Оскар Уайльд

Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe)


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Inhaltsverzeichnis

      In fünf Minuten fühlte er sich vollständig heimisch. Nie habt ihr einen so fidelen Gesellschafter gesehen. Was hatte er denn sein Leben lang getrieben, daß er bis jetzt nie erkannt, welch ein Talent zur Lustigkeit er hatte! Oder wie hatten die Elfen es angefangen, eine solche Verwandlung hervorzubringen?

      »John«, flüsterte Dot, »nicht wahr, du schickst mich heute abend doch nicht mehr nach Hause, wie?«

      Aber er war doch sehr nahe daran gewesen!

      Es fehlte nur noch ein lebendes Wesen, um die Gesellschaft vollzählig zu machen. Und in einem Augenblick war es da, sehr durstig vom schnellen Laufen und indem es sich anstrengte und hoffnungslose Anstrengungen machte, seinen Kopf in einen engen Wasserkrug zu zwängen. Er hatte den Wagen bis ans Ziel seiner Reise begleitet, höchst aufgebracht über die Abwesenheit seines Herrn und schrecklich rebellisch gegen die Expedition. Nachdem er dann einige Zeit um den Stall herumgestrichen und vergebens versucht hatte, das alte Pferd zu einer aufrührerischen Tat zu verführen, war er auf eigene Faust umgekehrt, war in das Schankzimmer gegangen und hatte sich vor das Feuer gelegt. Da er sich jedoch davon überzeugt hatte, daß der Stellvertreter ein Schwindler sei und nicht verdiene, daß man bei ihm bleibe, hatte er sich wieder auf die Beine gemacht und war spornstreichs nach Hause zurückgelaufen.

      Am Abend gab’s ein Tänzchen. Mit der allgemeinen Erwähnung dieser Lustbarkeit könnte ich die Sache auf sich beruhen lassen, hätte ich nicht einigen Grund anzunehmen, daß es ein ganz origineller und ungewöhnlicher Tanz war. Er wurde in ganz eigentümlicher Weise arrangiert, und zwar folgendermaßen:

      Eduard, der Matrose – ein echter, braver, flotter Bursch war er – hatte ihnen allerhand Wunderdinge von Papageien, Goldminen, Mexikanern, Goldstaub usw. erzählt, als es ihm plötzlich in den Kopf kam, aufzuspringen und einen Tanz vorzuschlagen: denn Berthas Harfe war zur Hand, und sie spielte sie, wie ihr’s selten zu hören bekommt.

      Dot – das heuchlerische kleine Ding, konnte sich manchmal so aufspielen! – Dot behauptete, ihre Tanztage wären vorüber. Aber ich glaube, das sagte sie darum, weil der Fuhrmann gerade seine Pfeife rauchte und sie lieber neben ihm sitzen wollte. Mrs. Fielding blieb nun natürlich nichts andres übrig, als ebenfalls zu behaupten, ihre Tanzzeit sei dahin; und das behaupteten alle; May ausgenommen; May war bereit.

      Und so traten Eduard und May unter allgemeinem Beifall vor, um allein zu tanzen, und Bertha spielte ihre fröhlichste Melodie.

      Aber ihr mögt mir’s glauben oder nicht – noch keine fünf Minuten haben sie getanzt, da wirft plötzlich der Fuhrmann seine Pfeife fort, faßt Dot um die Taille, stürzt mit ihr mitten ins Zimmer und wirbelt auf Hack’ und Spitze mit ihr herum, ganz wundervoll. Kaum sieht dies Tackleton, so gleitet er hinüber zu Mrs. Fielding, faßt sie um die Hüfte und tut ebenfalls mit. Kaum sieht dies der alte Dot, sofort ist er ganz Feuer und Flamme, schiebt mit Mrs. Dot mitten in die Tanzenden hinein und ist bald an der Spitze. Als Kaleb dies kaum gesehen hat, packt er Tilly Tolpatsch bei den Händen, und feste geht es darauf los. Fräulein Tolpatsch glaubt natürlich, daß das ganze Geheimnis der Tanzkunst darin liegt, daß man immer in die anderen Paare hineinfällt und möglichst mit ihnen zusammenstößt.

      Horcht! Wie das Heimchen mit seinem Zirp–zirp–zirp in die Musik einfällt und wie der Kessel summt!

      Aber was ist das! Eben da ich ihnen fröhlich lausche und mich nach Dot umwende, um noch einen Blick auf diese kleine, mir so liebgewordene Gestalt zu werfen, ist sie mit allen andern in Luft zerflossen, und ich bin allein. Ein Heimchen singt am Herde: ein zerbrochenes Kinderspielzeug liegt am Boden, und sonst bleibt mir nichts.

       Ende.

      Der Kampf des Lebens

      (Charles Dickens)

       Inhaltsverzeichnis

       Erster Teil

       Zweiter Teil

       Dritter Teil

      Erster Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Lang, lang ist’s her – wann und wo in England, mag uns gleichgültig sein – da ward eine hitzige Schlacht geschlagen. Sie wurde geschlagen an einem langen Sommertage, da das Gras grün wogte. Manche stolze Blume, geschaffen von des Allmächtigen Hand zu einem duftenden Pokal für den Tau, sah an diesem Tage ihren bunten Kelch von Blut überfließen und verging schaudernd. Manches Insekt, das in unschuldigen Flügeln und Kleidern von zarter Farbe leuchtete, ward an diesem Tag neu gefärbt von sterbenden Menschen und bezeichnete seine hastige Flucht mit einer widerlichen Spur. Der farbige Schmetterling trug auf dem Rand seiner Flügel Blut in die Luft. Der Bach floß rot vorbei. Aus dem zerstampften Erdboden wurde ein Sumpf, wo in trübem Schlamm, der voll Spuren von menschlichen Füßen und Pferdehufen war, die überall vorherrschende Farbe unheimlich in der Sonne glänzte.

      Möge uns der Himmel vor dem Anblick eines Schauspiels behüten, wie es der Mond auf dieser Kampfstätte sah, als er über den waldumsäumten schwarzen Hügelrücken am Horizont heraufstieg und über das flache Feld herniederschaute. Dies Feld war besät mit Gesichtern, die zum Himmel gewandt waren, mit Gesichtern, die einst an der Brust der Mutter sicher geschlummert hatten. Der Himmel behüte uns vor den Geheimnissen, die der mit Leichenduft beladene Wind über dem Schauplatz von dieses Tages Arbeit und dieser Nacht Tod und Leiden wob. Mancher einsame Mond glänzte über dieser Kampfstätte empor: mancher Stern hielt trauervoll darüber Wache, mancher Wind, aus allen Himmelsrichtungen, wehte darüber hin, bevor die Spuren dieses Kampfes vergingen.

      Sie bestanden noch lange Zeit, aber nur in geringfügigen Dingen; denn die Natur, hinausgehoben über die schlechten Leidenschaften des Menschen, gewann bald ihre Heiterkeit zurück und lächelte auf das sündige Schlachtfeld herab wie einst, als es noch sündlos war. Die Lerchen trillerten droben in den Lüften, die Schatten der fliehenden Wolken jagten sich spielend über Wiese und Wald und über Dächer und Kirchtürme der von Hainen umgebenen Stadt bis hin in die leuchtende Ferne, da Erde und Himmel ineinander übergehen und das Abendrot verdämmert. Saaten wurden gesät, keimten auf und wurden geerntet. Der Bach, der mit Purpur gefärbt gewesen, drehte ein Mühlrad: Männer pfiffen hinter dem Pfluge; Mäher und Garbenbinder arbeiteten in gelassenen Scharen; Schafe und Kühe grasten auf der Weide; Knaben lärmten auf den Feldern, um die Vögel zu verjagen; Rauch stieg aus den Feueressen empor; Sonntagsglocken ließen ihr Geläut ertönen; alte Leute lebten und starben; die scheuen Geschöpfe des Feldes und die einfachen Blumen des Waldes und des Gartens blühten und vergingen in der gewohnten Zeit auf jener blutigen Kampfstätte, wo tausend und abertausend Menschen in der großen Schlacht gefallen waren.

      Aber anfangs sah man noch dunklere Stellen in der jungen Saat, die die Leute mit scheuem Grauen betrachteten. Jahr für Jahr kamen sie wieder; und man wußte, daß an diesen fruchtbaren Stellen Menschen und Pferde in wechselvollem Durcheinander begraben lagen und den Boden düngten. Der Landmann, der dort pflügte, ekelte sich vor den großen Würmern, die hier in der Erde hausten; und die Garben, die man dort band, wurden viele, viele Jahre lang die Schlachtgarben genannt und besonders heimgebracht, aber niemals gelangte eine Schlachtgarbe zum Erntefest auf den letzten Wagen. Lange Zeit noch gelangte mit jeder Furche, die gepflügt wurde, eine Spur des Gefechts zum Vorschein. Lange noch gewahrte man verletzte Bäume auf der Kampfstätte und halbzerstörte Hecken und Mauern an den Stellen, wo mörderischer Nahkampf gedauert hatte, und festgestampfte Stellen, an denen kein Halm wachsen sollte. Lange noch scheute sich jedes Mädchen, sich Haar oder Brust mit der schönsten Blume dieses Totenfeldes zu schmücken; und viele Jahre glaubte man, die dort wachsenden Beeren hinterließen in