Hahn, welches hier doch nur Zusammenziehung aus Hagen ist, oder indem der Name eines Tieres, einer Pflanze ohne weiteres, ohne Anhängung einer Endung, auf einen Ort übertragen wurde. Es tritt an diesem Punkte ein Mangel in der Namengebung hervor, da viele Bezeichnungen unterschiedslos als Personen- wie als Ortsnamen dienen, z. B. Baum, Habicht, Kranz, Nagel, Wohlgemuth. Daher ist hier besondere Vorsicht geboten, und es ist in solchen zweifelhaften Fällen jeder Name möglichst durch Einzeluntersuchung klarzustellen.
Leichter sind diejenigen Familiennamen zu erkennen, welche durch Ableitung von Ortsnamen gebildet sind, und zwar mittels der Endung er wie: Eppinger, Meißner.[66] Diese Bildungsweise hat jedoch geringere Verbreitung und ist hauptsächlich oberdeutsch. So gehören bei Fröhner (Karlsruher Namenbuch) unter etwa 100 von Orten hergeleiteten Familiennamen zwei Drittel hierher, während in Hoffmanns hannöverschen Namenbuche unter etwa 300 derartigen Namen sich (abgesehen von den neueren jüdischen) kaum 10 finden, und diese erklären sich durch oberdeutschen Zuzug.[67]
Die meisten der auf S. 54 f. aufgeführten Endungen bilden Familiennamen dieser Art, wobei sich durch Hinzutreten des Umlautes aus manchen zwei Formen entwickeln, so aus -dorf: -dorfer und -dörfer, aus -bach: -bacher und -becher. Demnach haben wir
-auer: Kronauer;
-bacher (-becher): Speckbacher — Isselbecher;
-berger: Frankenberger — Reichensperger;
-brücker (-brugger): Haarbrücker — Moosbrugger;
-burger (-bürger): Waldburger — Waldbürger;
-dorfer (-dörfer): Rudorfer — Harsdörfer;
-ecker (-egger): Bernecker — Buchegger;
-felder: Hirschfelder;
-hauser (-häuser): Steinhauser — Steinhäuser;
-heimer: Sinsheimer;
-hofer (-höfer): Frauenhofer — Sandhöfer;
-inger: Ehinger;
-reuter: Vogelreuter;
-röder: Blumröder;
-städter: Hochstädter;
-steiner: Buchsteiner;
-thaler (-thäler): Reinthaler — Lichtenthäler.
Dagegen erweisen sich -hagen, -leben, -see, -wald u. a. für Bildungen dieser Art wenig fruchtbar, was sich zum Teil daher erklärt, daß die betreffenden Ortsnamen in Süddeutschland nicht üblich sind. So ist -leben auf Thüringen und das nördliche Schleswig beschränkt, -borstel und -bostel auf das nordwestliche Deutschland (Hannover).
In die Lücke treten dafür einige andere Endungen, welche Süddeutschland eigentümlich sind, namentlich
-kofer: Zollikofer;
-öder (-eder): Ameisöder — Hocheder (Leute, die in einer „Öde“ wohnen).
Die Namen dieser Gattung zeichnen sich, wie aus den mitgeteilten Beispielen hervorgeht, durch ihre Länge aus, da sie meist dreisilbig, zum Teil sogar viersilbig sind. Doch gibt es auch zweisilbige in Menge, von Ortsnamen, die nur aus einer Silbe oder auch aus zweien bestehen, abgeleitet, wie Ulmer, Wiener, Lindner (vom O. Linden).
So haben wir denn eine dreifache Weise, Familiennamen von Ortsnamen zu bilden; alle diese drei Formen finden sich z. B. in dem berühmten Baseler Drucker- und Gelehrtengeschlechte der Amerbach, welche in den alten Zunftlisten auftreten als von Amorbach, Amerbach, Amerbacher.
Für viele Familiennamen, die offenbar Ortsnamen sind, läßt sich der entsprechende Ort nicht mehr nachweisen. Gar viele Ortschaften sind in den Stürmen der Zeiten untergegangen; so nach Förstemann in der Umgegend von Nordhausen an hundert im Umkreise weniger Stunden, und Hoffmann von Fallersleben bezeichnet in dem „Kasseler Namenbüchlein“ unter 120 hessischen Ortschaften 30, also den vierten Teil, als nicht mehr vorhanden (auf Grund der „Historisch-topographischen Beschreibung der wüsten Ortschaften im Kurfürstentum Hessen“ von Dr. Landau). Die großen Seuchen des Mittelalters, die verheerenden Kriege früherer Zeiten erklären dies zum großen Teile. Doch gingen auch vielfach kleine Ortschaften in eine große Stadtgemeinde auf, die sie mehr zu schützen vermochte.[68]
Wenn aber auch der Ort noch vorhanden ist, so decken sich doch dessen Name und der daher entlehnte Familienname heutzutage keineswegs immer. Das darf nicht überraschen; denn indem beide Jahrhunderte lang selbständig und meist ohne gegenseitigen Zusammenhang fortbestanden und sich entwickelten, konnte es nicht ausbleiben, daß hin und wieder der eine Wandlungen erfuhr, die der andere nicht mitmachte. So weist für die Familiennamen Birkenhagen und Eschenhagen auch Rudolphs „Vollständigstes Ortslexikon“ keine vollkommen entsprechenden Ortsnamen nach, sondern nur Birkenhain und Eschenhahn; beides aber, hain und hahn, sind Zusammenziehungen aus hagen (s. Förstemann, Die deutschen Ortsnamen S. 57). Es hätten somit in diesem Falle die Familiennamen die ältere, ursprüngliche Form bewahrt. Dasselbe gilt von Meixner statt Meißner, von Zollikofer (aus Zollikon am Züricher See, urspr. Zollinc hovun „zu den Höfen des Zollinc“).
Sehr viel Familiennamen, besonders im östlichen Deutschland, sind von slawischen Ortsnamen entlehnt und sollen später eine genauere Darstellung finden (s. Beilage 3 und das Namenlexikon).
Eine besondere Abteilung in dieser Klasse bilden die
Adelsnamen,
die ja, soweit ursprünglich und echt, fast sämtlich von Ortsnamen abgeleitet sind, z. B. von Falkenstein, von der Asseburg. Doch ebenso alt ist die schon erwähnte Ableitung auf er: der Bodensteiner, der Toggenburger. So nennt sich Hartmann (im 13. Jahrhundert) bald „der von Ouwe“, bald „der Ouwaere“. So wird noch im Tell der Freiherr von Attinghausen von dem Hirten in der ersten Szene „der Attinghäuser“ genannt.
Jetzt ist die präpositionale Bezeichnung allgemein durchgedrungen und zwar die mittels des Verhältniswortes von, welche die andern in den Hintergrund gedrängt hat und als Kennzeichen des Adels schlechthin gilt.
Wie aus obiger Darstellung erhellt, hat dieses von einen Sinn nur vor Ortsbezeichnungen, und es ist eine Verirrung, auch Namen anderer Art, ursprünglichen Personennamen, Handwerksnamen usw. es vorzusetzen. Von Hermann, von Schmidt, von Schulz u. dergl. ist sprachlich entschiedener Nonsens, und daß man in hunderten von Fällen ein von so ganz äußerlich anheften konnte, ist ein unleugbarer Beweis von erloschenem Sprachgefühl.
Ein Rest dieses Gefühles hat sich in Österreich erhalten; aber wie hilft man sich dort? Man bildet (wie schon in den Zeiten des alten deutschen Reiches)[69] aus dem bisherigen Familiennamen des zu Adelnden durch Anhängung von -feld, -burg, -thal usw. einen Ortsnamen, unbekümmert darum, ob es einen solchen Ort in der Welt gibt oder nicht, also: Kuhn von Kuhnenfeld, Planck Edler von Planckburg, Braun von Braunthal — lauter Namen, welchen man es sofort ansieht, daß sie nichts als Phantasiegebilde sind.
Besser ist in dieser Hinsicht eine Namengebung wie: Schubert, Edler von dem Kleefelde (wegen seiner Verdienste um den Kleebau geadelt, Pott, Personennamen S. 3), und Escher von der Linth, wie der Staatsrat Escher wegen Regelung des Laufes der Linth und Austrocknung der durch diesen Fluß gebildeten Sümpfe auf Beschluß des kleinen Rates von Zürich genannt wurde. („Die Staatskanzlei sei beauftragt, künftig in allen betreffenden öffentlichen Schriften den verewigten hochverehrten Herrn Staatsrat Hans Konrad