Balken mit Ringen darübergelegt, zum Anketten der Pferde. Militär ist da, Militär in Drillich und Offiziere in voller Uniform und das – ja, was ist das? »Was stellt denn der vor? Kennst du die Uniform?«
»Ja, wie sehen die denn aus?«
»Wat is denn det für ’ne Uniform?!«
Hackendahl nickt verständnisvoll mit dem Kopf. Er als altgedienter Mann kann die richtige Auskunft geben: »Feldgrau!«
Feldgrau! Das Wort fliegt von Mund zu Munde, es ist etwas Neues: feldgrau. Nein, sie werden in diesem Kriege nicht die gewohnten bunten Uniformen tragen, sie werden feldgrau sein …
»Aber warum denn bloß?! Det is doch schade! Det sieht doch nach jar nischt aus!«
»Mensch, quassel noch – det se’ne Schießscheibe abjeben!«
»Det wird sich Willem schon richtig mit Moltken überlegt haben!«
»Nu haben die Franzosen wohl auch keine roten Hosen mehr an? Det is aber schade! Ick habe mir so jedacht: Aus deinem ersten Jefangenen machste dir ’ne rote Weste …«
Unterdes hat die Musterung längst angefangen, ununterbrochen werden Namen aufgerufen.
»Nu mal ein bißchen Trab! – Galopp! Schön! Beine sind gesund. Heh, nehmen Sie ihm mal das Bein hoch – ist der Huf nicht geborsten?«
Der Tierarzt schaut dem Gaul ins Maul, sieht die Zähne nach. »Acht Jahre«, sagt er.
»Den hab ick aber vor sechse jekooft, Herr Oberveterinärrat!«
»Acht!«
»Train! Stangenpferd. Zweite Gruppe …«, schnarrt ein Offizier abschließend.
Ein Schreiber schreibt, ein Soldat nimmt dem Besitzer die Zügel aus den Händen. »Nee, Mensch, die Trense behalten wir. Haste nich gelesen, auf dem Gestellungsbefehl: mit Stallhalfter?«
Der Besitzer hält eine Anweisung in den Händen. »Dreihundertfünfzig Mark – kucke mal, Gustav, dreihundertfünfzig Mark für meine Braune. Das is nicht schlecht bezahlt, das is anständig!«
»Ganz reell«, sagt Gustav. »Nicht zuviel und nicht zuwenig, ganz reell – wie alles beim Militär.«
Nun kommt auch sein Stall dran. Pferd auf Pferd wird vorgeführt … Hackendahl führt nicht selbst vor, das hat er nicht nötig, dafür hat er seine Leute, er ist ein großer Mann. Und so fühlt er sich auch – er gibt dem Vaterland, er gibt ihm nicht nur Söhne, er gibt ihm auch Pferde, Besitz. Er kann in dieser Stunde etwas opfern, das macht ihn zufrieden.
Er steht bei der Gruppe der Offiziere, hinter ihm steht Heinz. Bubi kann die Offiziere nicht glücklicher ansehen, als es der Vater tut. Das ist der alte stramme Ton, geschnarrt oder genäselt, aber sachlich kurz, Entschließungen im Bruchteil einer Minute. Kein endloses Weibergetratsch, kein: Kommste heute nich, dann kommste morgen!
Ein Offizier funkelt Hackendahl durch sein Einglas an. »Was stehen Sie hier rum. Mann? Was horchen Sie hier? Machen Sie sich nicht verdächtig!«
»Das sind meine Pferde«, sagt Hackendahl erklärend.
»Ihre Pferde? Na schön! Meinethalben! Was haben die Gäule gemacht?«
»Droschke gefahren, Herr Oberleutnant!«
»Droschke? Werden was anderes zu fahren kriegen, hähä! Aber gut im Stand – Pferdeverstand, was?«
»Wachtmeister bei den Pasewalker Kürassieren gewesen, Herr Oberleutnant!«
»Altgedienter Mann, Pferdeverstand, merkt man! Bißchen leicht, bißchen klein – aber in Ordnung!«
Ja, daß die Hackendahlschen Pferde in Ordnung waren, das merkte man wirklich. Stück für Stück ging weg, es machte Hackendahl ganz stolz.
»Au, Vater, die nehmen ja alle!« flüsterte Heinz aufgeregt. »Womit sollen wir denn Droschke fahren?«
»Danach wird jetzt nicht gefragt. Hauptsache, das Militär bekommt, was es braucht.«
»Was ist denn mit dem Schimmel, Wachtmeister?« fragte der Offizier wieder. »Junges Tier, aber ohne Mumm. Hat nichts in den Knochen?«
»Zu Befehl, Herr Oberleutnant! Vor fünf Wochen mit ’nem Auto überjagt, Schreck gehabt – ist seitdem nicht wieder zurechtgekommen. War mein Bester!«
»Auto? Böse Sache! Das heißt – na ja, Gäule jedenfalls vornehmer. – Untauglich, der Schimmel!«
Ja, der Schimmel wurde untauglich. Auch den Klopphengst wiesen sie zurück. Und dann nach und nach noch drei Pferde. »Ganz nett – aber zu alt! Halten einen Vormarsch nicht mehr aus.«
»Zu Befehl, Herr Oberleutnant!«
Hackendahl bekam seine Anweisung, es war eine Anweisung auf eine sehr hohe Summe. Viel Geld, die Pferde, die für Hackendahls gearbeitet, von denen sie gelebt hatten, in Geld umgesetzt. Es war viel und wenig, eine hohe, fünfstellige Zahl – aber es war auch Hackendahls Lebensarbeit, das, was er aufgebaut, für das er geschuftet hatte, als Zahl auf ein Blatt Papier niedergeschrieben.
Er sah auf das Blatt, er dachte daran, wie er Pferd für Pferd Tag um Tag besorgt hatte, wie er, ehe er sich zu einem Kauf entschloß, zehn-, zwanzigmal gelaufen war, gehandelt hatte. Er dachte daran, wie er den Kutschern auf der Pelle gesessen hatte, daß sie die Pferde nicht überjagten, wie er oft beobachtend hinter einer Litfaßsäule gestanden und aufgepaßt hatte, daß die Pferde auch während der Wartezeiten gefüttert und getränkt wurden. Die Pferde, der Stall, das Fuhrgeschäft – sie waren sein Lebensinhalt gewesen, seit es das Militär nicht mehr sein konnte. Es war so leer in ihm …
»Hoffmann, ihr findet mit den Pferden allein nach Haus. Ich gehe mit Heinz noch ein Stück.«
»Jawohl, Herr Hackendahl.«
»Spannt gleich ein, wenn ihr zu Haus seid. Heute sind Droschken knapp – und wir müssen sehen, daß wir ein bißchen was verdienen.«
»Der Schimmel auch, Herr Hackendahl?«
»Jawohl, der Schimmel auch. Du kannst ihn selber nehmen, Hoffmann.«
»Machen wir, Herr Hackendahl.«
»Komm, Bubi, wir gehen noch ein Stück raus. Mir ist heute so.«
»Ja, Vater.«
»Der Soldat dort sollte den Braunen nicht so kurz am Trensenstrick nehmen, der Gaul war ein bißchen empfindlich im Maule.«
Aber es war egal, es waren nicht mehr seine Pferde – sie gehörten nun dem Vaterland.
8 Spionenfang
Sie waren noch ein Stück die Frankfurter Allee hinausgegangen, die Häuser standen immer spärlicher. Dann kamen Gärten, kleine Feldstücke – und nun lag das erste richtige große Kornfeld vor ihnen: Roggen.
»Sieh mal, Bubi, Roggen, Korn, angemäht, aber nicht weitergemäht. Der ist längst reif. Denen ist auch der Krieg dazwischengekommen. Wer das nun wohl erntet?«
Er sah über die weiten Felder, alles war still und verlassen. Kein Mensch war an der Arbeit zu sehen, nur auf den Straßen liefen und fuhren sie eilig.
»Es wird schon so kommen, Bubi, wie ich heute früh zu Rabause gesagt habe: Die Frauen werden jetzt die Männerarbeit machen müssen.«
»Mutter auch?«
»Natürlich. Mutter auch.«
»Na, Vater …«
»Was ist mit Mutter? Wenn sie muß, wird sie schon können. Ich will heute nachmittag auch sehen, daß ich mich stelle als Freiwilliger.«
»Aber du bist doch zu alt, Vater! Und dann hast du immer mit dem Herzen zu tun.«
»Ich habe gar nichts mit dem Herzen!«
»Doch – manchmal wirst du ganz blau, Vater!«
»Also! Ich werde mich stellen, und sie werden mich nehmen. Du wirst sehen!«
»Aber …«
»Sie werden mich nehmen! Und nun halte den Mund, Bubi!«
»Dann