polizeilichen Verordnungen gewichen ist.[23] Es ergibt sich aus allem, daß der Gebrauch der Geschlechts- oder Familiennamen in den Städten und mit der Blüte der Städte entstanden ist; daß dieser Brauch in den einzelnen Städten um so eher aufkommt, je früher sich dieselben entwickeln, und daß er sich von der Stadt und ihren Bürgern auf das Land und auf andere Stände verbreitet hat.
Wie wenig befestigt anfangs die einzelnen Familiennamen waren, ergibt der leichte und häufige Wechsel. So wurde Lucas Cranach, also benannt von seinem Geburtsort im Hochstifte Bamberg, auch genannt „Lucas Maler“. Sein eigentlicher Familienname war wahrscheinlich Sunders (Pott, Personennamen, S. 43). Im Quedlinburger Urkundenbuche wird aus dem Jahre 1407 ein Ludeke Hugholdes, „andere geheten Ludeke Smet,“ erwähnt, aus dem Jahre 1429 ein Clauwes Hartwiges, „anders geheten Clauwes Groper.“
8.
Altdeutsche Vollnamen als Familiennamen.
Um eine Person genauer zu bezeichnen und von „den Genamen“, den Namensvettern, zu unterscheiden, war es das Nächstliegende, die Abkunft anzugeben, also den Namen des Vaters hinzuzufügen, besonders wenn dies eine hervorragende Persönlichkeit war. Nennen sich doch schon in der deutschen Heldensage die Helden nach ihren Vätern: Hiltibrant Heribrantes sunu, Sigfrid Sigmundes sun — Zusätze, die jedoch damals noch nicht erblich geworden. Wurde nun der Name des Vaters beigefügt, so geschah dies in der Form „Sohn Arnolds“ oder auch bloß Arnolds, in den Bürgerrollen und Urkunden, die meist lateinisch abgefaßt wurden: filius Arnoldi oder mit Auslassung von filius bloß Arnoldi. Man würde demnach hier lauter genetivische Familiennamen als Patronymika erwarten, wie Arnolds, Friedrichs, Otten. Auffällig ist nun, daß die weit überwiegende Mehrzahl der Namen dieser Art nicht im Genetiv, sondern im Nominativ auftritt: Arnold, Friedrich, Otto (Otte) usw. Woher diese auf den ersten Blick überraschende Erscheinung? Sie ist wohl so zu erklären, daß man statt des genaueren Genetivs oder einer sonstigen patronymischen Bildung den Namen des Vaters einfach und unverändert im Nominativ hinzusetzte — infolge einer schon damals eintretenden Erstarrung der Sprache, vielleicht auch, weil man den Namen des Vaters deutlicher wollte hervortreten lassen. So finden wir bereits im 8. Jahrhundert in Urkunden unter andern einen Sigifridus filius Sigimundus, und im 11. Jahrhundert erscheint der Vatername schon oft dem des Sohnes im Nominativ als Beiname hinzugefügt, z. B. Uguo Folcaldus (im J. 1030.)[24] Ein besonders belehrendes Beispiel führt Becker aus Köln an. Dort finden wir unter den Dienstmannen der Abtei zu St. Pantaleon im Jahre 1128 einen Razo; dann unterzeichnet 1185 unter den Bürgern ein Henricus Razonis, derselbe 1195 Henricus Razo, und 1272 ist Theodoricus dictus Razo Bürgermeister. Ebenso erscheint im Göttinger Urkundenbuch im Jahre 1245 der Ritter Johannes Cusen (Genetiv), 1270 der Ritter Johannes Cuso.[25] Gewiß war dies, die einfache Beifügung des Vaternamens im Nominativ, im gewöhnlichen Leben noch häufiger.
So erscheint denn nun eine Menge jener altdeutschen Personennamen nunmehr als Familiennamen, teils wenig verändert, z. B. Hildebrand, Siegfried, Amelung, teils mannigfach abgeschliffen, wie Kiesel und Geröll des Meeres im Wogenschlag der Jahrhunderte, teils sogar verstümmelt und entstellt bis zur Unkenntlichkeit.
Am deutlichsten treten hervor die zusammengesetzten Namen, von denen hier eine Übersicht der gewöhnlicheren Bildungen folgen möge, nach dem zweiten Teile der Zusammensetzung geordnet:
bald (bold, belt; polt, pelt, „kühn“[26]): Liebald, Liebold, Liebelt, Lippold, Lippelt;
brecht (bert, barth; precht, pert, „glänzend“): Siebrecht, Siebert, Siebarth; Wieprecht, Wiepert;
fried (fert, fart, „Friede, Schutz“): Siegfried, Siefert, Seifart;
ger („Speer“): Rödiger;
hart (art, ert, „stark, fest“): Eckhardt, Eckart, Eckert;
her (er, „Krieger; Heer“): Walther, Walter;
mann: Hermann;
mar (mer, „berühmt“): Volkmar, Volkmer;
rich (reich, „mächtig“): Friedrich, Friedreich;
walt (olt, elt, „waltend“): Reinwald, Reinold, Reinelt;
wart (werth, „Hüter, Wart“): Ahlwardt, Adelwerth;
wig („Kampf“): Hartwig;
win (wein, „Freund“): Gerwin, Eberwein;
wolf (olf, umgestellt loff, „Wolf“): Schönewolf; Rudolph, Rudloff.
Durch Abfall der Schlußkonsonanten entwickelte sich aus bald, belt: ball, bel; aus fert: fer; aus old: ohl usw.
Manche dieser urspr. altdeutschen Namen treten infolge mundartlicher und anderer Einflüsse in außerordentlich vielen verschiedenen Formen auf, z. B. altdeutsch Ricohard findet sich als:
Richard, Richert, Riechert — Riegert — Reichhardt, Reichard, Reichert — Rickert, Ritschard — Ritsert;
ungerechnet die bloß orthographischen Abweichungen. Liutbald tritt gar (freilich gemengt mit Liutwald) in mehr als zwanzig Formen auf:
Liebaldt, Liebold, Liebhold, Libelt, Liebel, Liepelt — Lippelt, Lippel — Leopold — Lepold, Lepel — Leppelt — Luppold — Lubold — Laubhold — Leupold — Leybold, Leibel, Leibhold, Leipold, Leipel usw.
9.
Sproßformen der altdeutschen Vollnamen als Familiennamen.
a) Kürzungen und Verkleinerungen.
Sehr zahlreich, mitunter zahlreicher noch als die vollen Formen, sind die verkürzten, sich anschließend an die altdeutschen Kürzungen und Verkleinerungen, die Seite 23 behandelt sind. Das o, welches dort an den Torso gesetzt wurde, hat sich nur in wenigen Familiennamen, wie Otto, Thilo, erhalten; meist ist es in e abgeschwächt: Otte, Thiele, Heine (altd. Heino aus Heinrich), Thieme (Thiemo aus Thiedmar) — oder es ist ganz abgefallen, so daß der Name einsilbig wird: Ott, Thiel, Heyn, Thiem.
Diese Verkürzungen bilden den Übergang zu den eigentlichen Verkleinerungsformen oder Schmeichelformen. Die verschiedensten Bildungen treten hier hervor, und eine wundersam reiche Flora beut sich den erstaunten Blicken. Jede Landschaft hat ihre besonderen Deminutivendungen, nach Maßgabe der Mundart.[27]
Der Kern der oberdeutschen Verkleinerungsendung ist ein l (altd. ilo, s. S. 23), welches auch in Appellativen in den mannigfachsten Formen auftritt: ele, el, le, li, la usw., z. B. Mädele, Mädel, Maidle, Maidli, Madla; Vogel, Vogerl.
Der Kern der niederdeutschen Verkleinerungs-Endung ist ein k (altd. iko, S. 23): ke, ken, z. B. Mäke, Mäken.
Im Schriftdeutschen sind beide vertreten, und zwar in der Verbindung mit n (S.