Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman


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riß die Augen auf. Sie war tatsächlich eingeschlafen, hatte sich im Traum mit ihrer maßlosen Angst vor der Zukunft, vor Detlef Sprenger, zu Jost, dem geliebten Mann, geflüchtet.

      Verwirrt strich sie sich das Haar aus der Stirn. Nur ein Traum, aber ein schöner, beruhigender Traum war es gewesen.

      Aus großen, bangen Augen sah sie zu dem Arzt auf.

      »Was… was wünschen Sie von mir? Ist er fort?«

      Dr. Rainer lächelte nachsichtig.

      »Jawohl, er ist fort. Aber neuer Besuch ist gekommen.«

      »Neuer Besuch?« fragte sie ungläubig, ihr Erschrecken hinter einem hilflosen Lächeln verbergend.

      Dr. Rainer nahm auf dem Bettrand Platz und nahm Petras ruhelos umhertastende Hand.

      »Sie dürfen diesen Besuch sogar empfangen, wenn Sie mir versprechen, sich nicht aufzuregen«, sprach er gütig auf sie ein.

      Petra saß aufgerichtet in den Kissen.

      »Herr Doktor…«, hauchte sie tonlos.

      Dr. Rainer erhob sich, legte die weiße Hand der Kranken sanft auf die Bettdecke und hob noch einmal mahnend den Zeigefinger.

      »Nicht aufregen, sonst –«

      Petra schüttelte heftig den Kopf. Von dem Arzt hinweg glitt ihr Blick zur Tür hin. Die Schwester war eingetreten und hielt die Tür für den Besuch auf.

      Nikolaus Eckhardt stand auf der Schwelle.

      Petras Hände fuhren in die Luft, als wolle sie nach einem Halt greifen.

      »Jost! Mein Gott, Jost ist gar nicht tot«, schrie sie in heller Verzweiflung.

      Wie von einer unsichtbaren Hand geschoben, ging Nikolaus auf Petras Bett zu.

      Unsagbar rührend war ihr Anblick. So schmal, so zart und so hilfsbedürftig hatte er sich Josts Frau nicht vorgestellt. Rasch und ungestüm fühlte er das Herz schlagen.

      »Nein, Petra, nicht Jost«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ich bin Nikolaus, sein Bruder.«

      Unverwandt ruhten ihre glänzenden Augen auf Nikolaus’ festen, männlichen Zügen. Es war, als wollte sie sich jede Linie für immer einprägen. Aber auch Bangnis und Mißtrauen ruhten darin.

      Dann schlossen sich die Lider, und ein schwerer Seufzer stahl sich über ihre Lippen.

      »Nikolaus… Nikolaus Eckhardt. Sind Sie gekommen, um mir von Jost zu erzählen?«

      Er nickte, mit einem beengenden Gefühl in der Kehle. Jetzt erst vermochte er ganz zu fassen, was Jost zurückgelassen hatte.

      Er neigte sich tief hinab zu dem schönen Frauenantlitz und ließ ihre Schönheit wie ein Wunder auf sich wirken.

      »Jost ruht neben seinem Vater«, erklärte er in warmem Ton. Seine Stimme übte auf Petra die gleiche beruhigende Wirkung aus wie einst auf Leonore.

      »Ich verstehe nicht.« Voll traf ihr Blick sein Gesicht. »Wollen Sie mir nicht erklären, was sich in der Zwischenzeit ereignet hat? Ich bin sehr unglücklich, daß ich untätig hier liegen muß. Ich will gesund werden, aber es geht nur sehr langsam vorwärts.«

      Sie sah auf seine kräftige Hand hinab, die dicht neben der ihren lag.

      Plötzlich richtete sie sich halb in den Kissen auf.

      »Was macht mein Kind, meine Leonore?« Ganz unbewußt klammerte sie sich an Nikolaus’ Hand, preßte sie mit schwacher Kraft. »Sie wollen mir gewiß von Leonore erzählen. Bitte, reden Sie.«

      »Leonore?« wiederholte Nikolaus, und ein gewinnendes Lächeln stand um seinen Mund. »Können Sie eine große Freude vertragen?«

      »Eine Freude?« Petra hätte aufschreien mögen. »Leonore!« Es war, als ob das über sie dahinströmende Glücksgefühl ihr alle Kraft nehmen wollte.

      Matt sank sie wieder in die Kissen zurück, richtete aber die Augen groß und erwartungsvoll zur Tür.

      Eine in Schwarz gekleidete Frau trat ein und führte Leonore an der Hand.

      Ganz vorsichtig setzte die Kleine die Füße vorwärts, trat nur zaghaft auf, damit sie ja die kranke Mami nicht störte.

      Sehnsüchtig breitete Petra die Arme aus, weit – ganz weit.

      »Lorchen… Lorchen!«

      Das liebliche Kindergesicht war ganz blaß vor Aufregung. Kaum hatte der sehnsüchtige Ruf der Mutter ihr Ohr erreicht, war die Mahnung Tante Beates vergessen. Mit einem Jubellaut stürzte Leonore auf das Bett zu, in die ausgebreiteten Arme Petras.

      »Mami, meine süße Mami!« jubelte das Kind und bedeckte das Gesicht der Mutter mit unzähligen Küssen.

      »Lorchen, mein Liebling!«

      Petra hielt Leonore ein Stück von sich ab und schaute ihr prüfend in die klaren, leuchtenden Augen. Wieviel Liebe von diesem kleinen Kinderkörper auf sie überströmte, wieviel kindliche Freude ihr entgegenstrahlte.

      Beate Eckhardt wurde es ganz feierlich ums Herz. Sie wechselte einen raschen, verständnisinnigen Blick mit dem Neffen und las aus seinen Augen die gleiche innere Bewegung.

      »Papi ist auch da – und die gute Tante.« Leonore drehte sich flink um und wies mit der Hand auf die beiden stillen, abseits stehenden Gestalten.

      »Kommt nur her«, ermunterte sie.

      Petra schlang ungestüm beide Arme um das Kind.

      »Aber Leonore, wo soll denn Papi sein?«

      Der Schmerz über Leonores Ahnungslosigkeit preßte ihr das Herz zusammen.

      Bestürzt begegnete sie Nikolaus’ Blick. Er hob ratlos, wie um Entschuldigung bittend, die Achseln, und Petra barg im jähen Verstehen ihren Kopf an der Brust des Kindes und weinte lautlos in sich hinein.

      »Nicht weinen, Mami, bitte nicht weinen, dann wird Lorchen ganz traurig«, hörte sie die helle Stimme der Kleinen in weinerlichem Ton.

      Unbeholfen, mit dem Wunsch zu trösten, fuhren die zierlichen Kinderhände über die Wangen.

      »Nein, Lorchen, Mami weint nicht mehr«, sagte Petra gepreßt und versuchte ein Lächeln. Es nahm sich seltsam genug in dem verhärmten Frauenantlitz aus. Nur die Lippen lächelten, die Augen waren tiefernst und von erschütternder Traurigkeit.

      Scheu sah sie sich jetzt nach der dunkelgekleideten Frau um.

      Beate nickte Petra herzlich und mütterlich zu. Sie hatte scharf beobachtet und wußte, daß sie gütigen Zuspruchs bedurfte.

      »Mich kennst du wohl noch nicht?«

      Sie stellte sich neben das Kind und strich der Kranken das wirre Haar aus der Stirn. »Ich bin Tante Beate, Nikolaus’ und Josts Tante –«

      »Und wo ist Leontine?« forschte Petra zaghaft. Sie ließ keinen Blick von den guten, treuen Augen Beate Eckhardts, und deren Erschrecken entging ihr nicht.

      Bitterkeit wallte in ihr auf.

      »Ich weiß, Tante Beate.« Wie selbstverständlich kam die vertrauliche Anrede über ihre Lippen. »Ich weiß nun alles.«

      Beate Eckhardt strich mit zarten Fingern über die samtene Haut der Wangen.

      »Petra, nicht um die Zukunft sorgen«, raunte sie. »Es wird alles wieder gut und schön werden.«

      Petra rührte sich nicht. Aber ihr Mund zuckte.

      Die Schwester stand plötzlich neben Beate Eckhardt.

      »Sie müssen die Kranke nun verlassen«, sagte sie sanft, aber bestimmt. »Frau Eckhardt hat Fieber. Sie braucht jetzt unbedingt vollkommene Ruhe.«

      Nikolaus nahm behutsam die schmalen, kraftlosen Finger Petras in seine Hand und versprach:

      »Morgen