Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman


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noch nicht«, antwortete Dr. Wendler offen, aber doch etwas befremdet. »Ich habe meine Kindheit hier verlebt, habe dann auswärts studiert und mich nun hier selbständig gemacht.«

      »Und –?« Väterlich wohlwollend ruhten Dr. Hartmuts jugendlich blitzende Augen auf seinem Besucher.

      Dr. Wendler verstand.

      »… und warte auf Kundschaft«, lachte er unbekümmert, »die sich leider nur sehr schwer einstellen will.«

      »Kann ich mir denken, Herr Kollege«, erwiderte Dr. Hartmut mit feinem wissenden Lächeln. »So einfach wird es einem Anfänger nicht gemacht. Aber das kommt auch noch«, tröstete er gutmütig.

      »Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben«, warf Dr. Wendler trocken ein. Seltsam, um sich über diese Sache trösten zu lassen, war er wirklich nicht hierhergekommen.

      »So, nun wollen wir mal zum geschäftlichen Teil übergehen«, ließ sich wieder Dr. Hartmut vernehmen.

      Dr. Wendlers Erstaunen wuchs. Er ließ sich aber nichts anmerken.

      »Haben Sie sich nicht über meine Aufforderung gewundert?«

      »Das gebe ich zu. Was habe ich mit Eugen Eckhardt zu schaffen?« fragte Dr. Wendler. »Es handelt sich, wenn ich mich nicht irre, doch um den Industriellen Eckhardt.«

      Dr. Hartmut nickte.

      »So ist es. Um es kurz zu machen: Eugen Eckhardt hat Ihnen in einer letztwilligen Verfügung ein recht beträchtliches Erbe hinterlassen.«

      »Sie treiben gewiß einen Scherz mit mir«, fiel ihm der junge Anwalt impulsiv ins Wort.

      »Keinen Scherz«, erwiderte Dr. Hartmut ernst. Er konnte die Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit seines Gegenübers wohl begreifen. »Mein langjähriger Freund war ein warmherziger und sehr gerechter Mann. Sie hatten, unbewußt natürlich, einen Gönner in ihm.«

      »Einen Gönner?« wiederholte Dr. Wendler. Er fühlte, wie sich seine Aufregung steigerte. »Bitte, drücken Sie sich etwas klarer aus. Wie soll ich das auffassen?«

      »Eugen Eckhardt, der leider viel zu früh verstarb, hat heimlich sehr viel für Sie getan.«

      Mit einer ratlosen Handbewegung fuhr sich Dr. Wendler durch den blonden Haarschopf.

      »Wie kam denn der Mann dazu, Gutes an mir zu tun? Zumindest müßte ich doch etwas davon wissen. Können Sie mir das nicht näher erklären?«

      Dr. Hartmut hob die Schultern. Jetzt stand Ratlosigkeit auf seinen Zügen.

      »Tut mir leid, darüber kann ich Ihnen wenig Aufklärung geben.« Er versuchte, die aufkommende Verlegenheit durch einen Scherz zu überbrücken. »Fragen Sie nicht so viel, Herr Doktor. Freuen Sie sich dieses Erbes, und legen Sie das Ihnen zugefallene Vermögen gut an. Ich glaube, jetzt wissen Sie, was Sie zu tun haben.«

      Wendler schüttelte den Kopf.

      »Das begreife ich nicht. Wir leben doch nicht in einer phantastischen Welt. Ich kann mich auch nicht entsinnen, einem alten Mann das Leben gerettet zu haben, der sich verpflichtet gefühlt hätte, mir seine Dankbarkeit zu beweisen.«

      »Mein Freund war kein alter Mann.«

      »Ihr Freund?« Dr. Wendlers Züge strafften sich. »Dann wissen Sie vermutlich doch den Grund. Sie hüllen sich aus einer bestimmten Absicht heraus nur in Stillschweigen.«

      Dr. Hartmut lächelte weise.

      »Vielleicht ist es so. Jedenfalls sehe ich keine Veranlassung, das Geheimnis, das mein Freund vorläufig als Geheimnis gewahrt wissen will, zu lüften.«

      »Und wie stellen sich die Hinterbliebenen Eugen Eckhardts zu dieser Verfügung?« forschte Dr. Wendler.

      »Niemand weiß darum, nur Sie und ich. Selbstverständlich werden Sie jedoch Ihrer Mutter nun die große Neuigkeit mitteilen, nicht wahr?«

      Mutter! überlegte er, und bei diesem Gedanken überrieselte es ihn heiß. Er war der Erbe eines Vermögens.

      Lebhaft beugte er sich vor.

      »Und um welches Erbe handelt es sich?«

      Dr. Hartmut nahm ein Schriftstück aus den vor ihm liegenden Akten

      und hielt es Dr. Wendler zur Ansicht hoch.

      Der junge Anwalt fuhr erschrocken zurück.

      »Unmöglich!« Er schloß die Augen. Er konnte sich gar keine Vorstellung machen von der Größe dieser Summe.

      Vielleicht träumte er nur?

      »Entspricht das wirklich den Tatsachen?« Seine Stimme klang heiser. Wie er so vor dem Notar saß, nichts als Staunen in den hellen Augen, glich er einem großen Jungen.

      Dr. Hartmut blätterte wieder in seinen Papieren, um Helmuth Wendler Zeit zu geben, sich zu fassen.

      Minuten vergingen. Minuten, in denen Helmuth Wendler nur ganz langsam, ganz allmählich begriff, daß er vor einem Wendepunkt in seinem Leben stand. Er sprang auf.

      »Herr Doktor!«

      Langsam drehte sich Dr. Hartmut seinem Besucher zu. Es sah ganz so aus, als schimmerten seine Augen feucht. Auch er erhob sich.

      »Und – und was habe ich jetzt zu tun?«

      »Was Sie zu tun haben?« Dr. Hartmut legte dem jungen Anwalt, der ihn um ein bedeutendes Stück überragte, die Hand auf den Arm. »Sie sollten jetzt heimgehen und sich vorbehaltlos freuen.«

      Der alte Rechtsanwalt fühlte seine Hand ungestüm emporgerissen und zwischen Wendlers Fäusten wie in einen Schraubstock gepreßt.

      »Immer noch Fragen?« scherzte er.

      »Nein! Vorläufig nicht«, stieß Helmuth Wendler hervor. Ihm war geradezu feierlich zumute, in seinen Augen schimmerte es verräterisch. »Wiedersehen, Doktor, ich komme bestimmt noch einmal wieder, jetzt muß ich allein sein.«

      Und er stürzte davon.

      Eugen Eckhardt! Eugen Eckhardt!

      Wie mit Flammenschrift stand der Name über seinem Weg. Plötzlich wußte er, was er zu tun hatte.

      Er lenkte seine Schritte zum Friedhof. Dem Grab seines Wohltäters wollte er einen Besuch abstatten. Irgendwie mußte er seiner Dankbarkeit Ausdruck verleihen.

      *

      Leontine Eckhardt trat zaghaft an den breiten Schreibtisch ihres Mannes.

      Etwas wie Scheu befiel sie, als sie die Schlüssel hervorholte und Fach um Fach öffnete.

      Was sie nicht interessierte, legte sie sorgfältig wieder an seinen Platz zurück. Die Neugier wuchs. Sie meinte, bei ihrem Mann einmal ein Buch gesehen zu haben, das er bei ihrem Eintritt verlegen versteckt hatte. Diesem schmalen, in braunes Leder gebundenen Buch galt ihr Suchen. Im rechten Seitenfach stieß sie auf eine schwere Kassette. Lange suchte sie nach dem passenden Schlüssel.

      Endlich fand sie ihn.

      Mit bebenden Fingern, als stünde sie vor aufregenden Enthüllungen, schlug sie den Deckel zurück.

      Einiges Bargeld lag in den einzelnen Fächern. Sie hob die obere Kassette heraus und nahm den gesamten Inhalt.

      Quittungen aller Art flatterten ihr entgegen. Einige größere Geldscheine und – Leontine beugte sich mit klopfendem Herzen vor: Ganz zuunterst lag das gesuchte Buch.

      Sie nahm es in die Hände, blätterte darin und las. Sie war enttäuscht. Sie hatte fest geglaubt, daß es irgendwelche Geheimnisse barg, die zwischen ihr und dem Verstorbenen gestanden hatten. Dem schien aber nicht so zu sein.

      Nur geschäftliche Eintragungen enthielt es – aber immer wieder stieß sie auf den Namen Wendler:

      »… heute eine große Auseinandersetzung mit Lisa Wendler gehabt. Sie wollte stolz meine Hilfe ablehnen. Aber nach langem Kampf setzte ich durch, daß Helmuth auf die Universität kommt. Lisa