Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman


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durch das Schaufenster zur selbst um diese Uhrzeit noch üppig bestückten Kuchentheke. »Ich könnte mir vorstellen, dass ich deine Liebe mit einem, vielleicht zwei Stück Kuchen kaufen könnte.«

      »Das ist durchaus möglich«, ging Danny auf ihren kecken Tonfall ein, erleichtert darüber, wie sie mit ihrer Nebenbuhlerin umging. »Aber das liegt in erster Linie an deiner Person. Andere könnten mir eine eigene Klinik anbieten, und ich würde noch nicht mal einen Gedanken daran verschwenden, mich kaufen zu lassen.«

      Auch wenn die Sorge wie ein kleines Flämmchen in Tatjanas Herzen loderte, lachte sie und schmiegte sich an ihren Freund. Diesmal wich sie seinem Kuss nicht aus, sondern erwiderte ihn mit all der Leidenschaft, die sie für ihn fühlte.

      *

      Blass und sichtlich mitgenommen von der Operation lag Sebastian Keinath in seinem Bett und starrte aus dem Fenster.

      Neben ihrem Lebensgefährten Roman Kürschner und ihrer Klinik galt Jenny Behnischs Leidenschaft dem Garten der Klinik, den Landschaftsgärtner mit viel Liebe und Enthusiasmus nach ihren Ideen gestaltet hatten.

      Dekorative Gräser betonten den Charme der in allen Farben üppig blühenden Rosen. Staudenbeete wechselten sich mit Steingärten und einer Teichlandschaft ab, die in der Stadt ihresgleichen suchte. All das und noch viel mehr konnte Sebastian durch das Klinikfenster im ersten Stock sehen. Trotzdem stimmte ihn dieser heitere Anblick nicht froh. Als es an die Tür klopfte, fuhr sein Kopf herum in der irrigen Hoffnung, seine Frau könnte gekommen sein. Doch es war nur Schwester Iris, die nach ihm sah. Aber selbst für diesen Besuch war Sebastian im Augenblick dankbar.

      »Iris, schön, dich zu sehen«, begrüßte er die Kollegin, die bereits seit ein paar Jahren ihren Dienst in der Behnisch-Klinik tat und mit der er sich immer gut verstanden hatte.

      »Du machst Sachen, Basti.« Kopfschüttelnd trat sie an sein Bett und überprüfte den Inhalt der Glasflasche, die in einem Gestell über seinem Kopf schwebte. »Ich hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht.« Sie pflegten ein freundschaftliches Verhältnis und flirteten hin und wieder scherzhaft miteinander, sich wohlbewusst, dass sie kein ernsthaftes Interesse aneinander hatten.

      »Wirklich?« Sebastian lächelte. »Dann hat sich diese Aktion auf jeden Fall gelohnt.«

      »Willst du damit sagen, dass du dir den Bandscheibenvorfall nur für mich geholt hast?« Lachend schüttelte Iris den Kopf.

      »Stell dir vor, ich habe mir immer gewünscht, mal von dir gepflegt zu werden. Die Patienten schwärmen immer von deiner Herzenswärme, von deiner überwältigenden Fürsorge. Die wollte ich unbedingt am eigenen Leib zu spüren bekommen.«

      »Na, dieses Ziel hast du ja jetzt erreicht«, erwiderte Iris und strich ihm tröstend über die Wange. »Kann ich sonst noch was für dich tun?«

      »Wie wär’s morgen mit einem Sektfrühstück?«, spielte Sebastian das Spiel weiter.

      Iris lachte.

      »Ich denke darüber nach«, versprach sie und verabschiedete sich fürs Erste von ihrem Kollegen.

      Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, als die Einsamkeit wieder wie ein gieriges Raubtier über Sebastian herfiel. Er war so versunken in seinen Schmerz, dass er nicht bemerkte, wie sich die Tür erneut öffnete. Erst als er Schritte hörte, wandte er den Kopf.

      »Melina?« Sebastian traute seinen Augen nicht. War es möglich, dass ihm sein Bewusstsein einen Streich spielte? »Du? Hier?«

      »Ich habe heute Morgen den ersten Flug genommen, den ich bekommen konnte.« Melinas Stimme war warm, ihre Augen voller Sorge auf ihren Mann gerichtet. »Wie geht es dir?« Ohne lange darüber nachzudenken, was sie tat, streckte sie die Hand aus und streichelte über seine unrasierte Wange.

      »Solange du mich nicht bittest, einen Wasserkasten in die Wohnung zu tragen oder das Altpapier zum Container zu bringen ganz gut«, scherzte er. »Tragen darf ich in nächster Zeit nämlich nichts.«

      Melina starrte ihren Mann erschrocken an.

      »Oh, Bastian. Denkst du in Verbindung mit mir wirklich nur noch an Arbeitsaufträge?«

      »Na ja …« Er war schon wieder drauf und dran, seine Probleme herunterzuspielen. Doch dann räusperte er sich und hielt ihrem forschenden Blick stand. »In letzter Zeit gab es sonst nicht mehr viel zwischen uns.«

      Zutiefst betroffen über sein elendes Aussehen beugte sich Melina über ihren Mann und küsste ihn.

      »Ab sofort wird wieder alles anders zwischen uns, das verspreche ich dir. Aber jetzt musst du erst mal wieder gesund werden«, murmelte sie dicht an seinem Ohr und liebkoste seine raue Wange mit den Lippen. »Es tut mir alles so leid. So unendlich leid.«

      Vor Staunen wusste Sebastian gar nicht, was er sagen sollte. Mit allem hatte er gerechnet, nur damit nicht.

      »Schon gut, mein Engel.« Er zog den Arm unter der Bettdecke hervor und streichelte versonnen ihr weiches Haar. Fast hatte er vergessen, wie gut es sich anfühlte.

      »Hast du Schmerzen?«

      »Nicht der Rede wert.«

      »Und wie steht es mit irreversiblen Schäden?«, erinnerte sich Melina an die unterschwelligen Botschaften, die Dr. Norden ihr geschickt hatte.

      »Ich hatte Glück, dass Dr. Norden zufällig zur Stelle war. Er hat sofort die richtige Diagnose gestellt. Professor Hartung hat dann den Rest erledigt. Nur eine halbe Stunde später und die neurologischen Schäden wären nicht mehr zu beheben gewesen.«

      »Oh Gott!«, entfuhr es Melina. Im Nachhinein schämte sie sich bitter, den Bandscheibenvorfall auf die leichte Schulter genommen zu haben. »Das wusste ich nicht.«

      »Ich glücklicherweise auch nicht«, tröstete sie Sebastian. »Normalerweise gehen solche Geschichten glimpflicher ab.«

      Melina wusste, dass er das nur sagte, damit sie sich keine Vorwürfe machte.

      »Erst nachdem ich ein zweites Mal mit Dr. Norden telefoniert habe, wurde mir klar, wie gefährlich die Lage für dich ist. Während des Flugs hab ich mir solche Sorgen um dich gemacht, mein Schatz.«

      Sebastian las in ihren Augen, dass das die reine Wahrheit war.

      »Es tut so gut, das aus deinem Munde zu hören«, gestand er leise. »In meiner Verzweiflung habe ich vorhin schon mit meiner Kollegin Iris geflirtet.«

      »Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, dass du so was nötig hast.« Schuldbewusst senkte Melina den Kopf. »Ich wäre so gerne bei dir gewesen. Aber Hubert hat mich nicht gehen lassen.«

      »Du musst deinen Vertrag erfüllen. Das verstehe ich doch«, sagte er weich und griff nach ihrer Hand. »Ich verstehe das wirklich.«

      Zu seiner großen Überraschung schüttelte Melina den Kopf.

      »Das musst du aber nicht verstehen. Ich verstehe es ja selbst nicht mehr. Irgendwie bin ich in diese Spirale gerutscht und nicht mehr rausgekommen. Darüber habe ich fast mich selbst und all das verraten, woran ich glaube.«

      Sebastians Herz war schwer und gleichzeitig voller Hoffnung.

      »Und woran glaubst du?«, fragte er heiser.

      »In erster Linie glaube ich an die Liebe. Das ist neben der Gesundheit das höchste Gut. Nur durch die Liebe bekommen wir die Kraft, die wir brauchen, um das Leben da draußen meistern zu können.«

      »Ich glaube, ich bin zum ersten Mal seit Langem wieder einer Meinung mit dir«, stellte Sebastian erleichtert und versöhnlich fest.

      Melina saß am Bett ihres Mannes, seine Hände in den ihren. Von draußen drang fröhliches Vogel­zwitschern herein. Irgendwo lachten ein paar Leute. Trotzdem war ihr Herz schwer, hatte sie Angst vor den nächsten Worten.

      »Heißt das, du gibst uns noch eine Chance?«, fragte sie mit bangem Herzen und zitternder Stimme.

      Aus einem ersten Impuls heraus wollte Sebastian ihr die Sorgen sofort nehmen. Doch