Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman


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der Tante.

      »Also, was hat es bei dir gegeben, Tante Beate?« begann er, das blasse, zuckende Gesicht der Tante aufmerksam betrachtend. »Ich bin nicht recht klug aus deinen Reden geworden.«

      »Ich glaube, ich habe eine rechte Dummheit gemacht, Nikolaus«, sagte Beate unglücklich. »Detlef Sprenger war bei mir, das heißt, er kam nicht von sich aus, auf dem Friedhof traf ich ihn und nahm ihn mit. Ich wollte nur etwas Günstiges über Josts Frau hören, und gerade das Gegenteil habe ich erreicht.« Sie ergriff Nikolaus’ Hand.

      »Nikolaus, etwas Menschenkenntnis besitze ich doch auch.« Ihre Stimme hatte einen beschwörenden Klang, die ihre Wirkung auf Nikolaus nicht verfehlte. »Es ist eine Gemeinheit, die Frau eines toten Freundes zu verleumden. Ach, wo bleibt denn da überhaupt die Freundschaft!«

      Nikolaus nickte überzeugt.

      »Der Meinung bin ich auch, Tante, und nun werden wir uns selbst die Gewißheit holen. Petra Eckhardt ist endlich aus ihrer Besinnungslosigkeit erwacht, wir dürfen sie besuchen. Sie jammert nach ihrem Kind. Wir müssen Leonore mitnehmen. Willst du dich und das Kind fertigmachen?«

      Ratlosigkeit stand auf Beate Eckhardts Zügen.

      »Du willst Leonore wirklich mitnehmen?«

      »Gewiß, Tante.« Nikolaus lachte leise auf. »Hast du nicht eben selbst gesagt, daß die Verdächtigungen Detlef Sprengers gemein sind? Warum dann immer noch Bedenken?« Er zog seine Uhr. »In einer halben Stunde könnt ihr angezogen sein, in anderthalb Stunden sind wir bei Petra Eckhardt.«

      Ein Seufzer der Erleichterung entfloh ihren Lippen.

      »Ich werde mich beeilen, Nikolaus, warte hier!«

      Nikolaus lächelte ihr aufmunternd zu und stellte sich wartend ans Fenster.

      Eine halbe Stunde Zeit hatte er der Tante zugebilligt, aber bereits nach einer Viertelstunde wurde die Tür geöffnet, und Leonores zierliche Gestalt kam förmlich auf Nikolaus zugeflogen. Es war, als ob die kleinen Füße den Boden kaum berührten.

      »Papi… Papi!«

      Nikolaus beugte sich bewegt zu dem Kind hinab.

      »Lorchen, mein Liebling!« sagte er weich und zärtlich. »Wollen wir zur Mami fahren?«

      Ein Jubellaut brach von den Lippen des Kindes. Ganz fest preßten sich die Kinderarme um seinen Hals.

      »Zur Mami! Wir fahren zur Mutti!« rief Lorchen ganz begeistert, und das liebliche Gesichtchen war wie in Sonnenschein getaucht. Die großen Grauaugen suchten die nebenstehende Beate. »Aber die Tante muß mit!«

      Nikolaus bejahte. Er begegnete den fragenden Augen Tante Beates. Heimlich gab er ihr einen Wink. Noch hielt er es nicht für angebracht, Leonore über ihren Irrtum aufzuklären. Sollte ihn das Kind ruhig für den Vater halten. Es würde noch früh genug von dem schmerzlichen Verlust erfahren.

      An Tante Beates Hand trippelte Leonore zum Wagen. Ihr Mund stand keine Minute still, und Tante Beate beantwortete geduldig jede Frage der Kleinen.

      Nikolaus saß am Steuer und lauschte mit einem stillen Lächeln dem Geplapper Leonores.

      Unweit des Friedrichstädter Krankenhauses war jedoch das Gespräch im Wagen verstummt.

      Das Kind hatte sich fest in Beates Arm gekuschelt und sah mit großen Augen neugierig durch die Scheibe auf die vorbeihuschenden Bäume. »Nun sind wir wohl bald bei der Mami?« Lächelnd neigte sich Beate Eckhardt zu dem Kind hinab. »Ja… bald, Lorchen!«

      *

      Um Petra Eckhardt war tiefe Stille, die meist nach einer großen seelischen Erschütterung eintritt.

      Sie wußte nun alles: daß Nikolaus Eckhardt mit dem Notar der Familie dagewesen war; daß man sie hatte sprechen wollen.

      Und daß Dr. Hartmut das Kind in das Haus der Großmutter gebracht hatte, damit es in gute Hände käme.

      Sie konnte sich keine rechte Vorstellung mehr von Leontine machen. Einmal war sie dieser Frau vorgestellt worden, aber da war so viel Kälte auf sie zugeströmt, daß sie sich ängstlich an Josts Arm geklammert hatte.

      Dieser Eindruck hatte sich bis zum heutigen Tag nicht verwischt, er war noch verstärkt worden durch die schroffe Ablehnung Leontines, die dann auch zum völligen Bruch mit der Familie geführt hatte.

      Und nun war Nikolaus Eckhardt dagewesen? Josts jüngerer Bruder?

      Sie kannte ihn überhaupt noch nicht, denn damals war er auf Reise gewesen. Aber von diesem Bruder hatte Jost nur gut gesprochen.

      Was wollte er von ihr?

      Sie schloß die Augen und versuchte, ruhig, ganz ruhig zu werden, denn jeder Nerv an ihr bebte.

      Sie bemerkte nicht, daß die Tür sich öffnete und der Arzt eintrat.

      »Frau Eckhardt!«

      Sie fuhr zusammen und hob die Lider. Angst lag in ihrem Blick.

      »Besuch ist da!«

      »Besuch?«

      Leonore! durchschoß es Petra, und ein übermächtiges Glücksgefühl durchströmte sie. Brachte man ihr endlich das Kind, nach dem sie sich mit jeder Faser ihres Herzens sehnte?

      »Ein Herr Sprenger will Ihnen seine Aufwartung machen.«

      Im Nu verwandelte sich der glückliche Ausdruck ihres Gesichtes. Als stünde der Mann, den sie verabscheute, bereits vor ihr, rückte sie weit, weit ab von dem Arzt.

      »Nein! Nein! Ich will den Mann nicht sehen. Schicken Sie ihn fort, Herr Doktor, ich bitte Sie!« stieß sie, außer sich, hervor. Ihre Hände flogen, und in den Augen flackerte es.

      Bestürzt über diese Wirkung, stand der Arzt ratlos vor seiner Patientin.

      »Ich mag ihn nicht sehen, ich kann ihn nicht empfangen! Schicken Sie ihn fort!«

      Kopfschüttelnd entfernte sich der Arzt wieder. Auf dem Flur ging indessen Detlef Sprenger unruhig auf und ab. Wie würde Petra seinen Besuch aufnehmen? Würde sie jetzt, da sie verlassen war, bei ihm Halt suchen?

      Er war siegessicher. Alle Voraussetzungen waren gegeben, daß sich seine Hoffnung noch einmal erfüllen würde.

      Als sich Schritte näherten, hielt er in seiner Wanderung inne und sah dem Arzt gespannt entgegen.

      Dr. Rainer kam langsam näher, den Besuch forschend betrachtend. Bedauernd hob er dann die Schultern.

      »Es tut mir leid, Frau Eckhardt läßt sich entschuldigen…«

      Betroffen prallte Detlef zurück. Zuerst schoß es ihm glühend heiß in die Schläfen, dann wich die Röte jäh tiefer Blässe.

      Ungläubig wiederholte er:

      »Läßt sich entschuldigen? Das… das ist doch unmöglich!«

      Die Fassungslosigkeit über diese Ablehnung stand ihm auf der Stirn geschrieben. Sprenger war zumute, als stürzten alle sorgsam aufgestellten Pläne haltlos in sich zusammen.

      Unversöhnt!

      Er starrte an dem Arzt vorbei ins Leere, fühlte, wie er sich gehenließ, und vermochte sich doch nicht zu beherrschen. Er fieberte einem Wiedersehen mit der schönen Frau entgegen, und sie ließ ihn nicht vor!

      Sein harter Schritt hallte von den kahlen Wänden wider, als er dem Ausgang zustrebte. Niemand begegnete ihm. Auch hinter den hellen Türen war Ruhe – tiefer Frieden.

      In der Rocktasche ballte Sprenger die Hand zur Faust. Er war nicht feige und scheute keinen Kampf. Er würde sich die Frau erkämpfen, ganz gleich, auf welche Art. Seit der letzten Unterredung wußte er, daß er nicht wählerisch in den Mitteln sein durfte, wenn er sein Ziel erreichen wollte.

      Ein Zurück gab es einfach nicht mehr für ihn. Also hieß es, den Weg weiterverfolgen, den er einmal betreten hatte.

      Es war kein gutes