Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


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noch des lebendigen Wirkens des Vollendeten erfreute, von der öffentlichen Meinung aufgefaßt und von Mitbürgern und Eidgenossen übereinstimmend geübt ward.“)

      Häusernamen.

      Wenn in manchen Geschlechtsnamen, z. B. Amthor, die Bezeichnung der Lage des Hauses entnommen ist, so entspringt sie auch sehr häufig aus dem Namen des Hauses selbst. Denn jene alte Zeit war, wie Becker S. 20 treffend bemerkt, so jugendfrisch, daß sie allen Dingen, wie Adam im Paradiese, gleich einen lebendigen Namen zu geben wußte, nicht nur Burgen, Höfen und Straßen, sondern auch den Häusern.[70] Wir begnügen uns jetzt mit einer toten Nummer und Littera, während nur die Straßennamen noch fortdauern. An einzelnen Orten sind freilich auch diese wenigstens vorübergehend abgeschafft, z. B. in Mannheim, wo es statt dessen bis vor kurzem armselige Häuserquadrate A, B, C usw. gab, und jenseit des Ozeans bei den nüchternen, poesielosen Yankees, die da bloß zählen 1. 2. 3..... Avenue.

      Im Mittelalter dagegen führten auch die Häuser Namen, und zwar benannte der Erbauer oder Besitzer eines Hauses dasselbe entweder nach seiner alten Heimat — so hieß das Haus, in welchem der Dichter Konrad von Würzburg (s. S. 54) in Basel wohnte, Würzburg, andere zum Mailand, zum Venedig — oder nach Tieren, Pflanzen, Geräten, namentlich nach Geräten oder Erzeugnissen eines Gewerbes oder Dingen, die mit dem Berufe des Erbauers irgendwie zusammenhingen.

      Diese Häusernamen nun wurden nicht angeschrieben, sondern dem lese-unkundigen Volke zu nutz wurde der im Namen enthaltene Gegenstand angemalt oder auch in einem Holz- oder Steinbild am Hause angebracht.[71]

      Reste dieser Sitte sind die noch jetzt üblichen besonderen Benennungen und Bezeichnungen der Gasthäuser und Apotheken, auch der Logierhäuser in Bädern. Im übrigen haben sich nur einzelne dieser Namen und Bilder bis in die Gegenwart erhalten. So heißt in Leipzig noch jetzt ein schönes, hohes Haus auf dem Neumarkte „die hohe Lilie“ (Pröhle), ein Haus in Erfurt „zum Rebstocke“, ein anderes in Stettin „die weiße Taube“.

      An diese Benennungen knüpfen sich häufig sagenhafte Erzählungen, welche die Veranlassung und Bedeutung derselben zu erklären suchen. Einige teilt Pröhle in seinen „Deutschen Sagen“ mit:

      „Zu Erfurt sah einst ein Schäfer in seinem Garten einen Bock und ein Schaf an einem Rosenstocke stehn. Das Schäfchen aber scharrte mit seinem Fuß etwas Geld aus der Erde. Da grub der Schäfer nach und fand so viel Geld, daß er davon drei schöne Häuser bauen konnte. Er nannte aber das erste Haus „zum güldenen Schafe“, und es ist daran auch ein Schaf in Stein zu sehen, das andere „zum Rosenstock“ und das dritte „zum schwarzen Bock“.

      Geschichtlicher sind nach allem Anscheine die Angaben über das oben erwähnte Haus „zum Rebstock“, welches von Otto v. Ziegler im 15. Jahrhundert erbaut worden. „Dieser reiste 1447 zum heiligen Grabe und in die 18 Königreiche. Er brachte aus dem heiligen Lande einen großen merkwürdigen Rebstock mit, und als er 1451 zu Erfurt in der Futtergasse ein schönes Haus als Stammhaus erbaute, nannte er es „zum Rebstock“. Oben an dem Hause standen auf steinernen Platten die Wappen der 18 Königreiche gemalt,[72] wodurch der Otto v. Ziegler gereiset. Auch ward der Rebstock, den er mitgebracht hatte, daran abgebildet und außerdem in seiner Familie aufbewahrt“ (Pröhle, Deutsche Sagen neue Ausg. S. 248 ff.).

      Ähnlich über ein Haus in Würzburg in der Dominikanergasse, welches den Namen „zum roten Hahn“ führt: Auf das Dach desselben wurde von den Leuten des Wilh. Grumbach nach Überrumpelung der Stadt Würzburg ein roter Hahn gesetzt und das Haus angezündet. Der rote Hahn krähte (d. h. die Flamme prasselte) und flog von einem Dache zum andern. Nach seiner Wiedererbauung erhielt das Haus den Namen „zum roten Hahn“ (Pröhle a. a. O. S. 237).

      Aus diesen Hausnamen und -Bildern sind nun eine Menge Familiennamen entstanden. So führt Becker aus älterer Zeit unter andern folgende an: aus Köln 1116 zum Saphir, 1178 Lembechen (Lämmchen), 1219 von Gürzenich, 1256 van me Kranen (vom Kranich), 1262 van me Hane; aus Basel: 1255 Waltherus ad Stellam, zum Sternen, 1262 Anselm zer Tannen; später zer Sonnen, zer Rosen, zem Haupt, zem Tracken (Drachen) usw. Wie hieraus ersichtlich wurden diese Hausnamen vorzugsweis aus der Tier- und Pflanzenwelt gewählt, und daher erklärt sich zum guten Teile der Umstand, daß jetzt so manche Familiennamen nichts anderes als eben Tier- und Pflanzennamen sind. Der Hausname wurde auf den Besitzer übertragen, ursprünglich wie andere Ortsbenennungen mit einem Verhältnisworte: von oder zu, welches später abfiel. Einen Beweis für diese Entwickelung bietet unter anderem der Familienname Molfenter, aus zum Olfenter (Kamel), wo das m von der Vorsetzsilbe noch stehen geblieben ist.

      Besonders reichliche Beiträge zur Bezeichnung menschlicher Geschlechter haben unter den vierfüßigen Tieren gegeben: Schaf und Ziege, Rind, Wolf, Fuchs und Hase, nächstdem Hirsch und Reh (Rehbein, Rehfuß) — unter den Vögeln außer dem allgemeinen Vogel nebst seinen Zusammensetzungen (Brachvogel, Schreivogel) die Raubvögel: Adler, Geier, Falk, außerdem Gans und Hahn. Innerhalb des Pflanzenreichs überragt die Königin der Blumen, die Rose, die andern auch hier, zumal in mannigfachen Zusammensetzungen (Rosenblüt, Rosenstiel, Rosenstock, Rosenzweig).

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      Hiermit schließen wir diese Übersicht. Wie uns die Personennamen unserer germanischen Altvordern das kampfdurchtobte, waffenfreudige Leben und Treiben derselben vor Augen führen, so spiegeln die dem spätern Mittelalter entsprossenen Familiennamen die bunten Erscheinungen mittelalterlichen Lebens wieder. Die Bilder der Raubritter, der „frummen“ Landsknechte, der teils gedrückten, teils übermütigen Bauern, besonders aber der ehrsamen Bürger in Werkstatt und Rat, in Singschule und Trinkstube werden durch diese Namen vor unsere Augen gezaubert.

      Wenn die Geduld des freundlichen Lesers uns bis hierher gefolgt ist, so wird derselbe nunmehr wenigstens in den Grundzügen ein Bild der deutschen Familiennamen erhalten haben. Es mag dieses einem buntgewirkten Teppich gleichen, in welchem die altdeutschen und die kirchlichen Namen den Aufzug, die bürgerlichen Bezeichnungen den Einschlag bilden. Damit ist im wesentlichen die Sache abgeschlossen; was später etwa noch hinzukommt, kann den Grundcharakter der deutschen Namengebung nicht ändern, es dient nur dazu, hie und da noch einen neuen Faden in das Gewebe einzufügen, es noch ein wenig bunter zu machen.

       Würdigung der deutschen Familiennamen nach Gehalt und Form.

       Inhaltsverzeichnis

      Nach ihrem innern Gehalt ist die deutsche Namengebung alles Lobes würdig.

      Die Grundlage bilden die altdeutschen Heldennamen mit ihrem schönen, idealen Gepräge und in ihrer reichen Fülle, mit einer verhältnismäßig nicht bedeutenden Beimischung