Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


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indem einfach die bis dahin geführten Personennamen zu Familiennamen gestempelt wurden: Abraham, Jakob, Moses, Simon; auch patronymische Ableitungen hebräischer Namen: Jakoby, Jakobson (entsprechend dem hebräischen ben, welches in Benary „Löwensohn“ erscheint).

      Doch in der Mehrzahl wurden neuhochdeutsche Namen gewählt, zunächst Bezeichnungen von Eigenschaften, natürlich guten: Edel, Freundlich, Treu — sodann Tierbenennungen: Hirsch, Wolf, Adler, meist wohl mit Rücksicht auf die Bedeutung, welche denselben im Alten Testamente beigelegt wird[76] — jedoch mit besonderer Vorliebe Ortsbezeichnungen: Cassel, Falkenstein; häufig mit der Ableitungsendung er: Friedländer, Wronker, Exiner, Meseritzer. Diese Namen weisen großenteils nach dem Osten, nach Westpreußen und Posen.

      Eigentümlich ist hierbei die Vorliebe für schönklingende Namen, Zusammensetzungen nicht nur mit Gold[77] und Silber — sondern auch mit Löwen, mit Rosen, Lilien und Veilchen: Löwenstamm und Löwenthal, Rosendorf und Rosenberg, Lilienthal, Veilchenfeld u. ähnl. Woher diese prächtig klingenden Namen, welche zu den die jüdische Namengebung beherrschenden gehören? Ist es noch ein Nachklang jenes poetischen Sinnes, der sich einst in den Dichtungen des Alten Testamentes kundgegeben, ein Stück von dem Farbenreichtum des Morgenlandes nach dem Abendlande verpflanzt? Oder ist es nur das Bestreben, wie die Ware so auch den Namen möglichst herauszuputzen, durch schönes Etikett Reklame zu machen?[78]

      Dabei wird nun nicht gefragt, ob derlei Ortsbezeichnungen auch in Wirklichkeit vorkommen; diese Lilienthal, Veilchenfeld usw. sind großenteils rein erdachte Namen, wie auch Cohnfeld und Cohnheim, Aronsbach, Lewinthal — denn wo gäbe es in Deutschland Orte dieses Namens? Es gleichen diese scheinbaren Ortsnamen trügerischen Luftspiegelungen, die bei der Annäherung zerrinnen.

      Hingegen treten zurück die altdeutschen Namen, die kirchlichen und, was besonders bezeichnend ist, auch die Handwerksnamen.

      Im ganzen hat die jüdische Namengebung etwas Gemachtes, Künstliches, was allerdings teilweis mit der Art ihrer Entstehung zusammenhängt.

      In Österreich standen zu Ende des 18. Jahrhunderts besonders die Juden Ungarns, Galiziens und der Bukowina auf einer tiefen Stufe, sie kannten das Bedürfnis nach Familiennamen gar nicht und hielten an dem alten orientalischen Brauche fest, nach welchem jeder bloß mit dem eigenen Personennamen (und dem des Vaters) benannt wurde. Rücksichten der Verwaltung, der Steuererhebung und Rechtspflege forderten Beseitigung solcher Zustände. Darum beauftragte Joseph II. seinen Hofkriegsrat, binnen zweier Jahre die nötigen Maßregeln durchzuführen. Zu dem Ende wurden nun Kommissionen von Offizieren ernannt. Ein panischer Schreck fuhr in die Juden, welche besonders vor dem Militärdienste wahre Todesangst empfanden und einen Abscheu vor den „heidnischen“ Namen hatten, die sie neben ihren „heiligen“ hebräischen tragen sollten.

      Zunächst konnten die Juden ihre Familiennamen selbst wählen. Da sie sich aber vielfach hartnäckig ablehnend verhielten, so blieb den Kommissionen nichts anderes übrig, als selber ihnen Namen zu erteilen. Dabei war vorgeschrieben, solche Namen zu wählen, die möglichst große Besonderheit hätten; auch sollten die Kommissionen viele Familiengruppen bilden und wiederholte Wahl desselben Namens in ihrem Bezirk vermeiden. Außerdem spielten Soldatenwitz und Schneid, auch wohl der Ärger über mißglückte Erpressungsversuche eine große Rolle. So kamen denn wunderbare Namengebilde zum Vorschein, als da sind: Wohlgeruch, Veilchenduft, Schöndufter; Armenfreund, Wohlthäter, Weisheitsborn; Geldschrank, Smaragd; Singmirwas, KüssemichLadstockschwinger, Pulverbestandtheil, Maschinendraht, Nußknacker, Schulklopfer, Reinwascher; Temperaturwechsel, Maulwurf, Nachtkäfer, RebenwurzelNotleider, Hungerleider; Schnapser; Eselskopf, Ochsenschwanz, Drachenblut; Stinker, Kanalgeruch; Galgenvogel, Galgenstrick, Taschengreifer, Hirschtödter, Wanzenknicker, Saumagen, Groberklotz u. a. m.[79]

       Französierungen, Polonisierungen und andere Metamorphosierungen der Neuzeit.

       Inhaltsverzeichnis

      Die in Kap. 16 geschilderten Latinisierungen fanden eine bemerkenswerte Fortsetzung in der neuesten Zeit. Das infolge der traurigen staatlichen Verhältnisse gesunkene Nationalgefühl der Deutschen hatte schon seit dem Dreißigjährigen Kriege eine bei andern Völkern unerhörte Schwäche hervortreten lassen, die sich in Mißachtung des Heimischen und Überschätzung alles Fremden kundgab.[80] Daher in der Literatur die sklavische Nachahmung fremder Muster, in der Sprache die Überschwemmung mit fremden, namentlich französischen Wörtern. Auf einzelnen Gebieten überwunden trat diese einmal vorhandene Schwäche und Krankheit wieder in andern Symptomen hervor — neuerdings in der Unsitte, in fremden Landen seinen deutschen Namen zu entdeutschen, zu französieren, polonisieren, madjarisieren, wie es gerade kommt.

      So werden denn in Frankreich die Namen verfranzöselt:[81] ein Solger nennt sich Saulier, ein Nagler — Naguiller, ein Witzel — Ficelle, ein Kleemann — Clément und ein Vogler schämt sich seines schönen deutschen Namens, nicht Vogler mehr — er wohnt ja in Paris — nein, Fouclair! mag auch das Französisch, welches er spricht, noch recht sehr seine Abstammung aus Deutschland, vielleicht speziell aus Thüringen verraten.

      Besonders ungerechtfertigt und tadelnswert ist es, wenn dergleichen in Deutschland selbst geschieht, wenn sich z. B. ein Dessauer — Dessoir nennt, um durch diesen aufgehefteten französischen Lappen seinem Namen ein vornehmeres Aussehen zu geben, oder wenn echt deutsche Namen mit französischen Accenten versehen werden: Nägelé, Schultsé (!), Salingré, Ledérer.

      Während diese Französelei sich häufig bei Schauspielern findet, veritalienern sich Sänger und Sängerinnen: der Schwabe Stiegele in Stighelli, die Sängerinnen Crüwell in Cruvelli, Röder in Rodani (!) — als ob Deutsche nicht singen könnten und alles, was gut singt, aus Italien herstammen müßte.

      Wie im Westen die Namen französiert werden, so werden sie im Osten polonisiert. Ein Feldmann benamset sich klangvoller Feldmanowski, ein Krauthofer zunächst Krauthofski, dann aber, damit doch ja nicht eine Faser einer deutschen Kohlrübe an ihm hängen bleibe: Krótowski. Wird keine polnische Endung angehängt, so muß wenigstens die Schreibung eine polnische sein: Szuman (Schumann), Szrajber (Schreiber), Szulc (Schulz).[82]

      Man sollte dergleichen nicht für möglich halten, da die polnische Nation doch in geringerer Achtung steht (s. „polnische Wirtschaft“, „polnischer Reichstag“) und die deutsche sich stets überlegen gezeigt hat, und doch geschieht es. Hieraus erklärt sich zum Teil das erneute Vordringen des Slawischen in manchen östlichen Bezirken Preußens. Es wäre nicht möglich gewesen, wenn die Deutschen in polnischer Umgebung die Fahne ihrer Nationalität immer hochgehalten hätten, wenn sie nicht in jämmerlicher Schwäche ihr Deutschtum verleugnet, ja zum Teil sich den Polen im Kampfe gegen ihr Vaterland, gegen deutsche Sprache und Nationalität angeschlossen hätten. So weigerte sich ein Gutsbesitzer Arndt (!) bei Gnesen, an einer in deutscher Sprache geführten Gerichtsverhandlung teilzunehmen, weil er — ein Pole sei. Entartete Deutsche sind vielfach gerade die Vorkämpfer der Polen und Tschechen.

      In Österreich schließen sich an die Slawisierungen deutscher Namen in den slawischen Landstrichen Madjarisierungen in Ungarn. Die öffentlichen Blätter haben in neuerer Zeit häufig lange Listen österreichischer Staatsbürger gebracht, denen auf ihren Antrag Madjarisierung ihres Namens bewilligt worden. Am bekanntesten unter diesen Talmi-Madjaren ist der berühmte Reisende Vambéry, dessen Name nichts weiter ist als eine Verdrehung aus Bamberger. Ähnlich hat sich ein Hundsdörfer in Hunfalvy, ein Benkert in Kertbeny, ein Schedel in Toldy umgewandelt, der dann als Sekretär der ungarischen Akademie der Wissenschaften im ungarischen Unterrichtsrate