ich mir, dass sie bloß nicht zu uns ziehen werden. In Prospekten und Plänen zu blättern bedeutet ja nicht automatisch, dass sie bereits gekauft haben. Aber wie Markus mir sagte, sollen fast alle Häuser verkauft sein.«
»Hier ist es auch schön und die Lage da oben nicht schlecht. Ich hoffe nur, dass die Leute nicht erwarten, dass aus unserem Fahrenbach ein zweites Bad Helmbach wird und dass sie sich schon einmal zu erschwinglichen Preisen, ehe alles explodiert, Grund und Boden gesichert haben. Im Vergleich zu Bad Helmbach sollen ja die Häuser sehr viel günstiger im Preis sein.«
»Wenn die Leute das erwarten, dann werden sie aber sehr enttäuscht werden. Huber ist es ja geglückt, an uns allen vorbei zu verkaufen. Aber das darf und wird nicht noch ein zweites Mal passieren. Ich glaube, der Schock über den Bau der dreißig Häus sitzt in allen sehr tief.«
»Linde, auch wenn einige Leute im Dorf, zu denen wir beide ja auch gehören, erheblichen Grundbesitz haben, werden wir es nicht verhindern können, dass irgendwann doch jemand wieder an eine Baugesellschaft verkauft.«
»Wir müssen es verhindern«, Lindes Stimme klang kampfeslustig. »Ich will, dass meine Kinder genauso aufwachsen wie ich selbst. Und dafür werde ich kämpfen wie eine Löwin. Außerdem …«
Sie brach ihren Satz ab, denn draußen am Fenster war Isabella Wood vorbeigegangen, wieder gekleidet in ihren Trenchcoat, mit Kopftuch und Sonnenbrille.
»Bettina, ist sie das?«, erkundigte sie sich ganz aufgeregt.
»Ja, das ist Isabella Wood.«
»Unglaublich, dass diese berühmte Frau auf deinem Hof ist und so ganz unspektakulär mit deinen Hunden spazieren geht. Es muss für sie doch ein besonderes Erlebnis sein, einmal nicht von einem Tross von Journalisten und Kameraleuten begleitet zu werden.«
»Ja, sie genießt es sehr, und für mich ist es natürlich toll, dass sie alle Appartements für zwei Monate gemietet hat. Es ist sehr viel Ruhe auf dem Hof.«
»Wenn du die Rezeptur für euer Kräutergold hättest, müsstest du nicht vermieten. Schade.«
»Ich müsste auch dann etwas tun, Linde. Das hier alles in Schuss zu halten, ist ein Fass ohne Boden. Und mit den ganzen leerstehenden Gebäuden muss auch etwas passieren. Mein Vater war ja nur sporadisch hier, und früher war der Fahrenbach-Hof für die Familie ein Feriendomizil. Aber ich lebe hier. Hier ist mein Lebensmittelpunkt und hier möchte ich eine Familie gründen. Ich wünsche mir auch Kinder, und ich möchte, genau wie du, dass meine Kinder hier aufwachsen … aber, wer weiß, ob dieser Traum überhaupt einmal in Erfüllung gehen wird. Thomas in Amerika, ich hier …«
Beruhigend tätschelte Linde Bettinas Arm.
»Hab einfach noch ein wenig Geduld. Du und Thomas gehört zusammen. Über kurz oder lang wird er in Ami-Land seine Zelte abbrechen und zu dir ziehen, und dann wird es wie im Märchen sein, wo es heißt – und sie lebten glücklich und in Frieden bis ans Ende ihrer Tage …«
»Das wäre schön, Linde, aber weißt du, Märchen werden niemals wahr.«
»He, so etwas will ich aber wirklich nicht mehr hören. Mein Märchen ist auch wahr geworden. Ich habe mit Martin den besten Mann auf der Welt, wir lieben uns unendlich, und nun werden wir Eltern und bekommen sogar zwei Kinder auf einen Streich.«
»Ich beneide euch«, gab Bettina zu.
»Ach was, früher haben wir euch beneidet, Thomas und dich. Jetzt sind wir an der Reihe, aber glaub mir, ihr werdet schon wieder aufholen, ihr zwei romantisch Liebenden … doch etwas anderes – hast du eigentlich noch einmal etwas von diesem netten Journalisten gehört? Jan … wie hieß er noch gleich?«
»Jan van Dahlen. Nein, in letzter Zeit nicht mehr. Aber durch ihn kam Isabella auf den Hof, die beiden haben schon als Kinder miteinander gespielt.«
»Mein Gott, wie klein die Welt doch ist. Es ist nett, dass er an dich gedacht hat. Ich fand ihn sowieso ganz reizend und interessant.«
»Ja, ist er auch. Aber müssen wir eigentlich über Jan reden? Er war eine kleine Episode in meinem Leben, mehr nicht. Und meine Gedanken verschwende ich lieber an Thomas, den Mann, den ich liebe, statt an einen heißen Verehrer, der sich vermutlich ohnehin nicht mehr melden wird, weil ich ihm nicht mal für die Blumen gedankt hab, die er mir geschickt hat.«
»Bettina, so etwas tut man nicht«, entrüstete Linde sich.
»Ja, ich weiß. Aber in der ersten Verwirrung habe ich seine Visitenkarten entsorgt. Vermutlich ist er jetzt sauer auf mich. Ist aber auch egal. Linde, Themenwechsel, sollen wir nicht einmal wieder einen kleinen Einkaufsbummel veranstalten? Ich müsste Bücher abholen. Außerdem könnte ich ganz gut eine Wetterjacke gebrauchen.«
»Ja, gern, aber kauf nicht soviel Bücher, du weißt ja gar nicht mehr, wo du sie noch unterbringen sollst. Eine Jacke könnte ich übrigens auch ganz gut gebrauchen, vielleicht so einen Swinger, damit ich dann meinen üppigen Bauch, den ich ja unweigerlich bekommen werde, unterbringen kann … Ach, Bettina, ich freue mich ja so auf die Kinder und kann es kaum erwarten, dass sie auf die Welt kommen. Martin ist ja auch reinweg närrisch. Ich glaube, er freut sich noch mehr als ich, obschon das kaum möglich ist. Er wird ein wunderbarer Vater, und für uns beide ist es eine herrliche Erfahrung, Eltern zu werden.«
»Möchtest du eigentlich noch mehr Kinder haben?«, wollte Bettina wissen.
»Aber ja. Aber es müssen nicht immer Zwillinge sein, einmal im Doppelpack reicht. Also, ein, zwei Kinder hätte ich schon gern noch hinterher. Jetzt bin ich erst einmal gespannt, was wir bekommen werden, hoffentlich einen Jungen und ein Mädchen. Zuerst wollten wir uns ja überraschen lassen. Aber ich bin viel zu neugierig, das halte ich gar nicht aus. Und mein Martin will auch wissen, ob er sich schon mal nach einer elektrischen Eisenbahn umsehen soll.«
Die beiden Frauen stimmten einen Termin ab, dann verabschiedeten sie sich voneinander.
Bettina musste ins Büro. Sie hatte eine große Werbeaktion für Finnmore eleven vorzubereiten und musste sich auch einige Gedanken machen, wie es mit der Werbung für die Brodersen-Produkte und die Horlitz-Tröpfchen weitergehen sollte. Nur weil sie jetzt ein Spitzenprodukt im Angebot hatte, durfte sie ihre anderen Artikel nicht vernachlässigen.
*
Nachdem sich die ganze Aufregung um Bondi gelegt hatte und der Alltag auf dem Fahrenbach-Hof wieder eingekehrt war, bekam Bettina ein richtig schlechtes Gewissen.
Helene Schäffer, die ehemalige Mitarbeiterin des Jugendamtes, war längst aus dem Urlaub zurückgekehrt, aber sie war noch immer nicht nach Winkenheim gefahren, um mit ihr zu sprechen und um endlich herauszufinden, ob es eine Spur gab, die zu Lenis Tochter führte.
Sofort am nächsten Morgen fuhr sie nach Winkenheim und dort direkt in das sogenannte Blumenviertel. Da sie schon einmal dagewesen war, fand sie den Lupinenweg ohne Schwierigkeit.
Fast war es zum Lachen, der Mann, der ihr gesagt hatte, wo Helene Schäffer wohnte, werkelte wieder in seinem Garten herum und ließ seine Harke sofort fallen, als er Bettina erblickte.
Natürlich konnte er sich sofort erinnern.
»Helene ist zu Hause«, sagte er. »Heute haben Sie Glück. Ich hab ihr schon von Ihnen erzählt, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Aber vielleicht habe ich Sie auch nicht richtig beschrieben. Ich glaub, ich hab der Helene gesagt, dass Sie braune Haare haben, dabei sind Sie doch blond. Was wollen Sie denn von der Helene?«
Das hatte er sie bei ihrem letzten Besuch auch gefragt und keine Antwort bekommen. Glaubte er, sie diesmal übertölpeln zu können? Na, da hatte er sich aber geirrt.
Bettina schenkte dem Mann ein hinreißendes Lächeln, winkte ihm zu.
»Einen schönen Tag noch … Ihr Vorgarten sieht übrigens wunderschön aus, und er ist so gepflegt.«
Der Mann wollte noch etwas sagen, aber das ignorierte Bettina und lief auf das Haus Nummer 19 zu, in dem Helene Schäffer wohnte.
Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte