muß die Sache anders angefaßt werden.«
So – nun wußte er, was ihr Ziel war. Deutlicher konnte sie nicht werden.
Langsam erhob sich Helmuth Wendler. Auch er trug eine kalte, entschlossene Miene zur Schau.
»Gnädige Frau, ich sagte Ihnen bereits, daß ich den Auftrag in Ihre Hände zurücklegen möchte.«
Leontine zuckte leicht zusammen. Das war ebenso deutlich. Haß und Wut über die neue Demütigung schossen wie eine Flamme in ihr empor. Noch beherrschte sie sich.
»Ich glaube, Herr Doktor«, sagte sie gedehnt, »Sie hätten allen Grund, mir etwas dankbarer zu sein.«
»Es tut mir leid, gnädige Frau, daß ich Sie enttäuschen muß. Meine Dankbarkeit gegen die Familie Eckhardt geht nicht so weit, daß ich mich zu einer Unehrenhaftigkeit versteigen könnte.«
Ihre Augen schlossen sich zu einem schmalen Spalt.
»Sie pochen so auf Ihre Ehre, Herr Doktor. Haben Sie sich noch nicht überlegt, weshalb ich gerade Sie mit dieser Sache beauftragte?«
»Darüber habe ich mir wirklich noch keine Gedanken gemacht«, war seine rasche Erwiderung. Aber er war doch stutzig geworden. Er fühlte, daß sie diese Äußerung nicht grundlos gemacht hatte. Unbehagen überfiel ihn.
»So haben Sie sich wohl auch noch keine Gedanken darüber gemacht, weshalb mein Mann so großzügig an Ihnen gehandelt haben mag?«
Unerträglich empfand er die harte Stimme der Frau.
»Nein!« sagte er schneidend. »Aber ich glaube, Sie machen sich zu viele Gedanken darüber. Ich darf mich jetzt wohl empfehlen.«
Leontine Eckhardt schien alle Würde verloren zu haben. Seine Abwehr reizte sie immer mehr.
»Ich glaube Ihnen gern, daß es Ihnen unangenehm ist, über diese persönliche Sache zu sprechen, Herr Dr. Wendler. Aber sie wird dadurch nicht aus der Welt geschafft. Ich habe mir, wie Sie sehr richtig bemerkten, einmal sehr viele Gedanken darüber gemacht. Heute habe ich das nicht mehr nötig, heute weiß ich, warum diese Komödie aufgezogen wurde.«
Mit gerunzelter Stirn und finsterem Blick maß Helmuth die boshafte Sprecherin.
»Jetzt habe ich Sie… verstanden«, sagte er fast heiser.
Dann wurde seine Stimme hart. »Hoffentlich sind Sie nicht so töricht zu glauben, daß ich nun für Ihre dunklen Pläne zugänglicher sei. In diesem Falle würden Sie sich nämlich irren. Und nun –«, er verbeugte sich knapp und lächelte spöttisch. »Ich hatte die Ehre, gnädige Frau.«
Mit raschen, festen Schritten verließ er Leontine Eckhardt, die langsam in sich zusammensank.
*
Müde, an allen Gliedern wie zerschlagen, erreichte Helmuth am vorgeschrittenen Abend sein Haus.
Im Wohnzimmer brannte noch Licht. Also erwartete die Mutter ihn.
Vorsichtig schloß er die Tür auf. Ein unauffälliges Vorbeikommen am Wohnzimmer war unmöglich. Die Tür stand einen Spalt offen, und er hörte die weiche, zärtliche Stimme seiner Mutter.
»Mein Gott… Junge… wie siehst du aus? Wo kommst du her?«
»Von Frau Leontine Eckhardt«, kam es kurz und hart von seinen Lippen.
»Von… Frau Eckhardt?« wiederholte sie, kaum verständlich. Alles Blut drängte ihr zum Herzen. Sie wollte aufstehen, wollte ihrem Sohn entgegengehen, aber der Schreck machte sie unfähig.
»Mutter«, hörte sie wie aus weiter Ferne Helmuths Stimme an ihr Ohr schlagen, »ich fragte dich einmal, was ich Eugen Eckhardt zu verdanken habe. Du sagtest mir… das Studium. Du hast mir aber nicht die ganze Wahrheit gesagt. Bitte… Mutter… was verdanke ich nun Eugen Eckhardt alles?«
Mit einem Blick, in dem Schmerz, Enttäuschung und Verzweiflung lagen, sah Lisa zu ihm auf. Sie spürte, jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Leise, wie ein Hauch, traf es sein Ohr:
»Dein… Leben!«
Helmuth starrte die Mutter an, lange, wortlos, dann flüsterte er:
»Also doch!«
*
Nun war Petra wieder in ihrem Heim. Sie hatte Lorchen, die sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnte, zu Bett gebracht und ging von Zimmer zu Zimmer.
Sie würde die Wohnung nicht mehr lange halten können. Selbst wenn sie eine Stellung fand, war sie zu teuer. Die wirtschaftliche Not stand als bedrohliches Gespenst vor ihr.
Von irgendwoher klang der dumpfe Gong einer Uhr. Erst acht Uhr. Und die ganze lange Nacht lag noch vor ihr. –
Erschrocken fuhr sie in die Höhe.
Hatte es nicht geklingelt?
Nikolaus! durchfuhr es sie. Das war Nikolaus! Er kam sicher, um sie zurückzuholen.
Zaghaft streckte sie die Hand nach der Klinke aus. Sie zitterte vor freudigem Schreck, der einen dumpfen Schwindel in ihr auslöste.
Sie drehte den Schlüssel um, löste die Sperrkette – und floh im nächsten Augenblick entsetzt bis an die Wand zurück.
Detlef Sprenger stand vor ihr, einen demütig-bittenden Ausdruck im Gesicht.
»Petra!« rief er leise. »Darf ich eintreten – nur für eine Viertelstunde. Ich sitze seit Stunden hinter dem Steuer, nur um Sie zu sehen und zu sprechen. Gönnen Sie mir ein paar armselige Minuten des Ausruhens.«
Auf einmal fürchtete sie sich nicht mehr vor dem Mann. Einmal mußte restlose Klarheit geschaffen werden.
»Bitte!« hauchte sie und wies auf die offenstehende Wohnungstür.
Sprenger atmete wie erlöst auf. Sie wies ihn nicht ab? Vielleicht war die Hetzjagd zu ihr doch nicht umsonst gewesen?
Mit einem Ruck hob er den Kopf.
»Petra – können Sie mir verzeihen?«
Hilflos schaute sie ihn an. Es sah aus, als husche ein wehmütiges Lächeln um den blaßroten Mund, der so weich und verlockend war.
»Um meine Verzeihung zu erlangen, sind Sie gekommen?«
Er lächelte schmerzlich. »Lassen Sie mich beichten, Petra. Ach, eigentlich brauche ich gar nicht viel Worte zu machen. Ich habe Sie geliebt, wahnsinnig, mit der ganzen Leidenschaft eines Mannes, der die Liebe noch einmal kennenlernt. Ich bildete mir ein, meine Liebe müßte Gegenliebe erwecken…
Mit der festen Absicht aufs Ganze zu gehen und Sie im Guten oder Bösen zu erringen, bin ich zu Ihnen gefahren. Und dann ist es mir ganz merkwürdig gegangen. Wie eine Erleuchtung kam es über mich.
Wichtiger als mein Glück war mir plötzlich das Ihre. Von mir haben Sie keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten, weil ich Sie jetzt wirklich liebe. Und ich werde dafür sorgen, daß meine häßlichen Verdächtigungen Ihnen nichts mehr anhaben können, indem ich mich zu dieser Lüge bekenne.«
Petra hatte seinen Worten, die wie ein Sturzbach über sie dahingebraust waren, kaum folgen können. Sie wußte nur, daß er nicht mehr ihr Feind war, daß sie von jetzt an Ruhe vor ihm hatte, und das kam so unerwartet, daß es ihr die Sprache verschlug.
»Es ist schön, daß Sie Ihr Unrecht einsehen und dafür sorgen wollen, daß mein Ansehen wiederhergestellt wird.«
Er griff nach ihrer Hand, die kalt und ohne Druck in der seinen blieb.
»Alles will ich tun, wenn Sie mir verzeihen können.«
Petra hatte das Gefühl, diesem Mann irgend etwas Gutes sagen zu müssen und streckte die Hand aus.
»Ich verzeihe Ihnen, Detlef Sprenger!«
Mit einem erstickten Aufschrei griff er nach ihrer Hand, und plötzlich riß er sie an sich.
»Einen einzigen Kuß, Petra, einen einzigen