Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


Скачать книгу

mit der griechischen.

       Inhaltsverzeichnis

      Werfen wir, ehe wir weitergehen, einen vergleichenden Rückblick auf die Namengebung der alten Völker, so läßt sich wohl kaum ein schrofferer Gegensatz denken, als zwischen der römischen und der germanischen Namengebung. Dort körperliche Schwächen und Mängel, hier edle Eigenschaften und Vorzüge, leiblicher und ganz besonders geistiger Art! Dort niedrige Prosa — hier erhabene Poesie!

      Dagegen tritt eine auffallende Übereinstimmung mit der griechischen Namengebung hervor, zunächst darin, daß die Namen auf beiden Seiten der großen Mehrzahl nach zusammengesetzte sind.[12] Namen dieser Art sind an sich schon poetischer, schwungvoller als einfache, und so tritt bereits hier in erfreulicher Weise übereinstimmend eine edle Anlage beider Völker hervor. Dann aber entsprechen sich auch die Zusammensetzungselemente in beiden Sprachen großenteils: so das griechische phanes (glänzend, prangend) und das deutsche beraht (bert), das griechische kles (berühmt) und das deutsche mar, das griechische krates (kräftig, gewaltig) und das deutsche rich; so ferner medon (waltend) und walt (old), stratos (Heer) und heri, demos (Volk) und theod (diet), theos (Gott) und got u. s. f.

      Demnach kann man eine Menge griechischer Namen geradezu mit deutschen übersetzen, da sie sich wörtlich decken, z. B.:

Nikophanes (siegprangend) — Sigibert,
Kleophanes (ruhmstrahlend) — Hrodebert (Ruprecht, Robert),
Kleoptolemos (ruhmkämpfend) — Chlodowich (Ludwig),
Perikles (vielberühmt) — Vilmar,
Demosthenes (volksgewaltig) — Dieterich,
Thrasybulos (kühn im Rat) — Chuonrat (Konrad),
Laomedon (volkswaltend) — Leutold,
Demophilos (Volksfreund) — Volkwin,
Theodulos (Gottesknecht) — Gotschalk u. a. m.

      Genug, die Anlage unseres Volkes ist, gleich der des griechischen, eine treffliche und edle; ein nach dem Hohen gerichteter Sinn tritt uns überall in dieser Namengebung entgegen, aus welcher der Geist unserer Ahnen mit beredten Lauten zu uns spricht. Unser Volk war berufen von der Vorsehung, die Ketten zu zersprengen, in welche römische Tyrannei die Welt geschlagen hatte, und als ein edles Reis in die Fäulnis des Römertums eingesenkt zu werden, um von jetzt an Hauptträger der Entwickelung des Menschengeschlechtes zu sein.

       Weiterentwickelung der altdeutschen Personennamen. Ihre Lebenskraft.

       Inhaltsverzeichnis

      Wie sehr diese Namengebung aus dem innersten Leben und Wesen des deutschen Volkes hervorgewachsen, das erweist sich durch die Zähigkeit, mit welcher lange Jahrhunderte hindurch an ihr festgehalten wird. Die Stürme der Völkerwanderung brausen dahin, die verschiedenen Stämme der Germanen lassen sich in den Provinzen des ehemaligen römischen Reiches nieder und bauen die Erde sich neu. Die staatlichen Verhältnisse ändern sich, das Christentum stürzt den alten Götterhimmel — doch die Namen bleiben und blühen ohne wesentliche Veränderung weiter auf einem vielfach umgestalteten Felde.

      Die Beweise liegen zu Tage. Man werfe nur einen Blick auf die Namen der deutschen Könige und Kaiser! Ihre Reihe ist von Karl dem Großen an sechs Jahrhunderte lang rein deutsch: Karl, Ludwig, Konrad, Heinrich, Otto, Friedrich sind die herrschenden Namen. Unterbrochen wird diese Reihe erst durch Wenzel aus dem lützelburgisch-böhmischen Hause 1378 und später durch Maximilian den „letzten Ritter“ 1493. Ebenso ist es im Kreise der Reichsfürsten. Albrecht der Bär hatte sieben Söhne: Otto, Hermann, Sigfrid, Heinrich, Adelbert, Dietrich, Bernhard — kein undeutscher Name findet sich darunter, ein Fall, der sich jetzt schwerlich wiederholen würde.

      Selbst im Stande der Geistlichen, wo das Eindringen fremder Namen am ersten zu erwarten wäre, behauptet sich die deutsche Namengebung überraschend lange. Bischöfe und Erzbischöfe, Klosteräbte und Mönche erscheinen fort und fort als Träger der altgermanischen Krieges-, Sieges- und Ruhmesnamen. Man denke an Adalbert von Prag, den Apostel der Preußen, an Otto von Bamberg, den Pommern-Apostel, an Willegis von Mainz, Adalbert von Bremen.

      Ähnliches gilt von den romanischen Ländern. Trotz der fortwährenden Berührung mit der römischen Welt und dem teilweisen Aufgehen in dieselbe behaupten sich die alten Namen nicht bloß im eigentlichen Deutschland, sondern auch in Frankreich, Spanien, ja selbst in Italien. Nachdem die Sprachen längst romanisch geworden, erhalten sich noch die fränkischen, gotischen, langobardischen Namen in überraschender Weise. Man braucht sich nur die Führer des ersten Kreuzzuges zu vergegenwärtigen: Gottfried von Bouillon, Robert von der Normandie, Raimund von Toulouse, Boemund von Tarent usw., um dies bestätigt zu finden. Fügen wir noch ein Beispiel aus Frankreich, eins unter vielen, hinzu! Im Jahre 991 versammelten sich zu Reims die Bischöfe der Diözese: Guido von Soissons, Adalbero von Laon, Heriveus von Beauvais, Godesmann von Amiens, Ratbod von Noyon, Odo von Senlis; außerdem Erzbischof Daibert (Dagobert) von Bourges, aus der Lyoner Synode die Bischöfe Walter von Autun, Bruno von Langres, Milo von Maçon; endlich der Erzbischof Siguin von Sens mit den Bischöfen seines Sprengels Arnulf von Orleans und Herbert von Auxerre. Unter diesen dreizehn geistlichen Würdenträgern findet sich keiner mit nichtdeutschem Namen; nur sind einzelne dieser Namen oberflächlich romanisiert, wie Guido aus altdeutsch Wido, oder latinisiert, wie Heriveus aus Heriwic.[13]

      Geschichtliche Erinnerungen und mehr noch Familienüberlieferungen kamen der Erhaltung der Namen zu Hülfe. Im karlingischen Geschlechte waren Karl, Ludwig, Lothar zu Hause, bei den Württembergern Ulrich und Eberhard, bei den Schwarzburgern Günther usw. Aber auch Stammesüberlieferungen machten ihren Einfluß geltend; noch jetzt läßt sich erkennen, wie einzelne Namen bei gewissen Stämmen besonders gebräuchlich waren. So kommen Friedrich, Rudolf, Albert vorwiegend in Schwaben, Luitpold, Dietpold bei den Bayern, Heinrich, Ludwig, Konrad bei den Rheinfranken vor. Wie beliebt der Name Wilhelm noch im 12. Jahrhundert bei den Normannen war, davon zeugt die Erzählung eines Zeitgenossen. Als nämlich Weihnachten 1171 der junge König Heinrich (Sohn Heinrichs II. von England) bei Bayeux ein großes Fest gab, kamen zwei Wilhelme, der Seneschall von der Bretagne und der Verwalter von der Normandie, auf den Einfall, es sollten in ihrem Saale nur Wilhelme sein dürfen. Wer einen anderen Namen führte, mußte hinaus, und als man zählte, waren noch 117 Ritter da, die alle Wilhelm hießen, ungerechnet die vielen andern, welche in des Königs Halle speisten.[14]

      So behaupteten sich die Namen, nur daß sie mit der Entwickelung der Sprache im wesentlichen Schritt hielten und daher mancherlei Abschleifungen und Zusammenziehungen erfuhren. Aus Raganhar, wie es im 6. Jahrhundert gelautet hatte, entwickelte sich Reginher, Reginer und schließlich (im 10. Jahrh.) Reiner; ferner aus

       Cariovalda (1. Jahrh.): Heroald — Herold (10. Jahrh.),

       Hruodperaht: Ruodpreht, Hruodbert — Ruprecht und Rupert (11. Jahrh.),

       Berinhard: Bernhard, Bernd.