bleiben durften.
Noch war die Phase der internationalen Zusammenarbeit in der Antarktis nicht abgeschlossen, denn Ende Juni half Shackleton Julián Irízar, der damals argentinischer Marine Attaché in London war, eine Rettungsaktion für die auf der Antarktischen Halbinsel gestrandete schwedische Expedition vorzubereiten. Unter anderem riet er Irízar, auf Paulet Island ein Depot für schiffbrüchige Seeleute einzurichten. Am Ende konnte Irízar an Bord des Marineschiffs »Uruguay« alle schwedischen Expeditionsmitglieder retten und in einem Triumphzug nach Buenos Aires bringen. Die argentinische Rettungsaktion wurde später ein wichtiger Mosaikstein in der Begründung des argentinischen Besitzanspruches an der Antarktischen Halbinsel. Heute ist die »Uruguay« ein nationales historisches Monument und kann im Museumshafen von Buenos Aires »Puerto Madero« besichtigt werden.
SHACKLETONS BRITISH ANTARCTIC EXPEDITION (1907–1909)
Nach seiner Rückkehr nahm Shackleton verschiedene Jobs an und verzettelte sich in dubiosen Geschäften, die ihm finanziell eher schadeten als halfen. 1904 heiratete er als Dreißigjähriger schließlich Emily Dorman, die er seit sieben Jahren kannte. Sie gebar ihm in den nächsten Jahren die beiden Söhne Raymond (geb. 1905) und Edward (geb. 1911), sowie die Tochter Cecily (geb. 1906). Shackleton war jedoch kein Familienvater, den es lange daheim hielt. 1907 veröffentlichte er im Geographical Journal den Plan einer eigenen privat organisierten »British Antarctic Expedition (1909)«, mit der er aller Welt zeigen wollte, dass er mehr leisten könne als Scott.
Eine Gruppe von neun oder zwölf Männern sollte mit genügend Ausrüstung von Neuseeland aus über das Rossmeer an Land gebracht werden und in Scotts »Discovery«-Hütte überwintern. Im Frühjahr sollten drei Gruppen aufbrechen, um einerseits im Westen das King Edward VII Land zu erforschen und andererseits über die schon bekannte Route über das Rossschelfeis weiter nach Süden vorzudringen. Die dritte Gruppe sollte in Victoria Land den Magnetpol der Südhalbkugel erreichen. Für die Schlittenreisen sah Shackleton mandschurische Ponys und speziell entwickelte Motorschlitten vor. Die Finanzierung der Expedition war allerdings äußerst schwierig, denn die britische Regierung wollte seine Pläne nicht unterstützen, und auch die Royal Geographical Society war sehr zurückhaltend. Schließlich fand sich der Großindustrielle William Beardmore bereit, die Expedition tatkräftig zu unterstützen.
Shackleton wollte gerne, dass ihn Wilson, mit dem er sich auf der »Discovery«-Expedition angefreundet hatte, als Arzt begleitete. Falls er selbst für die Reise zum Südpol nicht fit genug wäre, gäbe es keinen Besseren als ihn, die Expedition fortzuführen, umgarnte er Wilson. Dies war ein erstaunliches Zugeständnis für einen Mann, der seine gesundheitlichen Schwächen bis zuletzt nie zugab. Er hoffte nämlich insgeheim auf Wilsons ärztliche Hilfe, falls ihn wieder Asthma und seine Herzprobleme plagten. Aber Wilson lehnte seine Zusage ab, weil er eher Scotts neuen Plänen zugetan war. Scott seinerseits war erbost über Shackletons ungehöriges Ansinnen und rang seinem Rivalen mit Wilsons Hilfe noch 1907 das Versprechen ab, seine Discovery Hütte am McMurdo Sound keinesfalls zu benutzen und auch nicht die Demarkationslinie bei 170° O zu überschreiten, um in »sein« Gebiet am Rand des Rossschelfeises einzudringen.
Nachdem Shackletons Expedition auf der »Nimrod« im Januar 1908 auf der Suche nach einem Platz zum Anlanden die große Eisbarriere vergeblich in Richtung King Edward VII Land abgesucht und außer der von Schelfeis umgebenen Bay of Whales nichts entdeckt hatte, musste er doch wortbrüchig werden und seine Station auf der Ross Island in Nähe der »Discovery« Hütte aufbauen und von dort aus seine Unternehmungen starten.
Shackletons Expedition war sehr erfolgreich, denn die eine Gruppe mit dem australischen Geologen Douglas Mawson gelangte in Victoria Land erstmals in die Nähe des Magnetpols der Südhemisphäre, dessen Lage sich nach der ersten Peilung von James Clark Ross im Jahr 1841 nach Norden verschoben hatte. Eine zweite Gruppe führte die Erstbesteigung des Mt. Erebus (3794 m) durch. Shackleton selbst hatte einen Weg über den nach seinem Sponsor benannten Beardmore-Gletscher auf das Eisplateau im Innern des antarktischen Kontinents entdeckt und sich mit drei Kameraden dem geographischen Südpol bis auf 180 km genähert. Wegen Erschöpfung und Nahrungsmangel mussten sie aber den weiteren Vorstoß nach Süden abbrechen, denn sie hatten ihre Schlitten am Schluss selber ziehen müssen, weil unterwegs alle Ponys gestorben waren. So gelang es ihnen zumindest mit allerletzter Kraft, völlig erschöpft zu ihrer Überwinterungsstation zurückzukehren. Auf alle Fälle hatte Shackleton Scott geschlagen und am 6. Januar 1909 bis 88° 23' S erreicht. Für diese Leistung wurde er im Juli 1909 als Commander in den Royal Victorian Order (CVO) aufgenommen und vier Monate später von König Edward VII. zum Ritter geschlagen.
Shackletons Reiserouten zur See und auf Land während der »Nimrode«-Expedition (1908–1909) (Quelle: Kollbach 1911, S. 27)
Shackletons Aufbruch nach Süden am 29. Oktober 1908 (Quelle: Kollbach 1911, S. 23)
Shackleton (rechts) mit Frank Wild (Mitte) und Jameson Boyd Adams (links) haben am 9. Januar 1909 den südlichsten Punkt bei 88° 23' S erreicht (Quelle: Kollbach 1911, S. 29)
Nach Shackletons Rückkehr erwartete jeder, dass er umgehend ein Buch über seine Expedition veröffentlichte. Der Londoner Verlag von William Heinemann wartete schon dringend auf sein Manuskript, für das schon neun simultane Übersetzungen in andere Sprachen geplant waren. Obwohl ein finanzieller Erfolg lockte, wollte Shackleton lieber unter Menschen sein, als sich am Schreibtisch aufzuhalten. Seiner Meinung nach könne er besser Reden halten als schreiben. Um den Abgabetermin dennoch einhalten zu können, hatte er schon in Neuseeland einen Reporter der Lyttelton Times namens Edward Saunders engagiert, der ihn nun auf allen Vortragereisen begleitete, um jede freie Zeit für das Diktat des Buches zu nutzen. Beide verstanden sich glänzend, sodass Saunders seine Arbeit als Ghostwriter von »The Heart of the Antarctic« bravourös vollbrachte, denn es wurde nach seinem Erscheinen im Jahr 1909 schnell als das beste Buch über eine Polarexpedition bezeichnet.
SHACKLETONS IMPERIAL TRANS-ANTARCTIC EXPEDITION (1914–1917)
Nachdem Shackleton den Weg auf das Süpolarplateau gefunden hatte, war es nur eine Frage der Zeit, dass Scott ihn zur Vollendung seines Planes, als Erster den Südpol zu erreichen, nutzen würde. Aber er würde nicht allein bleiben, denn der bayerische Offizier Wilhelm Filchner stellte Anfang März 1910 auf einer Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin seinen Plan einer neuen deutschen Antarktisexpedition vor. Er wollte herausfinden, in welchem Zusammenhang die Westantarktis mit der wesentlich größeren Ostantarktis stand, die durch die tiefen Einschnitte des Weddellmeeres und des Rossmeeres voneinander getrennt wurden. Drei Theorien konkurrierten miteinander: Nordenskjöld vertrat die Meinung, dass beide Meere durch einen mit Eis bedeckten Meeresarm verbunden waren. Der norwegische Polarforscher Fridtjof Nansen glaubte hingegen immer noch, dass die Antarktis aus einer Ansammlung von Inseln am Südpolarkreis bestand und damit einem Atoll glich. In diesem Fall würde die Südpolarregion jenseits des Polarkreises wie die Arktis aus einem gefrorenen Ozean bestehen. Shackleton war jedoch mit Bruce der Ansicht, dass es sich bei der Antarktis um einen einzigen Kontinent handelte. Schon 1908 hatte Bruce begonnen, zur Lösung der Frage eine Durchquerung der Antarktis vorzubereiten. Filchner wusste offenbar nichts davon, als er mit seinem Plan hervortrat, vom Weddellmeer über den Südpol zum Rossmeer vorzudringen. Dabei hoffte er auf die Hilfe von Scotts Expedition, die ihm auf der Rossmeerseite Depots legen sollte. Schnell stellte sich heraus, dass Scott an einer solchen Kooperation keinerlei Interesse hatte. Nachdem Bruce seine Expedition nicht realisieren konnte und Shackleton erst seine finanziellen Verbindlichkeiten aus der »Nimrod«-Expedition klären musste, stand Scotts vorgegebenem Ziel nichts mehr im Wege, als Filchner im Sommer 1910 erst noch zu einer Übungsexpedition nach Spitzbergen aufbrach. Bekanntlich kam Amundsen Scott zuvor und setzte am 14. Dezember 1911 die norwegische Flagge auf den Südpol, während Scott, der