Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


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welches er trieb, oder das Amt hinzu. Solchen Zusätzen begegnen wir bereits bei den Goten, indem sich unter zwei sonst lateinisch abgefaßten Verkaufsurkunden, die sich aus der ostgotischen Zeit erhalten haben, als Zeugen neben Römern auch finden: Merila bokareis (M. der Bucherer, d. i. Schreiber), Ufitahari papa (U. der Pfaffe), Sunjaifrithas diakun (S. der Diakon), Viljarith bokareis, Gudilub diakun. Dies sind die ältesten germanischen Zusätze von Stand und Gewerbe zur näheren Bezeichnung einer Persönlichkeit. So finden wir denn auch in spätern Urkunden häufig solcherlei Zusätze, wie „Herman der Perchmayster“ (in einer Marburger Urkunde aus dem Jahre 1290), „Herman der Amman“, „Schechel der Mawter“ (Mautner), „Nicla der Schreiber“ (alle ebenda aus dem 14. Jahrhundert) „Huch de smet“ und „Schrift de kremere“ (im Göttinger Urkundenbuch um 1383) usw.

      Eine solche Beifügung konnte nun sehr leicht auf den Sohn übergehen, so sich allmählich in einem Geschlechte befestigen und zum Namen der gesamten Familie werden, besonders wenn der Sohn, wie es doch ohne Frage häufig und häufiger als jetzt geschah, die Beschäftigung seines Vaters fortsetzte. Doch war das kaum einmal nötig: der Name des Familienhauptes wurde ohne weiteres auf die übrigen Glieder der Familie, insbesondere auf die Kinder übertragen.

      Erscheinungen dieser Art zeigen sich noch heutzutage, da doch längst die feststehenden Familiennamen durchgedrungen sind, im Volksmunde gar nicht selten. So wird in Fr. Reuters „Reis’ nah Belligen“ der Pastorsohn nie mit dem Geschlechtsnamen, sondern immer „Heindrich Paster“ genannt.[40]

      Hier muss doch ein schon vorhandener Familienname verdrängt werden, damit die Amtsbezeichnung an die Stelle trete; wie viel leichter war die Sache, wenn solche Verdrängung noch nicht nötig war!

      Bei dem Übergange zum Familiennamen fiel zunächst der Artikel, wenn er nicht etwa schon von vornherein gefehlt hatte, regelmäßig fort. So bietet das Göttinger Urkundenbuch neben den vorhin erwähnten Huch de smet und Schrift de kremere in demselben Schriftstück aus dem J. 1383 Eckel Smet und Herman Kremere. Nur in ganz vereinzelten Fällen ist der Artikel stehen geblieben, z. B. in de Pottere (= Töpfer), de Boer (spr. Bûr).[41]

      Eine lange, fast endlose Reihe ehrsamer Meister vom Handwerk zieht an uns in diesen Namen vorüber, die uns einen Blick in die friedliche Tätigkeit unserer Vorfahren während des 12.-16. Jahrhunderts tun lassen. Greifen wir einige Gruppen heraus — solcher Handwerke, die für jene Zeit besonders bezeichnend sind.

      Auf das alte Kriegswesen, wie es vor der Erfindung und allgemeinen Anwendung des Schießpulvers war, gehen Namen wie Harnischmacher, Harnischfeger (der den Harnisch fegt, d. i. glänzend macht, poliert); Armbruster, Pfeilschmidt, Bolzer, Pfeilsticker, niederl. Pielsticker (Verfertiger der Stecken für die Pfeile); Lersner (Verfertiger der Lersen d. i. Lederhosen).

      Während diese durch ihr meist geräuschvolles Handwerk dem Schwerte dienten, bewegte in stiller Klause der Bücherabschreiber unermüdlich die Feder im Dienste friedlicher Kunst: Bucher, Pucher (der Bücherabschreiber). Ihn unterstützten der Buchfeller (der die Felle zu Büchern bereitet) und der Rothmaler (der die bunten Anfangsbuchstaben malte). Alle drei Namen stammen vorzugsweis aus Oberdeutschland, wo die Kunst des Bücherabschreibens und des Ausmalens der Titel und Anfangsbuchstaben mehr als in Niederdeutschland zu Hause war.

      Begeben wir uns aus der Enge der Städte hinaus aufs Land, in die freie Natur, so sprechen uns hier besonders die Namen an, welche der Jagd und Waldwirtschaft entlehnt sind. Ist doch das Jagen im schönen, grünen Walde von jeher eine Lieblingsbeschäftigung der Deutschen gewesen! Und wieviel ausgedehnter war noch im Mittelalter das Jagdgebiet, da die Wälder einen so unvergleichlich größeren Raum einnahmen, derart, daß die bewohnten Stätten in manchen Landschaften fast nur wie Inseln im Waldmeer erschienen!

      Der älteste Name des Jägers ist Waider, Weidmann; er bedeutet denjenigen, welcher auf Weide, d. i. Nahrung ausgeht, und weist somit auf jene uralten Zustände in dem Leben unserer Vorväter hin, in welchen die Jagdbeute den vornehmsten Teil der Speise ausmachte. Jünger ist das so häufige Jäger mit den Zusammensetzungen Gambsjäger, Hasenjäger, während ein Name wie Bärenfänger beweist, daß auch die wilden, starken Tiere des Waldes, die einst der Germane bekämpft hatte, noch nicht ausgestorben waren. Auf die Jagd mit Falken („Federspiel“), einen der beliebtesten Zeitvertreibe in der ritterlichen Zeit, gehen Falkner (Felkner), Hachmeister (s. v. a. Habichtmeister, Abrichter der Stoßvögel). Die älteste Bezeichnung des Waldverwalters dauert noch in dem Familiennamen Widemarker fort; derselbe bedeutet den, welcher für die Holzmark (witu Holz) zu sorgen hat. Der Name setzt das Vorhandensein einer gemeinsamen Mark voraus; in der Privatwaldung eines Fürsten oder Adligen dagegen war ein Holzknecht angestellt — nach Vilmars treffender Bemerkung ungefähr das, was jetzt Oberforstkollegium, Oberforstrat, Forstinspektor, Oberförster, Unterförster und Forstläufer zusammengenommen sind. Viel häufiger ist indes der Name Förster (Vorster). Daneben sind Zeugen für die ehemalige verschwenderische Waldwirtschaft die Familiennamen Aschenbrenner und Aschenbrand; dieselben bezeichnen ein eigenes Gewerbe, welches darin bestand, ganze Waldstrecken niederzubrennen, bloß um Asche zu gewinnen, teils für die Glashütten, teils für die Seifensiederei.

      Die zuletzt angeführten Namen sind zum Teil nicht mehr reine Handwerksnamen, sondern bezeichnen, wie Hachmeister und Förster, ein Amt. So reihen wir denn hier die Amtsnamen an.

      Weltliches Amt und weltliche Würde war im Mittelalter meist erblich geworden. Somit werden wir uns nicht wundern, in unseren Namenverzeichnissen den vollständigen Hofstaat weltlicher und geistlicher Fürsten, vom Kanzler bis zum Schergen, wiederzufinden. Man vergleiche nur folgendes Verzeichnis der Hof-Verwaltungsämter eines Fürsten jener Zeit mit deutschen Familiennamen: Dapifer Truchsess, Droste; Pincerna Schenk; Marescalcus Marschall; Camerarius Kämmerer; Causidicus oder Scultetus Schuldheiß, Schulz; Advocatus Vogt; Minister Ammann; Villicus Meier; Cellarius Keller; Telonarius Zoller, Zöllner; Magister coquinae Küchenmeister; Monetarius Münzer usw. Daran reiht sich eine Menge Namen von städtischen und Klosterämtern, richterlichen, polizeilichen und militärischen Stellen wie Fürbringer (Advokat); Küster, Glöckner, Sigrist (auch Sacristan); Stocker und Sulzer (Gefängniswärter); Venner (Fähnrich).

      Während so diese alten Ämter viele Familiennamen geliefert haben, sind die neueren Amtsbenennungen — glücklicherweise — nicht so fruchtbar gewesen. Weder Kammerherr noch Kammerdiener, weder Präsident noch Superintendent, weder Steuerperäquator noch Hauptzollamts-Kassenkontrolleur werden aus naheliegenden Gründen je zu Familiennamen werden.

      Einige Schwierigkeit machen Namen wie Kaiser, König, Herzog und ähnliche, bei denen allerdings „gerechte Zweifel sich erheben können, ob solche Familien häufig in den Fall gekommen sind, die durch derlei Namen bezeichnete Würde als wirkliche Lebensbürde zu tragen“ (Pott). Es sind jedenfalls Übernamen, welche die betreffenden Persönlichkeiten in dem sie umgebenden Kreise führten.[42] Ähnlich ist es mit Bischof, Probst, Mönch und anderen geistlichen Würden, die sich freilich auch sehr wohl auf patronymischem Wege als Familiennamen festsetzen konnten — trotz dem Cölibat.

      Spottnamen sind: Bratengeiger, Giegengack (Bierfiedler), Pinkepank (Schmied), Gaugengigl (Narr, Geck).[43]

      Manche alte Bezeichnungen von Amt und Gewerben sind nur in diesen Familiennamen erhalten, da sie sonst, zugleich mit der bezeichneten Sache, erloschen sind — so Platner, Armbruster. Andere Gewerbe bestehen noch, aber die alten Namen sind erloschen, z. B. Menger = Händler, in Zusammensetzung Eisenmenger, Winkler = Kleinverkäufer, Preiswerk = Posamentier.

      Interessant sind auch die mundartlichen und landschaftlichen Verschiedenheiten, die sich hier geltend machen. So ist Müller, Miller die oberdeutsche, Möller die niederdeutsche Form; Beck (Mehrh. Becken) oberdeutsche Form statt des norddeutschen Becker (in Basel Pfister vom lat. pistor). Leiendecker