den vier Matrosen, bis diese in der Thür des goldenen Kreuzes verschwanden – dann blieben sie auf der anderen Seite der Straße stehen.
»Wollen wir einmal hinein?« sagte der eine.
»Ja, aber jetzt noch nicht«, entgegnete ihm der andere – »es ist noch zu früh. Wir müssen ihnen ein Weilchen Zeit lassen, bis sie erst ein halb Duzend Gläser im Kopf haben.« Und mit diesen Worten gingen sie langsam die Straße wieder hinunter nach dem Theater zu, wo um diese Zeit das regste Leben war.
Laß sie gehen, lieber Leser – es sind zwei verkleidete Polizeidiener, und die melden sich immer schon von selber wieder. Wir wollen indessen einmal in das goldene Kreuz treten, und zusehen ob sie da drinnen guten Portwein haben.
Drittes Capitel.
Die Matrosenkneipe.
Das goldene Kreuz zeichnete sich vielleicht in nichts, als eben seinem frommen Aushängschild vor den übrigen tausend Schenken Sydney's aus, wo der Wirth über der Thür die vom Staat erhaltene Erlaubniß mit den stereotypen Worten anzeigt: »Licensed to sell spirituous and fermented liquors,« was er sich selber übersetzt – »Du darfst jeden Schund verkaufen den man nur in eine Flasche gießen, und aus einem Glase trinken kann.«
Im Innern sah es aber reinlich und selbst behaglich genug aus, denn es ist kaum so sehr des Wirths Vortheil seine Gäste hereinzulocken, als sie nachher darin zu halten. Das große mittlere Fenster, das die halbe Wand einnahm, war inwendig mit weißer Farbe leicht überstrichen und nur auf den Scheiben prangten oben die Worte »Wine Vaults«, und rechts und links »London Porter« und »Baß's Ale«, zierlich mit Wein und Hopfenreben umrankt. Im Innern aber standen oben auf den blank lackirten Gefachen messingbeschlagene kleine Fäßchen, mit ihrem Inhalt in sauberen goldenen Buchstaben darauf verzeichnet, und reinliche geschliffene Caraffen mit neusilbernen gravirten Schilden.
Nur rechts und links war das schwere Geschütz, eine dunkle Batterienmasse von Ale- und Porterflaschen mit ihren bleiernen Deckseln, aufmarschirt, und unten lagen kleine rundbäuchige weiße Glasflaschen, fest zugebunden, mit Sodawasser und moussirender Limonade, wie denn auch an der Wand eine Hand mit einer daringehaltenen Sodaflasche die werthe Adresse des Fabrikanten jedem verkündigte, der sich nur die Mühe geben wollte sie zu lesen.
Auf dem Ladentisch waren die nach unten niedergehenden Pumpen mit elfenbeinernen Knöpfen angebracht, draught Ale and Porter gleich frisch heraufzuziehen und rings im Zimmer aufgestellte Tische und Stühle mit kleinen, heimlichen, hölzernen Verschlägen, in die nur höchstens immer vier Menschen hineinpaßten. Diese hatten statt der Thüren Gardinen.
Hinter dem Schenktisch stand auf der einen Seite der Wirth, eine vierschrötige pockennarbige Gestalt mit rothen Haaren und kleinen aber verschmitzten Augen, und einem besonderen humoristischen Zug um den Mund. Es war der Irländer Mac Carther und der Eigenthümer des goldenen, und eines anderen Kreuzes, das mit weißer Schürze und kleiner blumenbesetzter Mütze an der anderen Seite hinter dem Schenktisch stand, und die bestellten Gläser füllte. Das flinke Schenkmädchen, Polly, trug sie dann an den Ort ihrer Bestimmung, und cokettirte dabei nach besten Kräften mit den Gästen. Mac Carther zog die Propfen aus den Flaschen und spülte die Gläser aus.
Mrs. Mac Carther kann ich mit wenigen Worten schildern – Sie war eine Elsässerin mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen, etwa 30 Jahr alt, was man ihr aber kaum ansah, und von resolutem festem Charakter, wie denn auch Mac Carther, der sonst gewiß nicht zu den Schwächlingen gehörte, nicht umhin konnte zu bezeugen. Daran war kein Zweifel, sie regierte das Kreuz, und da sich dasselbe unter den zarten Händen ungemein wohl befand, und an Gästen und Einnahmen fast wöchentlich wuchs, fügte sich auch Mac Carther sehr gern dieser Autorität, und begnügte sich, daneben nur noch allerlei kleine Beigeschäfte auf seine eigene Hand zu treiben. Doch davon später.
Polly war das Muster eines Sydney-Schenkmädchens; drall und schlank gewachsen, und mit ein paar Augen, die denen ihrer Herrin an Schwärze und Feuer wahrlich nicht nachstanden, die sie selber aber an jugendlicher Frische weit übertraf. Mrs. Mac Carther war aber deshalb nicht im mindesten eifersüchtig. – Gerade diese »jugendliche Frische« zog ihr allabendlich so und so viel mehr Gäste in das Haus, und deshalb hatte sie Polly eben zum Schenkmädchen angenommen.
Es war noch nicht spät am Abend; darum hatten sich auch noch nicht so viel Gäste eingefunden. Nur an zweien der Tische saßen die Leute vom Boreas, fünf Deutsche und drei Franzosen, und tranken, die ersteren Ale, die anderen Claret. Polly brachte den letzeren eben eine frische Flasche auf den Tisch, und Jean hatte die Hand gefaßt, die sie nach der geleerten ausgestreckt. Sie sah ihn lächelnd an und versuchte sich leise loszumachen.
»Polly«, sagte der junge hübsche Matrose, und legte ihr die linke Hand auf die Schulter – »du bist auch heute Abend wieder einmal recht häßlich, und willst mich gar nicht ansehen – hab ich dir irgend etwas zu leid gethan?« – Er sprach das Englische etwas gebrochen, es klang aber doch gut und das Mädchen schüttelte lachend den Kopf.
»Nichts zu leid gethan, Mr. Jean, aber los lassen müßt ihr mich, denn Missis sieht schon scharf nach mir herüber und ich habe viel zu thun. – Da kommen noch andere Gäste.«
»Polly, ich habe dir etwas zu sagen«, flüsterte ihr Jean jetzt leise und rasch in's Ohr – »willst du mir nachher nur auf wenige Secunden hinausfolgen?«
»Ich weiß noch nicht«, sagte das Mädchen halblaut und machte sich von ihm los. Die Augen wußten es aber und sagten ja, und Jean leerte sein Glas auf einen Zug.
»Hallo, schon wieder so geschäftig?« lachte Bill, der zuerst eintretende von den englischen Matrosen, »da ist ja die ganze Bescheerung bei einander, und Jean hat alle Hände voll zu thun, wie ich sehe. Guten Abend Mac Carther, guten Abend Missis – jung und schön wie eine Rose – aber nicht wie die letzte – heh Missis? – Was trinkst du, Jack, und du Bob – wie? Jims Geschmack kenne ich schon, der hält's wie ich, mit Brandy und Wasser!«
Die viere traten zum Schenktisch und tranken, und setzten sich dann an den, an der hinteren Wand quer vorstehenden langen Tisch, wohin ihnen die anderen bald darauf mit ihren Flaschen und Gläsern folgten, und ein leises Gespräch mit einander begannen. Außer den Leuten vom Boreas waren nur noch wenige andere Gäste im Zimmer, und der Wirth, der eben erst noch zwei Porterflaschen für die Letztgekommenen geöffnet hatte, rückte sich nach einer kleinen Weile einen Stuhl mit zu ihnen, sprach aber noch kein Wort. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben.
»Wer ist denn das, der uns heute hier sprechen wollte«, sagte Jean endlich, sich zu ihm wendend, »heraus mit ihm und mit dem was er zu sagen hat. Ich kann heute Abend nicht lange hier bleiben, und wir sind jetzt so ziemlich alle zusammen.«
»Hm«, sagte Mac Carther, und warf einen anscheinend gleichgültigen Blick über das Zimmer, der übrigens keinen der sonstigen Gäste, so flüchtig er auch über ihnen hinstreifen mochte, unbeobachtet ließ. Gleich darauf als ob ihn diese Rundschau befriedigt hätte, bog er sich über den Tisch etwas vor und sagte mit leiser Stimme, die Umsitzenden dabei alle mit den Augen musternd:
»Seid Ihr gesonnen an Bord zu bleiben, oder wollt Ihr hier in der Stadt eine Beschäftigung haben? – Das heißt – versteht mich wohl – ich weiß nicht was Ihr für einen Contract an Bord habt; geht mich auch gar nichts an. – Hält Euch aber nichts dort, so weiß ich Euch hier eine Stelle, wo Ihr mit Bequemlichkeit Eure sechs bis acht Schilling den Tag verdienen könnt – und dafür müßt Ihr eine ganze Woche an Bord wie die Pferde arbeiten. Sind welche von Euch Segelmacher?«
»Vier von uns sind gelernte Segelmacher« – sagte der eine Deutsche, »und die anderen verstehen meist alle genug davon, die laufenden Arbeiten verrichten zu können.«
»Das wäre dann noch besser, die verdienen jetzt noch mehr mit Zeltmachen«, sagte der Wirth sinnend. »Habt Ihr noch Geld zu gut, oder sind welche unter Euch, die vielleicht selber etwas anfangen können?«
»Ich