Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman


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hinter ihr durch die Tür. Christiane läuft ihnen direkt in den Weg. Sie sieht erhitzt aus, das Haar hängt ihr, wie immer, verwuschelt in die Stirn. Sie lacht fröhlich und zeigt dabei eine Reihe blitzender Zähne.

      »Da seid ihr doch«, begrüßt sie Mutter und Bruder.

      Stefanie sagt trocken: »Ja, da bist du endlich.« Und dann zieht sie ihre Tochter abseits und flüstert ihr streng zu: »Sag mal, wo treibst du dich die ganze Zeit herum?«

      »Herumtreiben?« Christianes Augen werden kugelrund. »Was für ein häßlicher Ausdruck, Mama. Wir haben gesegelt. Es war eine Wucht.«

      »Eine Wucht solltst du mal haben«, zischt Stefanie, über den wurschtigen, schnoddrigen Ton empört. »Dich an- und abzumelden hältst du wohl nicht mehr für nötig?«

      »Was ist denn in euch gefahren?« fragt sie bestürzt. »Du machst auch so ein sauertöpfiges Gesicht«, wendet sie sich an den Bruder. »Aha«, macht sie dann und blinzelt ihm zu. »Verstehe, große Standpauke, Geldkasse ist leer.«

      Stefanie Hermann muß sich wirklich beherrschen, ihr nicht eine runterzuhauen. So nimmt sie sie hart beim Arm und schiebt sie in die Nähstube. »Hier, mach dich nützlich«, befiehlt sie schroff. »Und verlaß mir heute nicht früher den Salon, bis Schluß ist.«

      »Ach, du lieber Gott«, murmelt Christiane, schiebt die Unterlippe vor und wagt noch einen kurzen Blick zurückzuwerfen. »Ich – ich –«

      »– ich werde jezt an meine Arbeit gehen und mich nicht wieder aus dem Zimmer rühren. Nicht wahr, das wolltest du doch sagen«, fällt Stefanie ihr kurz und bündig ins Wort.

      »Jawohl, Herr Feldwebel«, hört Stefanie an ihr Ohr schlagen, und die Tür ist gleichzeitig zu. Sekundenlang sieht es aus, als wolle sie ihrer vorlauten Tochter folgen, doch dann dreht sie sich brüsk um. Sie preßt die Lippen zusammen. Um alles in der Welt hätte sie jetzt nicht zugegeben, daß sie nicht gerade viel Ehre mit der Erziehung Christianes einlegen kann.

      *

      Zwei Tage hält Christiane es in der Nähstube aus und läßt sich von Madame Cläre herumkommandieren, dann wirft sie ihr die Arbeit vor die Füße. Sie sieht, wie die anderen Mädchen die Augen auf sie richten. »Schlagen Sie gefälligst einen anderen Ton an, Madame Cläre«, schreit sie mit vor Zorn rauher Stimme, eine ganz besondere Betonung auf das »Madame« legend. »Sie haben kein Lehrmädchen vor sich, verstanden? Ich werde mich bei Mama über Sie beschweren.«

      Die Mädchen versuchen sich hinter ihrer Näharbeit unsichtbar zu machen. Sie gönnen der Direktrice den Anpfiff.

      »Aber, Fräulein Christiane –«

      Christiane macht eine großartige Handbewegung und schreit noch lauter. »Für Sie bin ich Fräulein Hermann. Lassen Sie sich das zum letzten Mal gesagt sein. Sie sind hier nichts als eine Angestellte, aber kein General, der uns nach Lust und Laune Befehle erteilt. So –« Christiane holt tief Luft. »Und nun machen Sie Ihren Kram selbst. Mich kriegen Sie hier nicht mehr zu sehen.« Sie sieht über die das Lachen verbeißenden Mädchen hin. »Auch Ihnen möchte ich empfehlen, mal aufzumucken. Madame hat es hin und wieder nötig.«

      Ehe die Direktrice noch ein Wort erwidern kann, ihr ist sowieso bald die Luft weggeblieben, ist Christiane, nach einer übertrieben tiefen Verbeugung verschwunden.

      »Uff«, macht sie draußen, lehnt sich sekundenlang gegen die Türfüllung und hat das Gefühl, um einige Pfund leichter geworden zu sein.

      Etwas unbehaglich ist ihr aber doch, denkt sie an Mama. Nur um sie zu ärgern, hat sie sie zu Madame in die Nähstube gesteckt. Nein! Damit soll es endgültig vorbei sein. Sie durcheilt den Vorraum, findet Stefanie aber erst im Empfangsraum.

      Stefanie sieht ihr entgegen und merkt sofort, daß Christiane sehr erregt ist.

      »Das sage ich dir, Mama«, sprudelt sie auch sofort los. »Unter deiner Madame arbeite ich nicht mehr, keinen Nadelstich. Was bildet sich diese Person eigentlich ein? Kanzelt mich da vor den Mädchen wie ein dummes Ding ab. Habe ich das nötig? Ich habe mich übrigens mit meinen Freunden zum Tennis verabredet und gehe jetzt.«

      »Einen Augenblick«, hält Stefanie ihre Tochter zurück. »Ich nehme an, du hast dich wieder einmal von deinem Impuls leiten lassen. Du untergräbst Madame Cläres Respekt, wenn du ihr ungezogen kommst.«

      Christiane steigt die Zornesröte in die Wangen. »Bin ich deine Tochter – oder nicht? Ist Madame Cläre deine Angestellte – oder nicht?«

      »Natürlich stimmt das, aber was ist das für ein Ton?« lehnt Stefanie sich auf.

      »Verzeih, Mama.« Christiane zwingt sich zur Ruhe. »Ich kann dieses ewige ›Madame Cläre hier‹ und ›Madame Cläre da‹ nicht mehr hören. Dieses verrückte Weibsbild tut den ganzen Tag nichts weiter, als die Leute schikanieren. Ist das erlaubt?«

      Stefanie legt das Modejournal aus der Hand und geht auf die Tochter zu. Beruhigend streicht sie ihr über das Haar. »Beruhige dich wieder, Kind. Madame Cläre ist durchaus kein ›verrücktes Weibsbild‹. Sie nimmt ihre Arbeit sehr ernst, und wenn sie dich gerügt hat, wird sie wohl Grund dazu gehabt haben.«

      »Daß ich nicht lache, Mama. Die Madame Cläre ist die größte Schauspielerin, die mir je vorgekommen ist. Und was die den ganzen Tag über tut, ist zu vergessen.«

      »Christiane«, verweist Stefanie ihre Tochter entrüstet.

      »Ist doch wahr«, schmollt Christiane. »Ich kann nun einmal diese Frau nicht ausstehen, und ich weigere mich, noch weiter unter ihrer Fuchtel zu arbeiten. Überhaupt, wozu soll ich das lernen? Ich werde später einmal Leute haben, die das für mich tun.«

      »Das schließt nicht aus, daß man es selbst können muß«, erwidert Stefanie gelassen. »Du wirst auch nicht zum Tennis fahren, sondern zurück an deine Arbeit gehen.«

      »Mama!« Entsetzt starrt das junge Mädchen die Mutter an. »Das – das darfst du mir einfach nicht antun. Die Mädchen waren alle auf meiner Seite. So etwas spürt man doch, und nun soll ich zu Kreuze kriechen? Niemals!«

      »Das ist ja Gehorsamsverweigerung«, fährt Stefanie hoch.

      Christiane hält sich die Ohren zu. »Du meine Güte, jetzt fängst du auch noch damit an. Sind wir denn hier beim Militär? Die überkandidelte Person kommandiert uns schon wie ein Feldwebel – und nun du auch noch?«

      »Christiane, ich muß schon sagen –«

      Weiter kommt sie nicht. Schluchzend fällt Christiane ihr um den Hals. »Schick mich bloß nicht wieder zurück, Mama – ich laufe dir sonst davon. Jawohl, einfach davon«, wiederholt sie unter Schluchzen, aber mit Nachdruck, und Stefanie erschrickt.

      »Es ist ja gut, Christiane. Ich werde mit Madame Cläre sprechen«, tröstet sie ihre bitterlich weinende Tochter. Sie ist aber weit entfernt, sie ernst zu nehmen. Im Augenblick geht es ihr nur darum, sie zur Ruhe zu bringen. »Also, ich erlaube dir, zum Tennis zu fahren. Aber zum Abendessen bist du mir zu Hause. Christian hat Gäste eingeladen.«

      »Vielen Dank, Mama«, stößt Christiane überschwenglich hervor und umarmt die Mutter herzlich. »Du bist doch die Beste.«

      Ganz erschöpft läßt Stefanie sich wieder hinter ihrem Modejournal nieder.

      Aber die Zeichnungen schwimmen vor ihren Augen. Ganz außer Rand und Band gerät Christiane. Was sie nur gegen Madame Cläre hat? Sie hat eine unüberwindliche Abneigung gegen diese Frau. Dagegen ist nichts zu machen.

      Wohin soll sie aber das Mädchen stecken? Auf welchem Gebiet liegen Christianes Fähigkeiten? Sie können doch nicht alle die Honneurs machen.

      Ach, es ist gar nicht so einfach, ein Geschäft zu führen und jeden an den richtigen Platz zu stellen. Jedenfalls hat sie es sich viel einfacher vorgestellt.

      Christiane trifft kurz vor dem Ausgang mit ihrem Bruder zusammen. »Ich denke, du bist bei Madame ­Cläre?« fragt er sie erstaunt.

      Mit hocherhobenem Kopf geht sie an ihm vorbei aus der Tür