zeit an nahmen seine eiteln Träume von Ruhm und von reichen Leuten, welche sich untereinander um den Besitz seiner Bilder stritten, den zweiten Platz in seinem Herzen ein, und an ihrer Stelle entstand der neue Entschluss, dass er mit seinem eigenen Pinsel, ohne das Opfer zu beachten, welches er seinem Stolze und seinem Ehrgeize bringen musste, ganz allein die Mittel verdienen wollte, um seine kranke Frau mit allem Luxus und aller Eleganz zu umgeben, welche er mit seinem eigenen kleinen Vermögen nicht herbeizuschaffen im Stande war und welche er, von dem feinen ihm innewohnenden Zartgefühle zurückgehalten, von der Großmut seines Vaters nicht als Geschenk annehmen wollte. Dies war das tröstende Vorhaben, welches der Trübsal die Hälfte der Bitterkeit nahm und ihn und seine Kunst durch ein Band vereinigte, welches heiterer war als irgend ein anderes, das früher sie verbunden hatte. In der nämlichen Stunde, als er diesen Gedanken fasste, stand er ohne Bangen auf, um sein großes historisches Bild, von dem er einst so viel gehofft hatte, mit der Rückseite an die Wand zu stellen, und setzte sich nieder, um eine unbedeutende kleine Skizze eines Bauernhofes zu vollenden, die er sicher an einen befreundeten Kunsthändler verkaufen konnte. Die erste Wiederkehr der Glückseligkeit, welche ihn schon seit langer Zeit geflohen, empfand er an dem Abend jenes Tages, als er bei seiner Lavinia saß und, sein Vorhaben vom heutigen Morgen geheim haltend, seiner kranken Frau trotz ihrer Leiden ein Lächeln abgewann, als er sie fragte, wie sie ihr Zimmer möbliert zu haben wünschte, wenn sie die Gemahlin eines großen Lords statt der bloßen Frau des Herrn Valentin Blyth wäre?
Hierauf kam der glückliche Tag, wo das Geheimnis enthüllt wurde, und dann die angenehmen Jahre, wo die glänzendsten Träume von aristokratischem Luxus der Frau Blyth nach und nach durch die Anstrengungen ihres Mannes durch seine Knust verwirklicht wurden. Seiner Frau zuliebe wäre Valentin in die Gefahr geraten, die hohe Kunst und die klassische Landschaft aufzugeben, um billige Portraits, billige Kopien und billige Skizzen des Stilllebens zu malen. Aber Frau Blyth, bettlägerig wie sie war, fuhr fort, allen ihren alten Einfluss für das Atelier zu bewahren und wollte für ihr Zimmer nichts Neues verlangen oder annehmen, ausgenommen unter der Bedingung, dass ihr Gatte wenigstens jedes Jahr ein Bild der hohen Kunst malen sollte, um sein Talent und seinen Ruf in den Augen des Publikums zu behaupten. Auf diese Weise war Herrn Blyths Zeit ziemlich gleichmäßig in das Anfertigen von großen unverkäuflichen Bildern, welche in der Ausstellung immer nicht sehr weit von der Decke, und kleinerer verkäuflicher Bildchen, welche stets nicht weit vom Fußboden gehängt wurden, geteilt. Valentins Einkünfte, welche er durchschnittlich erzielte, reichten, obgleich sie keinen großen Ertrag abwarfen, vollkommen hin, sein Lieblingsvorhaben, wozu sie bis zum letzten Heller gewissenhaft zurückgelegt wurden, auszuführen. »Lavinias Gesellschaftszimmer« (dies war der Name, den Herr Blyth dem Schlafzimmer seiner Frau beilegte) sah wirklich so schön und glänzend aus als irgendein königliches Zimmer auf der Welt. Die seltensten Blumen, die schönsten kleinen Blumengärten unter Glas, Gläser mit Gold- und Silberfischen darin, ein prächtiger Käfig mit Vögeln, eine Aeolsharfe, die man im Sommer auf die Fensterpfosten setzen konnte, einige von Valentins besten Zeichnungen nach alten Meistern, zierlich eingerahmte Preisabdrücke von Kupferstichen, die von dem Vater der Frau Blyth angefertigt waren, Gardinen und Tapeten von der zartesten Farbe und dem zartesten Gewebe, Mosaiktische und köstlich geschnitzte Bücherschränke befanden sich unter den verschiedenen Luxusgegenständen und Zimmergerätschaften, die Herr Blyth im Laufe der Jahre durch seinen Fleiß für das Vergnügen seiner Frau anzuschaffen im Stande war. Niemand als er selbst wusste, was er bei der Arbeit geopfert hatte, um diese Dinge zu erwerben. Die herzlosen Leute, deren Portraits er gemalt und deren Unverschämtheit er geduldig ertragen hatte, die geizigen Händler, welche ihn wie einen gemeinen Trödler behandelt hatten, die feigen Geschäftsleute, welche ihren Stand entehrt hatten, indem sie auf gemeine Weise von seinem schlichten Wesen Vorteil zogen, – wie hart und grausam waren solche Insektennaturen dieser Welt mit diesem edeln Herren umgegangen, wie verächtlich hatten sie ihren kleinen Wespenstachel in jene große Seele getaucht, die sie niemals unterjochen konnten.
Nein, diese Seele konnte nicht bezwungen, nicht getrübt werden; alle kleinlichen Demütigungen wurden durch einen Blick auf Lavinias »Gesellschaftszimmer« vergessen!
Viertes Kapitel – Der Maler und die Palette
Während wir sein vergangenes Leben betrachtet haben – jetzt seit vielen Jahren vergangen – ist Herr Blyth vom Kamin des Ateliers aufgestanden und im Begriff, sein Tagewerk zu beginnen.
Pfeifend geht er nach einem halb mit Wasser angefüllten Töpfchen, das in einer Ecke steht, und nimmt eine kleine Porzellanpalette herunter, welche, als ein die Vollendung der beiden großen Bilder, die auf den hohen und handfesten Staffeleien stehen, beförderndes Mittel abgeschmackt klein aussieht. Nachlässig hat er auf dieser Palette die ganze Farbe von gestern gelassen. Das Wasser hat jedoch ihr Hartwerden verhindert, und sie kann leicht mit dem Palettenmesser entfernt werden. Sich nach etwas Makulaturpapier umsehend, um das Gemisch von Schwefel und Syrupfarbe abzuwischen, die das erste Darüberstreichen mit seiner Messerklinge abgekratzt hat, richten sich Herrn Blyths Blicke zufällig zuerst auf den Malertisch und auf vier oder fünf Billetts, welche darauf umhergestreut liegen.
Diese, denkt er, werden ebenso gut dazu passen wie alles andere; er ergreift also die Billets, aber ehe er sie verbraucht, liest er ihren Inhalt zwei Mal durch, teils aus Vorsicht, teils aus einer zeitraubenden Gewohnheit, welche zerstreuten Menschen gewöhnlich eigentümlich ist. Drei von diesen Briefen sind zufällig in der nämlichen klecksigen Handschrift geschrieben. Keiner von ihnen ist sehr lang, und sie sind das Machwerk eines früheren Bekannten des Lesers, der sich in den letzten vierzehn Jahren in Größe und persönlicher Erscheinung ziemlich verändert hat. Hier der erste der Briefe:
»Lieber Blyth!
Es ist alles aus mit mir. Der Informator sagt: – Theater sind Häuser des Teufels, und ich muss um zehn Uhr zu Hause sein. Ich habe sicherlich niemals etwas Unrechtes in einem Theater getan, was vielleicht woanders nicht überall der Fall gewesen sein würde, es sei denn, dass Lachen über ein gutes Stück eine von den Nationalsünden ist, über welche er immer spricht; aber ich will mich hängen lassen, wenn ich es selbst meiner Mutter zu Gefallen noch länger aushalten kann.
Sie sind mein Freund. Ich werde Sie morgen besuchen, bleiben Sie also zu Hause. Wie gern möchte ich ein Künstler sein.
Immer der Ihrige
Z. Thorpe.«
Kopfschüttelnd und zugleich lächelnd beendigt Herr Blyth diesen Brief, gießt eine vollkommene Lache von schmutziger Farbe. und Terpentin über das Wort »Nationalsünden«, wirft das Papier ins Feuer und geht dann zu Nummer Zwei über.
»Lieber Blyth!
Ich konnte gestern nicht kommen wegen eines andern Skandals, über den meine Mutter natürlich weinte. Sie erinnern sich des frühern Skandals, als ich noch in der Schule war und mit Teddy Millichap Zigarren rauchte, wie mir mein Taschengeld entzogen wurde, ich meine neue silberne Uhr versetzte und fast relegiert wurde, weil es nicht für einen Gentleman sich ziemte.
Nun das ist fast wieder derselbe Skandal. Der Informator sagte, er hätte Tabaksrauch beim Morgengebet gerochen.
Mein