sich der Fremde mit einem hämischen Lachen über sie beugte.
*
Endlich war die Nacht vorbei. Fee fühlte sich wie zerschlagen, doch als die Vögel ihren Morgengesang anstimmten, wurde ihre Stimmung besser.
»Guten Morgen, Frau Dr. Norden. Haben Sie gut geschlafen?« wurde sie freundlich von Schwester Margret begrüßt, die eine neue Infusionsflasche brachte.
»Leider nein. Ich hatte schreckliche Träume und bin froh, daß der Tag endlich da ist«, gestand Fee müde.
»Manchmal gibt es solche Nächte, die es in sich haben. Vielleicht hat es tatsächlich etwas mit dem Mond zu tun. Heute nacht war Neumond, und ich habe auch nicht besonders gut geschlafen.«
»Eigentlich glaube ich nicht an solche Sachen, aber inzwischen bin ich mir, was den Mondeinfluß angeht, gar nicht mehr so sicher. Wenn ein Planet so großen Einfluß auf die Weltmeere hat, warum sollte er dann die Menschen und Pflanzen nicht auch beeinflussen können?« sagte Fee.
»Ich habe mich ein bißchen mit dem Mondkalender beschäftigt. Leider habe ich keine Zeit, mich in allem daran zu halten. Bei Friseurterminen muß ich mich an meinen Dienstplan halten und kann nicht auf den Mond Rücksicht nehmen. Sonst hätte ich inzwischen eine rechte Mähne auf dem Kopf«, lachte die Schwester vergnügt. »Aber ich bin beispielsweise eine begeisterte Gärtnerin, und in dieser Hinsicht erzielt man wirklich große Erfolge, wenn man sich an die günstigen Tage für Pflanzung und Düngung hält«, erzählte sie enthusiastisch weiter.
»Das ist ja interessant. Wir haben einen großen Garten, vielleicht sollte ich es auch einmal probieren.«
»Tun Sie das, Sie werden begeistert sein«, versicherte Margret, während sie die Infusionsflaschen austauschte. »Haben Sie einen besonderen Wunsch zum Frühstück?«
»Eine Tasse Kräutertee wäre schön. Sonst brauche ich nicht viel«, sagte Fee. So gut ging es ihr noch nicht, daß sie großen Appetit verspürt hatte.
Margret protestierte. »Sie müssen etwas essen, damit Sie wieder zu Kräften kommen. Vielleicht können Sie sich für Grießbrei begeistern.«
Fee schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, das klingt nicht sehr verlockend, aber er ist sehr nahrhaft und leicht verdaulich. Genau das, was Ihr Körper jetzt braucht«, beeilte sich die Schwester zu sagen.
Fee mochte ihr nicht widersprechen.
»Also gut, Sie haben mich überredet«, gab sie sich geschlagen. »Aber nur eine kleine Portion.«
Lachend verließ Margret das Zimmer, als es kurz darauf erneut klopfte.
Jenny Behnisch, die Leiterin der Behnisch-Klinik, die ihr verstorbener Mann Dieter aufgebaut hatte, betrat mit den Ärzten und Schwestern das Zimmer zur Visite.
»Guten Morgen, Fee. Wie ich sehe, geht es dir bereits ein bißchen besser«, begrüßte sie die Frau ihres Kollegen und Freundes Daniel Norden.
»Sagen wir mal, ich befinde mich wieder unter den Lebenden«, lächelte Fee.
»So ganz schnell läßt es sich nicht reparieren, was du in den letzten Tagen versäumt hast«, mahnte Jenny streng. »Du hättest viel eher in die Klinik gehört.«
»Ich weiß«, sagte Fee kleinlaut. »Es war mein Fehler. Daniel drängte mich die ganze Zeit, aber bis zuletzt habe ich mich zur Wehr gesetzt. Ich wollte meine Familie nicht allein lassen.«
»In deinem Zustand warst du deiner Familie sicher keine große Hilfe«, sagte Jenny anzüglich, doch sie lächelte gutmütig dabei. Dann erkundigte sie sich bei der Schwester nach Blutdruck und Fieber.
»Das sieht ja alles ganz gut aus. Ich komme nachher noch einmal, um dir Blut abzunehmen. Deine Blutwerte waren katastrophal. Hoffentlich hat sich das auch geändert.« Mit diesen Worten verabschiedete sie sich, und das Team verließ das Zimmer, um auch die anderen Patienten zu besuchen. Erschöpft schloß Fee die Augen. Sie mußte kurz eingeschlafen sein, denn als sie wieder erwachte, stand ein Tablett mit ihrem Frühstück auf dem Nachtkästchen, und Daniel saß an ihrem Bett. Sie hatte nicht bemerkt, wie er das Zimmer betreten hatte. Sie lächelte ihn an.
»Guten Morgen, mein Liebling«, lächelte auch er und nahm behutsam ihre Hand. »Hast du gut geschlafen?«
»Leider nicht. Aber ich hatte heute morgen schon eine angeregte Unterhaltung mit einer Schwester. Sie erklärte mir glaubhaft, das läge am Mond.«
»Es ist schön zu hören, daß es dir schon wieder so gutgeht, daß du angeregte Gespräche führen kannst«, sagte Daniel und versuchte erst gar nicht, seine Erleichterung darüber zu verbergen.
»Weinst du, mein Schatz?« Fee hob verwundert den Kopf.
»Es ist nur die Freude darüber, daß es dir bessergeht«, erklärte Daniel und strich sich über die Augen. »Du ahnst ja nicht, welche Sorgen ich mir gemacht habe.«
»Es ist ja alles gutgegangen. Und ich verspreche, daß ich mich bessern werde«, sagte sie gerührt.
»Vor allen Dingen mußt du dich gründlich auskurieren. Ich habe Jenny schon gesagt, daß sie dich so lange wie nötig hierbehalten soll. Nicht daß du meinst, daß du in einer Woche schon wieder zu Hause herumspringen kannst«, mahnte er streng.
»Ich tue alles, was Sie wollen, Herr Doktor«, scherzte Fee, doch er wußte, daß sie ihn verstanden hatte. »Wie geht es den Kindern? Wird Lenni die Arbeit nicht zuviel?« erkundigte sie sich dann besorgt.
»Wir haben alles gut im Griff. Dadurch, daß die beiden Kleinen vormittags im Kindergarten sind, hat sie etwas Ruhe. Und die drei Großen helfen am Nachmittag schon fleißig mit. Ich bin mehr als zufrieden mit ihnen«, erzählte Daniel.
»Wie schön, das zu hören«, freute sich auch Fee. »Ich vermisse sie schon sehr.«
»Ein paar Tage sollten wir noch warten, bevor sie dich besuchen kommen.«
»Vielleicht hast du recht. Ich bin noch sehr schwach.«
»Du solltest etwas essen«, sagte Daniel, dessen Blick auf das volle Tablett gefallen war.
»Aber ich habe doch gar keinen Hunger«, jammerte Fee, ließ sich dann doch zu ein paar Löffeln Grießbrei überreden. »Gar nicht so übel«, gab sie dann erleichtert zu. »Aber jetzt reicht es.«
»Möchtest du schlafen?« erkundigte sich Daniel, der ihren erschöpften Gesichtsausdruck bemerkte.
»Ich glaube schon.« Müde schloß sie die Augen. Daniel stand auf und drückte ihr einen sanften Kuß auf die Stirn. Doch als er schon bei der Tür war, rief Fee ihn noch einmal zurück. »Mir ist noch etwas eingefallen. Heute nacht habe ich über die kleine Yasmin Pecher nachgedacht. Weißt du etwas von ihr?«
»Diese Frau!« Daniel schüttelte den Kopf. »Da bist du selbst todkrank und denkst über andere nach. Nein, ich habe nichts Neues von ihr gehört. Sie sollte zumindest bis zur Entbindung und eine Woche danach bei Schorsch bleiben. Warum fragst du?«
»Ich weiß auch nicht. Ich hatte so ein komisches Gefühl. Aber vielleicht spielt mir auch nur meine Krankheit einen Streich«, seufzte sie. Kurz darauf war sie tief und fest eingeschlafen.
*
Schorsch Leitner war in heller Aufregung, als die Schwestern ihn am Morgen über das Verschwinden von Yasmin Pecher informierten. Er rief sofort bei der Polizei an und verständigte auch Elisabeth Weinzierl. Ihre Reaktion am Telefon war überaus heftig, und er wunderte sich kurz darüber. Doch er hatte weder Zeit noch Lust, sich über diese Person Gedanken zu machen. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten. In dieser verzweifelten Stimmung erhielt er die Nachricht, daß Sascha und Marlene Gordon um einen Termin bei ihm baten. Er brachte es nicht übers Herz, diese unglücklichen Menschen abzuweisen, so empfing er sie kurze Zeit später in seinem Büro.
»Bitte nehmen Sie doch Platz. Was kann ich für Sie tun?« erkundigte er sich freundlich und wunderte sich über die entspannten Mienen der beiden. Als er sie