Michaela Dornberg

Bettina Fahrenbach Staffel 2 – Liebesroman


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ihren Anschlussflug würde sie nicht erreichen. Ihr graute schon, in Orly warten zu müssen, bis die nächste Maschine ging. Außerdem musste sie auf dem Chateau anrufen, damit Jörg nicht auf dem Flughafen von Bordeaux warten musste.

      Es war wirklich mehr als ärgerlich, dass wegen des Nebels alles durcheinandergeraten war. Oder war es ein Zeichen dafür, dass sie unverrichteter Dinge wieder zu­rückfahren musste.

      Nein, sie durfte nicht unken und schon Nebel als ein Zeichen ansehen.

      Sie musste erfolgreich sein, denn wenn Marcel wirklich das Chateau verlassen würde, dann gute Nacht! Das würde das Ende für Jörg bedeuten, der sich um den Weinbau nicht mehr kümmern wollte. Einen zuverlässigeren, tüchtigeren und kompetenteren Menschen als Marcel gab es nicht. Alles würde den Bach heruntergehen.

      Bettina war froh, als der Bus endlich losfuhr, und bis Orly war es eine Höllenfahrt, denn unterwegs hatte es mehrere Auffahrunfälle gegeben, die den ohnehin chaotischen Verkehr noch chaotischer gestalteten.

      Als Bettina aus dem Bus stieg, hatte sie das Gefühl, der Nebel habe sich noch verdichtet.

      Ohne Eile ging sie in die Abfertigungshalle. Ihr Flieger war ja ohnehin weg.

      Mehr automatisch als interessiert blickte sie auf die Anzeigentafel, blieb abrupt stehen.

      Die Maschine war noch nicht gestartet.

      Sie rannte zu einem der Counter und reichte ihr Ticket hinüber.

      »Oh, da haben Sie Glück. Wegen des Nebels ist die Maschine noch nicht abgeflogen. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wann sie starten wird.«

      Sie blickte Bettina an.

      »Haben Sie Gepäck?«

      »Nein, nur Handgepäck.« Sie deutete auf ihre kleine Reisetasche, die genau die Maße hatte, um noch als Handgepäck durchzugehen.

      Die Frau nickte.

      »Wo sitzen Sie gern? Fenster oder Gang?«

      »Gang bitte.«

      Nach wenigen Augenblicken bekam Bettina ihre Unterlagen und die Bordkarte.

      Nun hoffte sie nur, dass sich der Nebel bald lichten würde und sie starten konnten.

      Im Warteraum versuchte sie Jörg zu erreichen.

      Aber es ging niemand ans Telefon, und sein Handy war ausgeschaltet.

      Sie konnte es nicht ändern, dann musste er eben warten.

      Sie hatte keine Lust, sich in eine Unterhaltung verwickeln zu lassen und setzte sich ein wenig abseits auf einen dieser schrecklich unbequemen Stühle. Bettina schloss die Augen.

      Sie fühlte sich müde und irgendwie ausgelaugt und wusste, dass sie in ihrem Leben etwas verändern musste.

      Sie konnte nicht, nur weil sie um jeden Preis den Kontakt zu ihren Geschwistern aufrechterhalten wollte, immer nur die Gebende sein. Das Verhältnis zwischen ihnen war einfach ungesund. Alle drei, ob sie nun Frieder, Grit oder Jörg nahm, forderten immer nur. Doch keiner von ihnen erkundigte sich danach, wie es ihr ging. Das interessierte niemanden.

      Sie seufzte, denn eigentlich wuss­te Bettina doch ganz genau, dass sich niemals etwas ändern würde. Sie wollte doch den Kontakt nicht abreißen lassen, und es machte sie fast krank, dass Frieder sie aus erpresserischen Gründen ignorierte. Er war ihr großer Bruder, und das würde er immer bleiben, egal, was er ihr angetan hatte.

      Eine Lautsprecherstimme riss sie aus ihren Gedanken.

      »Sehr verehrte Damen und Herren. Die Wetterverhältnisse lassen es jetzt zu, dass wir unseren Flug nach Bordeaux starten können.

      Bitte machen Sie sich zum Einstieg fertig und halten Sie Ihre Bordkarten bereit.«

      Bettina atmete auf. Das war schneller gegangen als erwartet. Sie würde mit einer halben Stunde Verspätung in Bordeaux ankommen, denn auf diesem Kurzstreckenflug konnte der Pilot keine Zeit aufholen.

      Sie griff nach ihrer Tasche und hängte sie um ihre Schulter, dann holte sie aus ihrer Tasche die Bordkarte und reihte sich in die Schlange der Passagiere ein, die allesamt abgefertigt werden mussten.

      Bettinas Wunsch, keinen Sitznachbarn zu bekommen, ging in Erfüllung.

      Bei ihrem letzten Flug hatte sie auf dieser Strecke Monsieur Humblet kennengelernt, und daraus hatte sich eine Geschäftsbeziehung entwickelt.

      Aber heute hätte sie nicht einmal darauf Lust gehabt.

      Sie lehnte sich zurück und schloss wieder die Augen, bemühte sich aber, an nichts zu denken, sondern sich zu entspannen.

      Aber dann fiel ihr Marcel ein.

      Was sollte sie ihm sagen? Wodurch sollte sie ihn zum Bleiben bewegen?

      Nein! Solche Gedanken waren töricht. Sie konnte sich nicht darüber Gedanken machen, ohne mit Marcel geredet zu haben.

      Sie griff auf den Nebensitz, auf den sie ihre Tasche gestellt hatte und kramte eine Zeitschrift hervor, die sie schon von zu Hause mitgebracht hatte.

      Sie begann darin zu blättern, aber es interessierte sie nicht wirklich, dass Maxima der Niederlande mit ihrer Familie in ihre argentinische Heimat gereist war.

      Und auf das Kreuzworträtsel hatte sie auch keine Lust.

      Ihr Horoskop verriet ihr: »Aus einem Flirt wird nicht gleich die große Liebe. Setzen Sie Ihre Partnerschaft nicht wegen einer Affäre aufs Spiel. Unter Pluto-Einfluss machen Sie einen Karrieresprung, doch Vorsicht, Gegner wollen Sie austricksen.«

      So, das reichte. Ein solcher Schwachsinn.

      Bettina schlug die Zeitschrift zu und verstaute sie sofort im Ablagenetz vor sich. Dort konnte sie auch bleiben.

      Vielleicht fand ja jemand Gefallen daran.

      Bettina kramte erneut in ihrer Tasche herum, holte einen Früchteriegel hervor, den sie genüsslich verspeiste.

      Und dann war der Flug auch schon vorbei.

      Paris – Bordeaux, das dauerte nicht mehr als eine Stunde.

      *

      Nach dem trüben Wetter in Deutschland und dem dichten Nebel in Paris war es geradezu unglaublich, dass sich Bordeaux von seiner schönsten Seite zeigte.

      Die Sonne schien vom klarblauen Himmel. Es war angenehm warm. Bettina zog ihre Jacke aus und stopfte sie in ihre Reisetasche, dann ging sie durch den Sicherheitsbereich. Sie war eine der Ers­ten, die hinausgingen, weil sie ja nicht auf Gepäck warten musste.

      Jörg und sie entdeckten sich fast gleichzeitig.

      »Schwesterlein«, rief er und nahm sie beinahe ungestüm in die Arme. »Ich hatte schon Angst, du könntest nicht in dieser Maschine sein, weil in Paris wegen Nebel doch alles ziemlich chaotisch ist.«

      »Wie du siehst, war der Himmel auf meiner Seite.«

      Jörg sah gut aus, er war braungebrannt, trug eine Jeans und ein offenes weißes Hemd und wirkte vollkommen unbeschwert.

      Ob er sein Problem bereits geregelt hatte und ihr Hiersein war vollkommen überflüssig?

      »Sag mal, Jörg«, erkundigte sie sich, als sie nebeneinander zum Auto gingen. »Hast du das mit Marcel wieder auf die Reihe gebracht?«

      Er blieb stehen, schaute sie fragend an.

      »Nein, wie kommst du denn darauf?«

      »Nun, weil du auf mich ziemlich unbeschwert wirkst.«

      »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Trauer tragen?«

      »Am Telefon wirktest du ziemlich unglücklich … ratlos … hilfesuchend.«

      Er lachte.

      »Ich hab etwas übertrieben. Aber wenn ich nicht ein wenig geschauspielert hätte, wärst du dann überhaupt gekommen?«

      Fassungslos