war zwischen ihnen. Tammy hatte den Kopf gesenkt. Dann, als seine Hand sich auf ihren Arm legte, blickte sie zögernd auf, mitten hinein in seine Augen, in denen eine unendliche Sehnsucht stand. Sie konnte sich nicht aus diesem Blick lösen, der sie bis ins Innerste erzittern ließ.
Sie wollte sich wehren, als seine Hände sich um ihren Nacken schlossen, aber sie konnte es nicht. Und sobald seine Lippen sich auf ihren Mund legten, verschwamm alles vor ihren Augen. Er küßte sie mit einer verzehrenden Leidenschaft, die das Blut rascher durch ihre Adern jagte.
»Verzeih, Tammy«, bat er nach langen Sekunden, in denen sie auf Wolken zu schweben glaubte, »ich hätte dich nicht so überfallen dürfen. Aber ich hatte so entsetzliche Angst, dich zu verlieren. Du darfst mich nicht verlassen. Du bist doch alles, was ich ersehne.«
Sie konnte an nichts anderes mehr denken, als daß er sie im Arm hielt und sie küßte, und daß damit alles gut geworden war.
*
»Du bist gar nicht böse mit Dad«, schmollte Danny, nachdem Fabian anderntags zur Baustelle gegangen war, um sich über die Vorbereitungsarbeiten zu informieren. »Du solltest ihm ruhig zeigen, daß du mit seinem Benehmen nicht einverstanden bist.«
Bei einem anderen Kind hätte eine solche Ausdrucksweise altklug gewirkt, aber bei Daniel merkte man ständig, daß er unter Erwachsenen gelebt hatte und sich deren Ton anpaßte. Er sah dabei so unschuldig und herzig aus, ein anderes Wort konnte Tammy dafür nicht finden, daß sie ihn spontan an sich drückte.
»Wir sollten den Zwischenfall nicht dramatisieren, Danny«, empfahl sie. »Du hast doch sicher gemerkt, daß es ihm auch sehr peinlich war.«
»Sie kommt und geht, wann sie will«, murrte der Junge. »Das ist doch nicht richtig. Wenn Dad es ihr einmal richtig sagt, daß er nichts von ihr wissen will, kann sie ihm doch nicht dauernd nachlaufen.«
Tammy mußte lächeln. »Wenn es dich beruhigt, Danny, er heiratet sie bestimmt nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Er hat es mir gesagt.«
Danny riß die Augen auf und blickte Tammy lange schweigend an. »Wann hat er es gesagt?« fragte er dann atemlos.
»Gestern abend. Ich habe noch mit ihm gesprochen.«
Er legte den Finger an die Nase und betrachtete sie sinnend. »Wolltest du etwa weggehen?« fragte er stockend.
Gestern abend hätte sie es am liebsten getan, aber nun hatte sich alles verändert. Es war verfrüht, mit Danny darüber zu sprechen, denn über die Zukunft hatten sie noch nicht miteinander geredet. Aber Tammy wußte jetzt, daß Fabian sie brauchte, und das war für sie allein wichtig.
»Ich möchte gern baden«, lenkte Danny plötzlich ab. Das Gespräch war ihm wohl doch zu problematisch geworden.
Baden konnte man sozusagen vom Haus aus. Ein Grasstreifen trennte sie vom Wasser, das seicht und warm war. Die Glut eines warmen Sommers war noch in ihm gefangen, und über dem fröhlichen Spiel vergaß Danny bald seine Sorgen.
Als sie aber aus dem Wasser kamen, stand plötzlich wieder Gina vor ihnen und musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. Sie machte sich nicht die Mühe, höflich zu sein.
»Wissen Sie eigentlich, daß dieses Haus meinem Vater gehört?« fragte sie herablassend.
»Ich dachte es mir«, erwiderte Tammy ruhig. »Verzeihung, Miß Scholten, ich spreche wenig Deutsch«, fügte sie dann steif hinzu.
Sie gab sich Mühe, Ruhe zu bewahren, aber es fiel ihr nicht leicht. Ihrem Stolz paßte diese herablassende Art nicht.
»Als was sind Sie eigentlich hier?« fragte Gina böse. »Als Daniels Kindermädchen oder Fabians Geliebte?«
Tammy spürte einen wilden Zorn in sich. Sie war nur froh, daß Danny diese Worte noch nicht richtig verstehen konnte. Sie merkte, wie er wütend wurde. An dem Tonfall spürte er wohl, daß Gina sie beleidigen wollte.
»Können Sie sich vor dem Kind nicht wenigstens etwas beherrschen?« fragte sie eisig. »Ich dachte, Sie sind eine wohlerzogene junge Dame.«
»Wenn Sie mit mir sprechen wollen, müssen Sie sich schon bemühen, in meiner Sprache mit mir zu reden«, erklärte Gina hochmütig. »Ich möchte, daß Sie schnellstens von hier verschwinden. Meines Vaters Angebot galt für Fabians Familie, aber nicht für Sie.«
»Bist du da ganz sicher, Gina?« erklang Fabians Stimme hinter ihnen. »Ich habe vorhin mit deinem Vater telefoniert. Er hat nichts dagegen einzuwenden, daß Miß Roloff meinen Sohn betreut.«
Gina lachte höhnisch. »Deinen Sohn betreut, welch raffinierte Formulierung. Mein Vater hält sie wahrscheinlich für eine seriöse Person. Du wirst ihm wohl kaum gesagt haben, daß es sich um ein Filmsternchen handelt, das sonst wahrscheinlich keinen Fuß auf die Erde bringt und sich nur in ein warmes Nest setzen will.«
»Mach dich nicht lächerlich«, antwortete er eisig. »Dein Vater wünscht, daß du heimkommst. Ich soll es dir ausrichten. Ich möchte meine Arbeit hier ungestört und möglichst rasch zu Ende führen. Ich bin gewohnt, meine verträglichen Abmachungen einzuhalten. Aber davon abgesehen kann ich nicht dulden, daß du Miß Roloff beleidigst.«
»Ist das alles, was du mir zu sagen hast, Fabian?«
»Ja, es ist alles.« Er wich ihrem Blick nicht aus.
Tammy nahm den Jungen bei der Hand und ging mit ihm ins Haus.
»Ich durchschaue dich, Fabian«, zischte Gina. »Sie hat dir mit ihren Nixenaugen wohl den Kopf verdreht.«
»Ich dachte immer, soweit müßte es nicht kommen«, erwiderte er gelassen. »Es ist doch seltsam, Gina. Ich habe dich für eine recht kluge Frau gehalten. Was willst du dir eigentlich beweisen? Daß du unwiderstehlich bist? Wenn ich jemals wieder heiraten sollte, werde ich dabei in erster Linie an meinen Sohn denken. Er braucht mütterliche Liebe.«
Diese Worte vernahm Tammy, und sie faßte sie so auf, wie sie sie hörte, falsch. Wenn das seine Ansicht war, hatte er wohl gestern abend gar nicht einer impulsiven Gefühlsregung nachgegeben, sondern dabei an Danny gedacht. Hastig wich sie vom Fenster zurück und drehte die Dusche an, damit sie nichts mehr von dem Gespräch hören konnte.
*
Tammy vermied von nun an jedes Alleinsein mit Fabian. Sie wich ihm aus, wo sie nur konnte, und immer tauchte Danny auch zur rechten Zeit auf, wenn Fabian das Wort an sie richten wollte. Durch Ginas erneutes Auftreten war Danny wieder bockig geworden und ging seinem Vater ebenfalls aus dem Weg. Aber er quälte Tammy auch nicht mehr mit Fragen.
Von Stella kam erst am fünften Tag Post, obgleich sie sofort geschrieben hatte. Aber der Brief war lange unterwegs gewesen. Sie teilte Tammy mit, daß Mr. van Straaten angerufen hätte, und als Fabian dies las, verlor auch er seine gute Stimmung.
Schweigend legte er den Brief auf den Tisch zurück und ging nach draußen.
»Was hat er denn nun schon wieder?« erkundigte sich Danny. »Hat Stella was geschrieben, was ihm nicht paßt? Du kannst ihr ruhig auch schreiben, daß uns hier manches nicht gefällt.«
Als Tammy ihm nichts darauf erwiderte, verschwand er. Fabian saß mit der Angel auf der Ufermauer. Er blickte auf, als der schmale Schatten des Jungen auf das Wasser fiel.
Danny setzte sich neben ihn und betrachtete ihn unentwegt. »Darf ich reden, Dad, oder vertreibe ich die Fische?« fragte er.
»Natürlich darfst du reden. Die Fische stört das nicht.«
»Sie wissen jetzt schon Bescheid«, meinte Danny aufatmend. »Ich mag tote Fische auch gar nicht so sehr.«
»Du ißt sie aber doch gern.«
»Aber nur, wenn ich sie nicht kenne«, gab der Junge zurück. »Ich muß immer daran denken, daß sie vielleicht auch Kinder haben, die auf sie warten. Was sind Probleme, Dad?«
»Das zum Beispiel ist ein Problem. Ich habe noch