Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman


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auch andere Freunde und Bekannte das Bedürfnis zu verspüren, das Thema immer und immer wieder anzuschneiden und von allen Seiten zu beleuchten.

      »Ja, das will ich«, erklärte Lara. Nachdenklich trank sie einen Schluck Tee. »Ich lebe mein Leben ganz normal weiter, Lucie, sonst werde ich nämlich verrückt. Und ich muss versuchen, Lorenz zu finden. Er kann sich ja schlecht in Luft aufgelöst haben.«

      »Aber ins Büro …«, murmelte Lucie.

      Lara und Lucie arbeiteten im selben Architekturbüro – sie waren ein junges Team von insgesamt acht Leuten, das bereits erste Erfolge zu verbuchen hatte. Gerade erst waren sie aus einem internationalen Wettbewerb siegreich hervorgegangen.

      »Ja, ins Büro!«, bekräftigte Lara ein weiteres Mal. »Das lenkt mich ab, ich kann doch jetzt nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen und grübeln, Lucie. Außerdem haben wir so viel Arbeit – die anderen haben doch ohnehin schon gestöhnt wegen meiner Hochzeitsreise, dabei sollte die nur eine Woche dauern, und das war ihnen schon zu lang. Jetzt gibt es keine Hochzeitsreise, da werden sie zufrieden sein.«

      »Werden sie nicht«, widersprach Lucie. »Sie werden dich bedauern, und unsere Kunden werden anrufen und wissen wollen, was da eigentlich passiert ist. Mit anderen Worten: Du wirst ständig an deine geplatzte Hochzeit erinnert werden. Es wird so sein wie gestern und heute hier in der Wohnung – allerdings mit dem Unterschied, dass du im Büro das Telefon nicht aushängen kannst.«

      »Ein paar Tage lang vielleicht, dann ist das auch vorbei«, murmelte Lara, während sie gedankenverloren aus dem Fenster sah. Es regnete, das Wetter hatte sich ihrer Stimmung angepasst.

      »Sag mir eins«, bat Lucie.

      Lara wandte sich ihr zu. »Wenn du mich jetzt fragst, ob ich denn an Lorenz keine Veränderung bemerkt hätte, so dass ich hätte ahnen können, was passieren würde, kratze ich dir die Augen aus, Lucie.«

      Lucie machte eine wegwerfende Handbewegung zum Zeichen dafür, dass ihr diese Frage niemals in den Sinn gekommen wäre. »Kennst du Michael von Angern?«

      »Wie bitte? Was soll das denn für eine Frage sein?«

      »Kennst du ihn?«

      »Den Namen – den kennt hier in der Stadt schließlich jedes Kind. Aber persönlich kenne ich ihn nicht. Wieso fragst du nach ihm?«

      »Er war gestern in der Kirche«, erklärte Lucie.

      »Du musst dich irren. Ich kenne ihn nicht, und Lorenz kennt ihn auch nicht.«

      »Vielleicht doch.«

      »Bestimmt nicht, denn dann hätte er den Namen sicherlich mal erwähnt, Lucie, das kannst du mir glauben. Michael von Angern ist schließlich nicht irgendwer.«

      »Ja, so kann man das sagen«, murmelte Lucie.

      Lara sah sie scharf an. »Was willst du mir eigentlich sagen?«

      »Nichts, ich denke nur laut«, erklärte Lucie. »Jedenfalls irre ich mich nicht, Lara, er war wirklich da.«

      »Und wenn schon, das heißt doch überhaupt nichts.«

      »Da wäre ich nicht so sicher. Wenn ein Mensch, dem man vermutlich nicht zu Unrecht nachsagt, dass er Verbindungen zur Unterwelt hat, auf deiner Hochzeit erscheint, dann kommt mir das zumindest bemerkenswert vor.«

      »Vielleicht kannte er einen der Gäste und hat sich nur zufällig an der Kirche mit ihm getroffen. Er soll seine Geschäfte doch praktisch überall abwickeln, warum also nicht auf meiner Hochzeit?«

      »Ja, kann sein«, gab Lucie zu, da sie bemerkte, dass diese Diskussion zu nichts führen würde. »Sag mal, du zweifelst nicht an Lorenz’ Liebe, oder?«

      »Nein, tue ich nicht. Er muss einen triftigen Grund für sein Verhalten gehabt haben, davon bin ich überzeugt.«

      »Beneidenswert«, murmelte Lucie.

      »Was?«

      »Dein Vertrauen zu ihm. Dein Glaube an ihn. Deine Liebe zu ihm. Ich glaube, wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich zu zweifeln anfangen.«

      »Würdest du nicht – jedenfalls nicht, wenn du den Richtigen gefunden hättest«, erklärte Lara ruhig. »Ich liebe Lorenz, Lucie. Und ja, ich habe etwas bemerkt vor dem gestrigen Tag.«

      Lucie riss die Augen auf. »Davon hast du mir bis jetzt ja noch gar nichts gesagt!«

      »Ich habe gedacht, er ist aufgeregt und hat vielleicht doch Zweifel bekommen, ob es richtig ist, jetzt schon zu heiraten. Das geht doch vielen so, jedenfalls hört man das immer wieder. Er war auch nicht richtig verändert, nur ein bisschen stiller und in sich gekehrter. Aber zu keinem Zeitpunkt dachte ich, dass er mich nicht liebt oder daran zweifelt, dass wir zusammengehören. Erst jetzt, nach dem, was gestern geschehen ist, sehe ich sein Verhalten natürlich in einem anderen Licht. Etwas muss geschehen sein …«

      »Aber was, Lara?«

      »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich nicht an seiner Liebe zweifele.«

      »Welchen?«

      »Bevor er aus der Kirche gestürzt ist, hat er gesagt: »Ich werde dich immer lieben, Lara.«

      »Und dann hat er sich umgedreht und ist weggelaufen?«

      Lara nickte. »Ich weiß nicht, was ihn dazu gebracht hat, mich zu verlassen, Lucie, aber ich werde es herausfinden, verlass dich drauf.«

      »Und wie willst du das anstellen?«

      »Das weiß ich noch nicht. Hilf mir, nachzudenken – zu zweit fällt einem vermutlich mehr ein als allein, meinst du nicht?«

      »Keine Ahnung«, murmelte Lucie. »Im Augenblick ist mein Kopf völlig leer, wenn du es genau wissen willst.«

      Ein plötzliches Lächeln erhellte Laras Gesicht. Sie beugte sich vor und griff nach der Hand ihrer Freundin. »Meiner auch, Lucie«, sagte sie mit warmer Stimme. »Aber du sollst wissen, wie froh ich bin, dass du bei mir geblieben bist gestern. Ganz allein wäre ich nicht gern gewesen an meinem Hochzeitstag, nur wollte ich das meinen Eltern gegenüber nicht zugeben.«

      Sie blieben noch eine Weile so sitzen, jede in ihre eigenen Gedanken vertieft. Lucie fragte sich, ob Lara mit ihrer Einschätzung Recht hatte – und Lara machte sich Sorgen um Lorenz: Wo hielt er sich jetzt auf, was tat er, weshalb war er geflohen?

      Sie hoffte sehr, in nächster Zeit Antworten auf diese Fragen zu finden.

      *

      »Uli!«, sagte Baron Friedrich von Kant erfreut, als er den Mann erkannte, der in diesem Augenblick den Pferdestall betrat, in dem er gerade einen neuen Hengst in Augenschein nahm.

      Kriminalrat Ulrich von Wandel umarmte seinen älteren Freund herzlich. »Wurde ja mal wieder Zeit für einen Besuch, Fritz, oder?«, fragte er.

      »Kann man so sagen, ja.« Der Baron wies auf den Hengst. »Was sagst du dazu?«

      »Ein wundervolles Tier«, erklärte der Kriminalrat. Ulrich von Wandel verstand etwas von Pferden, er war selbst auf einem Gestüt aufgewachsen. Seine Eltern hatten die Pferdezucht allerdings bereits vor geraumer Zeit aufgegeben. »Wenn ich mich hier so umsehe, wird mir immer ganz wehmütig ums Herz, muss ich sagen. So viele Erinnerungen steigen dann in mir auf. Ist ja schon lange her mit unserem Gestüt, aber für mich als Kind war es das Paradies.«

      »Du bist herzlich eingeladen, dich öfter hier blicken zu lassen, damit du in Erinnerungen schwelgen kannst. Bleibst du über Nacht?«

      »Nein, das wird leider nicht gehen, ich habe viel Arbeit und muss rechtzeitig nach Hause zurück, weil ich morgen sehr früh im Büro sein will. Aber wenn ihr mich zum Abendessen einladet, sage ich nicht nein.«

      »Ist hiermit geschehen«, erklärte der Baron. »Hast du Lust, dir noch weitere Pferde anzusehen? Es gibt noch einige, die ich dir gerne zeigen würde.«

      Ulrich von Wandelt lachte. Er war ein wenig kleiner als der Baron,