Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


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Entwickelung, in durchaus gesunder Weise eine fast ebenso große Fülle bürgerlicher Namen, hergenommen von Amt und Handwerk, von Geburts- und Wohnort. Freilich hat sich der Schwung des heroischen Zeitalters ermäßigt, der poetische Blütenstaub ist abgestreift. Dafür tritt zum Ersatz der Witz, die scherzende und spottende Laune ein, die sich am glänzendsten in den Satznamen offenbart.

      Ein Mangel allerdings gibt sich hier sehr bald kund: die zu häufige Wiederkehr mancher Namen, besonders der vom Handwerk entlehnten, wogegen anderseits auch ein Fernhalten von leerem Prunk anzuerkennen ist.[73]

      Nicht so günstig kann das Urteil in betreff der Form ausfallen.

      Hier ist vor allem zu beklagen, daß die klangvollen Namen der ersten Schicht, wie Hildebrand, Rüdiger, Landolf durch spätere Verkürzungen und Verkleinerungen doch sehr gelitten haben, so daß eine Menge überkurzer, einsilbiger, klangloser Namen entstanden ist: Eck, Sietz, Lemm, Thie, Deetz usw. Hierher gehören auch viele zweisilbige, insbesondere die niederdeutschen auf ke: Gefke, Gehrke, Reetzke, Zielke, denen die süddeutschen auf l entsprechen: Dietl, Atzl, Datzl, Hutzl.

      Voller tönende Namen finden sich unter den von Ortsbezeichnungen entlehnten: Frankenstein, Reinthaler, Rudinger u. a. — und diese bilden jetzt die Hauptmasse der längeren, mindestens dreisilbigen Familiennamen. Manche, viersilbige, haben sogar zuviel Gewicht und etwas Schleppendes, wie: Albrechtsberger, Koberlechner.

      Außerdem fällt eine Härte in den konsonantischen Verbindungen, z. B. in Hitzke, Kratzke, Nitzschke, vielfach unangenehm ins Ohr.

       Latinisierungen.

       Inhaltsverzeichnis

      Unter den auf S. 62 erwähnten späteren Zutaten treten hervor die Latinisierungen.

      Im Ausgange des Mittelalters und besonders nach der sonst so erfreulichen Wiederbelebung der klassischen Studien im 15. und 16. Jahrhundert wurde es Sitte bei den Gelehrten und studierten Fürstendienern, auch ihre Namen in das Antike zu übersetzen. Ein Beispiel haben wir unter anderm an dem Dr. juris Olearius in Goethes Götz in der Tafelszene des ersten Aufzuges:

      Liebetraut: Ihr seid von Frankfurt? Ich bin da wohlbekannt. — Euer Name ist Olearius? Ich kenne so niemanden.

      Olearius: Mein Vater hieß Ölmann. Nur den Mißstand auf dem Titel meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nennt’ ich mich nach dem Beispiel und auf Anraten würdiger Rechtslehrer Olearius.

      Liebetraut: Ihr tatet wohl, daß ihr euch übersetztet. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande; es hätt’ euch in eurer Muttersprache auch so gehen können.

      Olearius: Es war nicht darum.

      Liebetraut: Alle Dinge haben ein paar Ursachen.

      Die Grundursache war eben die leidige Nachahmung oder vielmehr Nachäffung des Fremden. Es sollte das alte Römertum wieder erweckt und alles möglichst auf römischen Fuß gebracht werden. So wurde das heimische Recht durch das römische Corpus juris verdrängt, und auch die deutsche Muttersprache suchte man als eine barbarische, wofür sie den Gelehrten galt, möglichst zu verdrängen und auszurotten, zunächst in den gelehrten Schulen, damit die lateinische ganz an ihre Stelle träte. Man betrachtete es als einen großen Vorzug der römischen Kinder, daß sie von kleinauf Latein sprachen und mit Lateinsprechenden umgingen, und bedauerte die armen deutschen Kinder, die nicht schon von den Ammen und beim Spielen auf den Gassen lauter Latein hörten. Den Lehrern wie den Schülern war darum alles Deutschsprechen untersagt; Spielen ward unter der Bedingung erlaubt, daß auch dabei nur Latein gesprochen würde. So hoffte man die „barbarische“ Muttersprache wenigstens aus den Schulen bald auszutreiben. In diesen traurigen Anschauungen und Bestrebungen kamen der Straßburger Lehrplan des Joh. Sturm, der württembergische des Herzogs Christoph und der der Jesuiten überein. Es war eben allgemeine Zeitrichtung.

      Daher darf es nun nicht wundernehmen, wenn im Kreise der Gelehrten die Namen so eifrig verlateint wurden und man sich wenigstens hierin zu Römern zu lügen suchte. Ein Lutz nannte sich Lucius, ein Kurz: Curtius, ein Köpflin: Capito, ein Crachenberger: Pierius Gracchus — ein Fischer übersetzte sich Piscator, ein Habermann: Avenarius — mit Zuhülfenahme des Griechischen ein Holzmann: Xylander, ein Becker: Artopoeus, ein Hausschein: Oecolampadius.

      Während die vergriechten Namen, fast ausnahmslos zusammengesetzt, durch ihre Länge ins Ohr fielen, indem sie mindestens dreisilbig, oft aber vier-, fünf-, ja sechssilbig sind: erschienen die einfachen lateinischen Namen in ihrer Kürze noch zu kahl; mindestens mußte den zweisilbigen wie Sartor, Pistor noch eine Endung gleichsam als Schleppe angehängt werden, um die Würde ihrer pedantischen Träger recht zu bezeichnen, also: Sartorius, Pistorius.

      In jenen Zeiten bestimmte zuweilen der unreife und phantastische Einfall eines unbärtigen Literaten auf Jahrhunderte den Familiennamen seines Geschlechtes. So war, nach Vilmar, ein gewisser Mosmann der Sohn eines Schmiedes zu Gemünden an der Wohra; da ihm aber einige lateinische Verse gelungen waren, so konnte er nicht mehr Mosmann heißen, sondern nahm den lateinischen Namen für das Gewerbe seines Vaters an: Faber. Indes das drückte doch nicht den poetischen Schwung aus, den der angehende Virgil in sich fühlte, und so nannte er sich denn Fabronius, welches bedeuten sollte Faber Aonius, d. i. Musenschmied, und diesen Namen behielten seine Nachkommen bei. Seine Landsleute waren Helius Eobanus Hessus und Euricius Cordus, von denen bei ihren hochpoetisch klingenden Namen niemand mehr weiß, wie sie recht geheißen haben.

      So entstanden die wunderlichsten und abenteuerlichsten Namengebilde, z. B. Osiander aus Hosemann, Chiomusus aus Schneesing, Eucharius aus Eckhard, Chelopoeus aus Kistemaker, Namen, die jetzt schwer zu enträtseln sind oder gar nicht mehr, wie Chesnecophorus. Auch übellautende Mißbildungen, wie Gueinzius, Heineccius, Cocceji[74] setzten sich fest.

      Diese Latinisierungen wucherten am meisten da, wo eben die vorhin geschilderte, sog. humanistische Richtung besonders blühte, also namentlich in Sachsen, in der Pfalz, in Basel, vor allem aber am Hofe des hessischen Landgrafen Philipps des Großmütigen.

      Manche kehrten von den Pistorius, Episcopius, Melissander ihrer Väter zu den Becker, Bischoff, Bienemann ihrer Großväter zurück; andere aber behielten die bunten lateinischen und griechischen Namen bei, wenn sie sich auch nicht auf der wissenschaftlichen Höhe ihrer Vorfahren behaupten konnten, und so finden wir diese Fremdnamen gegenwärtig noch überall in Deutschland.[75]

      

      Jetzt bekommt diese Namenklasse glücklicherweise keinen Zuwachs mehr. Nur einige Stockphilologen haben es in neuerer Zeit noch nicht lassen können, Namen in dieser Weise für ihre Zwecke zu antikisieren: Öhler in Olearius, Sillig in Siligius. Doch gründlicher verfuhr hierin Reisig. Dieser Gelehrte, der jedesmal, wenn er glaubte eine glückliche Konjektur gemacht zu haben, dies der Welt durch Trompetenstoß von dem Boden seiner Wohnung aus verkündete, leistete auch Entsprechendes auf dem Gebiete der Antikisierung, besser gesagt, Entstellung der Namen. So verwandelte er Wunderlich in Vunderilicus, Poppo ganz unnötigerweise in Pomponius, Mitscherlich gar in Midoscherilix, als wäre dieser Horazerklärer des 19. Jahrhunderts einer von den Keltenhäuptlingen des alten Galliens, gleich den Viridovix und Vercingetorix.

       Jüdische Namen.

       Inhaltsverzeichnis

      Am spätesten haben die Juden sich dazu verstanden, Familiennamen anzunehmen; meist wurden sie erst durch die Gesetzgebung, in Österreich unter Joseph