Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


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heißt am Mittel- und Niederrhein die Leie. Manches Handwerk hat infolgedessen die verschiedensten Bezeichnungen; so heißen die Schlächter: Fleischhauer, Fleischhacker, Fleischer, Metzger, Knochenhauer, Beinhauer; die Töpfer: Hafner, Potter, Eulner. Ebenso bedeuten Binder, Küfer, Böttcher, Büttner, Scheffler im wesentlichen dasselbe.

      Manche dieser Gewerbenamen sind außerordentlich häufig, vor allen die fünf:

      Müller, Schulze, Meier, Schmidt, Schneider,

      die man deshalb auch die fünf Großmächte in der Namenwelt genannt hat. Den vier ersten wird man diese Stelle nicht bestreiten; doch gegen Schneider als fünften möchten mehrere andere nicht ohne gute Aussichten in die Schranken treten, als da sind: Bauer, Becker, Richter, Weber, Lehmann. Zu Berlin gab es im Jahre 1867 nach Ausweis des Adreßbuches 929 Familien und alleinstehende Personen des Namens Müller und sogar 1267 des Namens Schulze (Schulz); nächstdem waren die Schmidt mit 884, die Meyer mit 509 Nummern vertreten. Die Lehmann und die Krüger brachten es gleichmäßig auf 474, die Richter und die Hoffmann ebenso gleichmäßig auf 354. Alle gehören ausnahmslos in diese Klasse, ihre Häufigkeit erklärt sich aus dem häufigen Vorkommen des betreffenden Gewerbes oder Amtes, besonders auch auf dem Lande. Das trifft bei sämtlichen oben angeführten Namen zu, vor allen bei Müller und Schulze. Da jedes Dorf (in Norddeutschland) seinen Schulzen hatte, fast jedes, wenigstens größere, seinen Müller, so war eine Überfülle daher entspringender, meist gleichlautender Familiennamen unvermeidlich.[44] Obenan steht in dieser Hinsicht unleugbar der Name Schulze (Schulz), den man deshalb versucht wäre kaum noch als Namen gelten zu lassen.

      Die hier hervortretende Einförmigkeit wird dadurch noch vermehrt, daß die Namen dieser Klasse an Sproßformen so arm sind. Deminutive Bildungen sowie patronymische fehlen fast ganz, auch genetivische, z. B. Schiffers, Snyders, Zimmermanns sind selten und finden sich nur in einzelnen Landschaften, besonders am Niederrhein.

      Eine Ausnahme macht der Name Schmid, der mehrfache Ableitungen, namentlich auch Deminutiva wie Schmiedecke, Schmidel, Schmidtlein bietet. Dies erklärt sich daher, daß der Name schon sehr früh vorkommt, schon im 9. Jahrhundert in den Formen Smithart, Smido, Smidilo; er gehört demnach zu den altdeutschen Personennamen, welche ja eine so große Umbildungsfähigkeit im Bereich der Schmeichelformen entwickeln (s. SMID). Nebst Kaufmann (althochd. Caufman) ist Schmid wohl der einzige vom Gewerbe entlehnte Personenname der altdeutschen Zeit. Das Schmiedehandwerk ist eben das älteste Handwerk der Deutschen; zugleich war es das vornehmste, da seine Aufgabe war, Waffen für den Kampf zu liefern. Mit den Namen berühmter Schwerter wurde auch der des kunstreichen Verfertigers fortgepflanzt, so die Namen Wielands (in der nordischen Wilkinasage), Mimes (in der Wölsungensage). In manchen Gegenden hat der Schmied noch einen mythischen oder heidnischen Schimmer behalten; vielleicht versteht er die Schwarzkunst; man zieht ihn zu Rate, wenn man bestohlen ist. Daher die zahlreichen Schmiedesagen (wie von dem Schmied zu Jüterbogk, der selbst den Teufel zu überlisten weiß und ihn auf dem Amboß übel zurichtet). Es liegt einmal etwas Geheimnisvolles in der Beschäftigung mit dem glühenden Stahl und Eisen.

      Wenn, von Schmied abgesehen, sich Sproßformen bei dieser Namenklasse selten finden, so sind dagegen Zusammensetzungen häufiger und ersetzen zum Teil den Mangel an eigentlichen Sproßformen. Um manche dieser Handwerksnamen gruppiert sich eine überraschende Zahl solcher Kompositen; dieselben rühren größtenteils daher, daß das betreffende Handwerk früher in weit mehr Spielarten zerfiel als heutzutage. So finden sich in Nürnberg von 1300–1500 neben Beck: Brodbeck, Fladenpeck, Schwarzpeck (Schwarzbrotbäcker), Tachspeck (später Täglichsbeck, der alle Tage backt), Judenpegk (der den Juden Matzen backt), Pfennigspeck (der Pfenniglaibe backt), Wasserbeck (der Wasserwecken backt).

      Obenan steht in betreff der Zusammensetzungen ohne Frage der Name Meier (Meyer, Maier), vom lat. major der Ältere, sodann Aufseher (eines Landgutes), Verwalter. Dieser Name, welchen einer der großen Sippe, Franz Meyer in Osnabrück, in einer besonderen Einzelschrift („Der Name Meyer und seine Zusammensetzungen“) behandelt hat, zählt weit über 1000 Zusammensetzungen, so daß schwerlich ein anderer Name dieser Klasse sich darin auch nur entfernt mit ihm messen dürfte.

       Werkzeuge und Kleidungsstücke.

      Eine nicht unwesentliche Ergänzung erhält diese Klasse durch die von Werkzeugen und Geräten entlehnten Namen. Womit jemand hantierte, danach wurde er benannt. So konnte einen tapfern Krieger der Name Degenkolb, einen Schmid der Name Boßhammer zieren (von boßen = schwer aufschlagen), wie für einen Koch Schaumlöffel sehr bezeichnend war. Pfeffersack ist ein alter Spottname für Kaufleute, während Knieriem und Leimpfann noch heutzutage für jedermann verständlich die betreffenden Handwerke bezeichnen.

      Unter den hierher gehörigen Familiennamen nehmen auf dem Gebiete der Hausgerätschaften die der Küche den größten Raum ein: Schaumlöffel, Kessel, Wiegelmesser, Fetthake (ein Hauptgerät der Küche des 15. Jahrhunderts), Feuerhake, Pfannstiel, Ölhafen u. a. — unter den Handwerksgeräten die, welche sich auf grobe Holz- und Eisenarbeit beziehen: Axt, Breitbeil, sowie die Zusammensetzungen mit Hammer.[45]

      Geräte der Feldarbeit erscheinen beispielsweis in: Schellpflegel, Pflug (Keil-), Rollwagen, Spannagel.

      Doch dieser friedlichen Vereinigung tritt auch hier sofort ein starkes Fähnlein kriegerischer Namen gegenüber: Eisenhut, Stahlhuth, Harnisch, Kempeisen (die Eisenkolbe der Gottesgerichtskämpfe), Bauerneisen, die berüchtigten Kirmeßspieße des 15.-16. Jahrhunderts, „mit denen die Bauern sich leichtlich zur Ader ließen“; einen Reitersmann bezeichnen: Klingspor, Holzsadel, den altertümlichen Pfeilschützen Armborst und Pfeil, während die Feuerwaffen in dem Namen Feuerrohr vertreten sind. Manche dieser Namen gehen zugleich auf die Jagd.

      Entsprechend dem Goetheschen „Saure Wochen, frohe Feste“ schließt sich ein heiterer Reigen solcher Namen an, die von Lustbarkeiten und dabei gebrauchten Geräten entlehnt sind.

      Danzglock, Schombart (Maske), Glückrad, Kranz, Maikranz und Grünemay, Rosenkranz, Kuttruf (eines der im 15.-16. Jahrhundert äußerst zahlreichen Trinkgefäße). Diese Namen stammen besonders aus Süddeutschland, wo überhaupt mehr leichtlebiger Frohsinn als im Norden herrscht und wo frühzeitig schon im Mittelalter auch ein freier Bauernstand sich bildete. Einen Beleg für die Blüte des letzteren haben wir in der höfischen Dorfpoesie des bayrischen Ritters Neidhart von Reuenthal.

      Hierher rechnet Vilmar auch die Münznamen, deren er volle 20 aufzählt. Darunter sind freilich manche zu streichen, wie Dreier, welches die niederdeutsche Form für Dreher, Drechsler ist; auch Schilling und Heller sind zweifelhaft zu nennen. Doch bleiben immer noch einige übrig, wie Weißpfennig, Redepenning (barer Pf.), Wucherpfennig und dessen Gegenteil Schimmelpfennig, Fünfschilling, bei denen eine Beziehung auf die betreffenden Münzen nicht abzuweisen ist.

      Den Geräten mögen sich die Kleidungsstücke anreihen, wie denn schon bei Namen wie Eisenhut, Harnisch sich beides nicht scharf trennen ließ.

      Eine Benennung nach einem auffälligen Kleidungsstücke, welches jemand trägt, ist auch für uns noch etwas Naheliegendes und Gewöhnliches. So sprechen wir von Grünröcken (Jägern),[46] Rotröcken (roten Husaren — englischen „Rotröcken“), Schwarzröcken, von Weißmänteln und Rotmänteln.[47]

      Fangen wir mit der Kopfbedeckung an, so haben wir hier vor allem die Zusammensetzungen mit Hut: Webelhut (d. i. Wackelhut), Weißhut, Grünhut, Spitzhut; vereinzelter Wittkugel (weiße Gogel oder cucullus, eine Kaputze, an einem Kragen desselben Stoffes befestigt, der Schultern und Hals