Albert Heintze

Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich


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Haro (von hari d. i. Heer).[55] Andere bedeuten allerdings Körperteile, sind aber durch Häuserzeichen vermittelt (s. weiterhin).

      Mit viel größerer Sicherheit gehören hierher die zusammengesetzten Benennungen, unter denen besonders häufig sind die Komposita mit Haupt und Kopf, mit Haar und Bart, mit Bein und Fuß. Die Beschaffenheit und Form des Kopfes, wie anderseits die des Fußes, die Farbe und Beschaffenheit des Haares und Bartes, weil ja am meisten in die Augen fallend, wurde vorzugsweise bezeichnet.

Haupt: Breithaupt, Rauchhaupt (= Rauh-), Wollenhaupt.
Kopf: Großkopf, Breitkopf, Wittkopf (niederd.).
Haar: Flachshaar, niederd. Flashaar, Geelhaar (= Gelb-), Weißhaar.
Bart: Rothbart, Spitzbart, Weißbart.
Bein: Einbein, Krummbein, Langbein.
Fuß: Leichtfuß, Schmalfuß, Stolterfoth (niederd.).

      Wie sehr Bezeichnungen dieses Schlages sich zu Familiennamen eignen, geht daraus hervor, daß manche derselben noch jetzt appellativ gebraucht werden. So reden wir von einem „Flachskopf, Rotkopf“, einem „Großmaul“, nennen einen Invaliden mit hölzernem Bein „Stelzfuß“ usw.[56]

      Hier, bei den von körperlichen Eigenschaften entlehnten Namen, verrät sich eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit der Seite 11 geschilderten römischen Namengebung, in der Art, daß die Namen beider Sprachen sich vielfach decken:

Longus: Lange, Capito: Großkopf,
Paullus: Klein, Crispus: Krause,
Niger: Schwarz, Plautus: Platzfuß (= Platt-) usw.

      Doch sinkt das Deutsche auch hier nicht zu der geistlosen Einförmigkeit und Äußerlichkeit der lateinischen Namengebung hinab. Das verhindern vor allem die

      Satznamen,

      eine besonders anziehende und reichhaltige Gruppe.

      Die Eigentümlichkeit, kurze Sätze, namentlich befehlender Art, zusammenzuschieben in uneigentlicher Komposition und daraus Hauptwörter zu bilden, erscheint innerhalb der deutschen Sprache zuerst im Mittelhochdeutschen, wo Gebilde wie habedanc (Danksagung), rûmelant (räume das Land, ein Landflüchtiger) und einige andere auftreten. Diese Bildungsweise scheint dann besonders in der volkstümlichen Literatur des 15.-16. Jahrhunderts geblüht zu haben. So finden wir unter anderem im Liederbuch der Klara Hätzlerin, welches zahlreiche lyrische Stücke, größtenteils aus dem 15. Jahrhundert, enthält: „Vergiß mein nit das plümlein, das krautt denck an mich“ — in Sebastian Brants Narrenschiff: Füll den mag, schmirwanst (Namen von Fressern) — bei Fischart: Hebdenmann, ein rechter Jag den Teuffel, Reckdendegen, Streichdenbart (lauter Personennamen); Dörflein Beiteinweil (d. i. Wart ein Weilchen), Trotzdenkaiser (N. einer Burg), Luginsland (N. eines Turmes)[57] — dann besonders in Rollenhagens „Froschmeuseler“ bezeichnende Tiernamen wie Blehebauch, Ruerdendreck, Rufflaut (Frösche); Beißhart, Luginsloch, Spahrkrümlein (Mäuse). Niederdeutsche Bildungen dieser Art bietet Reineke de Vos in den Tiernamen Merkenouwe (Merke genau, die Krähe), nebst dem Krähensohn Slindepier (schlinge den Wurm); Pluckebudel (pflücke den Beutel, die räuberische Natur der Raben bezeichnend).

      Diese Fähigkeit ist allerdings im Neuhochdeutschen, je mehr dasselbe Buchsprache wurde und an lebendiger Beweglichkeit einbüßte, desto mehr erloschen; trotzdem läßt sich auch jetzt noch eine ziemliche Reihe solcher Bildungen zusammenbringen: Habenichts, Störenfried (störe den Frieden), Wagehals, ThunichtgutLebewohl, Stelldichein u. a., wozu noch die Blumennamen Vergißmeinnicht und Gedenkemein zu rechnen. Auch die Büchertitel Trösteinsamkeit, Trutznachtigall und Wendunmuth erklären sich hieraus. Manche unter diesen Ausdrücken sind allerdings weniger schriftgemäß als volkstümlich, und begeben wir uns ganz von der einförmigern Landstraße des Schriftdeutschen herunter auf die Nebenpfade volkstümlicher, mundartlicher Rede, so können wir noch manches Blümchen dieser Gattung pflücken.[58]

      In ganz besonderem Maße hat diese Zusammensetzungsweise ihren Tummelplatz im Bereiche der Personennamen. Bekannt sind unter den Vornamen Leberecht, Fürchtegott, Traugott — auch wohl Kreuzwendedich (hin und wieder einem Kinde gegeben, wenn schon mehrere vor ihm gestorben). Weit größer aber ist die Zahl unter den Familiennamen. Vilmar hat drittehalbhundert zusammengebracht, eine Zahl, die sich noch erheblich vermehren läßt.[59]

      Es finden sich unter diesen Namen, die vorwiegend wohl in den Kreisen lustiger Gesellen, Waffen- und Zechbrüder entstanden sind, die lebendigsten und launigsten Bezeichnungen, Scherz- und Spottnamen.

      Betrachten wir nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen die Satznamen genauer, und zwar zunächst hinsichtlich der Form, so haben wir unter ihnen

1) Zusammensetzungen aus zwei Wörtern (Zeitwort und Eigenschaftswort oder auch Umstandswort): Bleibtreu, Trinkaus — viel häufiger aber
2) Zusammensetzungen aus drei Wörtern (Zeitwort mit Objekt und davorstehendem Artikel): Haßdenpflug (ein Bauer, der des Pfluges überdrüssig geworden), gewöhnlich abgeschliffen Hassenpflug, Jagenteufel, später verkürzt in Jageteufel, so daß nun der Artikel ganz ausgefallen ist, auch Wieswell (= wie es wolle, geh es wie es wolle, Bezeichnung eines gelassenen Gemütes).
3) Sogar Zusammenschiebungen aus vier Wörtern finden sich, am deutlichsten in Haltanderheide (ein Ritter oder Reisiger, der an der Heide hält, um Vorüberziehende anzugreifen); aber auch Namen wie Fleugimtanz (flotter Tänzer), Griepentrog (niederd. = greif in den Trog, von einem, der unbescheiden zulangt), Springsfeld (spring in das Feld) und der Gegensatz Bleibimhaus gehören hierher; ferner Feuerimdach (ein Jähzorniger).

      Dem innern Gehalte nach bezeichnen diese Namen zum Teil gute, rühmliche Eigenschaften, überwiegend aber, wie nicht anders zu erwarten, Schwächen und Untugenden. Unter den ersteren steht auch hier wie bei den altdeutschen Namen obenan die Tapferkeit in Namen wie Hauenschild (Hauschild), Klubeschedel (klöbe d. i. spalte den Schädel), Schüttesper (schüttle den Speer, englisch Shakespeare), Zuckseisen (zücke das Eisen), wohin auch die Zusammensetzungen mit Teufel gehören: Fressenteufel, Jageteuffel, Schlagenteufel, Bitdendüwel (niederd. = beiße den Teufel) — Leute, die sich selbst vor dem Gottseibeiuns nicht fürchten.[60]

      Einzelne dieser Namen mögen auch schon ein gewisses Übermaß von Tapferkeit, eine übermäßige Kampfbegier, Streitsucht und Raufsucht bezeichnen. Deutlich tritt letzteres hervor in Namen wie Raufseisen, Haberecht, Hebenstreit (der den Streit anhebt). Unter solchen Spottnamen ragen vor allen diejenigen hervor, welche den übermäßigen Durst, die leidige Trunksucht der Deutschen geißeln: Kehrein, Suchenwirth, Findekeller, (der den Keller zu finden weiß), Schmeckebier und Schluckebier und manche andere, denen nur vereinzelt ein Haßenkrug gegenübersteht.

      Kann