Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum: Jahrgang 1900


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für uns von Wichtigkeit wäre, aber bei alledem bleibt das Tagebuch eines der wichtigsten Dokumente zu seiner Lebensgeschichte.

      Die Bestätigung des Leibgedings erhielt er in Köln, wohin er von Antwerpen gereist war, am 12. November 1520, auf die 200 Gulden mußte er verzichten. In Antwerpen wie in anderen Städten wurde er von allen Seiten, namentlich aber von den Malern aufs Höchste geehrt und an künstlerischen Anregungen fehlte es nicht; er besichtigt überall die Werke der großen Meister des vorigen Jahrhunderts, mehr noch förderte ihn der Umgang mit den Lebenden. Dürers Vortrag wird malerisch. Ein Versuch in dieser Richtung, der noch nicht völlig geglückt ist, ist das Bildnis Bernhards von Orley in Dresden. Ein zweites zeigt die volle Meisterschaft. Es ist das als Hans Imhoff bezeichnete Porträt von 1521 im Museum des Prado zu Madrid (Fig. 4). Das Bild ist in mehr als einer Hinsicht das Höchste, was Dürer im Porträt erreicht hat. Nie wieder hat er einen Kopf so eindringlich aufgefaßt und so lebensvoll wiedergegeben, selbst nicht in den schönen Bildnissen seiner letzten Jahre. Was aber noch mehr in Verwunderung setzt, das ist die bei allem Eingehen auß Einzelne freie und breite, im höchsten Sinne malerische Behandlung. Das konnte 1521 auch kein Niederländer besser machen. Wer Dürer als Maler würdigen will, muß dieses Bild gesehen und studiert haben.

      Thausing sucht zu beweisen, daß das Bild in Nürnberg und nicht in den Niederlanden gemalt sei. Es ist das eine Frage, welche nicht mit völliger Sicherheit gelöst werden kann. Aber Thausings Argumente, es sei keine Malerei mit geliehenen Farben und fremder Palette, sind nicht zwingend. Gute Farben und Pinsel gab es auch in den Niederlanden und der Aufenthalt in Antwerpen war lang genug zur Ausführung eines sorgfältig gemalten Porträts. Daß Dürer dort Bildnisse gemalt hat, berichtet er selbst. Für die Ausführung in den Niederlanden spricht der Stil des Bildes mit ziemlicher Bestimmtheit, der nicht Nachklänge, sondern unmittelbare Einwirkungen der niederländischen Malerei zeigt. Auch der Umstand, daß das Bild früh nach Spanien gekommen sein muß (bei uns erhalten sich Ölgemälde nicht so unversehrt), spricht dafür, daß es nicht von Nürnberg, sondern von den Niederlanden nach Spanien kam. Wäre es das Bildnis Hans Imhoffs, so wäre es wohl in dem Inventar der Imhoffschen Kunstkammer erwähnt, das ist aber nicht der Fall.

      Doch die Frage, ob dieses Bild in den Niederlanden oder erst in Nürnberg gemalt ist, ist nicht von primärer Bedeutung, wichtiger ist es zu sehen, ob Dürer, ein Fünfzigjähriger, noch dauernden Gewinn für seine Kunst aus den niederländischen Anregungen gewonnen hat. Und dem ist so, Dürers Vortrag bleibt von der niederländischen Reise an freier und einfacher als vorher, die malerische Behandlung schwindet nicht völlig, wenn sie auch nicht auf der ausnahmsweise erreichten Höhe bleibt.

      Auch in Antwerpen hatte man gesucht, Dürer festzuhalten. Es war ihm ein Gehalt von dreihundert Philippsgulden nebst einem eigenen Hause geboten und alle Arbeiten sollten noch besonders bezahlt werden, aber die Liebe zur Heimat überwog, im Sommer 1521 kam er nach Nürnberg zurück, um sofort wieder die Kleinheit der dortigen Verhältnisse zu empfinden. Der Rathaussaal sollte neu gemalt werden. Die Entwürfe wurden Dürer übertragen, mit der Ausführung aber wurden untergeordnete Maler betraut, welche nach der Malertaxe arbeiteten. An der nördlichen Wand des Saales sind drei große Gemälde, die Verleumdung, der Triumphzug Maximilians und zwischen beiden der Pfeiferstuhl, eine ganz realistische Scene zwischen zwei Allegorien. Es fehlt diesen Bildern die für monumentale Gemälde unerläßliche Anpassung an den Raum. Wie weit dieser Mangel Dürer zur Last fällt, ist kaum mehr zu entscheiden. Die erste Skizze zur Verleumdung (Federzeichnung von 1522 in der Albertina) ist eine wohl angeordnete friesartige Komposition, in der Ausführung sind die Gruppen weiter auseinander gerückt, um den Raum zu füllen, aber es ist damit nur erreicht, daß er überhaupt nicht gefüllt ist, das Bild erscheint zusammenhanglos. Auch der Triumphzug ist dem Raume nur ungenügend angepaßt. Am lustigsten sind noch die Pfeifer auf ihrem Balkon. Dürer mochte an der ganzen Aufgabe, die er nicht ausführen sollte, wenig Freude haben.

      Fig. 4. Männliches Porträt im Museo del Prado zu Madrid.

      Er hat überhaupt nach der niederländischen Reise nicht mehr viel gemalt. Was er noch gemalt hat, sind zumeist Porträts. Das bedeutendste ist das des Hieronymus Holzschuher von 1226 in der Berliner Gallerie; in der charakteristischen Auffassung steht es dem Bild von 1591 in Madrid nahezu oder vollkommen gleich, in der technischen Ausführung kommt es ihm nahe, aber die Behandlung ist doch mehr plastisch zeichnerisch als spezifisch malerisch. In letzterer Hinsicht steht vielleicht das Porträt des Ratsherrn Jakob Muffel noch etwas höher. Neben den Gemälden stehen einige treffliche Porträts in Kupferstich und Holzschnitt (Fig. 5). Dürer hat nicht die ruhige, fast kühle Objektivität Holbeins, er bleibt in der Wiedergabe der Formen immer etwas eckig, aber er erfaßt die gesamte Persönlichkeit weit tiefer als dieser. Zucker macht hierüber einige feine Bemerkungen.

      Fig. 5. Willibald Pirkheimer.

       Kupferstich v. J. 1524.

      1526 vollendete Dürer auch die zwei Tafeln mit den Gestalten der vier Apostel, jetzt in der Pinakothek zu München. Zucker tritt hier mit Eifer dafür ein, daß Dürer in diesen vier Gestalten die vier Temperamente dargestellt habe. Ich will diese Frage nicht näher untersuchen, denn ich halte sie für überflüssig. Zugegeben, Dürer habe die vier Temperamente malen wollen, so hat er doch in der That etwas ganz anderes gemalt. Die vier Temperamente sind Abstrakta, deren allgemeiner Begriff sich in körperlichen Formen nur unvollkommen aussprechen läßt, die vier Apostel sind konkrete Persönlichkeiten voll des individuellsten Lebens. Eben darin und nicht darin, daß sie schattenhafte Allgemeinheiten sind, beruht ihre nach Jahrhunderten unwiderstehliche Macht; eben darin bilden sie einen Höhepunkt der deutschen, einen Höhepunkt der neueren Kunst überhaupt.

      Im Oktober 1526 stiftete Dürer die beiden Bilder auf das Nürnberger Rathaus. Das Begleitschreiben lautete: Fürsichtig ehrber weis lieb Herren. Dieweil ich vorlengst geneigt wär gewest, Euer Weisheit mit meinem kleinwirdigen Gemäl zu einer Gedächtnus zu verehren, hab ich doch Solchs aus Mangel meiner geringschätzigen Werk unterlassen müssen, dieweil ich gewusst, dass mit denselben vor Euer Weisheit nit ganz wol hätt mügen bestehn. Nachdem ich aber diese vergangen Zeit ein Tafel gemalt und darauf mehr Fleiss dann ander Gemäl gelegt hab, acht ich Niemand wirdiger, die zu einer Gedächtnus zu behalten, denn Euer Weisheit. Derhalb ich auch dieselben hiemit verehr, unterthänigs Fleiss bittend, die wölle dies mein kleine Schenk gefällig und günstlich annehmen und mein gönstig lieb Herrn, wie bisher ich allweg gefunden hab, sein und bleiben. Das will ich mit aller Unterthänigkeit um Euer Weisheit zu verdienen geflissen sein. Euer Weisheit unterthäniger Albrecht Dürer. — Der Rat der Stadt beschloß am 6. Oktober, das Geschenk anzunehmen, es der Stadt zu erhalten hat er nicht gewußt, schon nach hundert Jahren kamen sie an den Kurfürsten von Bayern.

      Sieht man von dem Curialstil der Widmung ab, so erkennt man leicht, daß sich Dürer des Wertes der Bilder wohl bewußt war, daß er seiner Vaterstadt sein Bestes gab. Man erkennt auch, daß er sein Ende nahen sah; als ein kranker Mann war er aus den Niederlanden zurückgekommen und hat sich nicht mehr erholt. Am 6. April 1528 endete er seine irdische Laufbahn.

      Springer sagt in seinem Dürer, ein längeres Leben hätte den von Dürer hinterlassenen künstlerischen Schatz schwerlich vermehrt. Der Tausch des Malerkittels gegen den Gelehrtenrock war endgiltig vollzogen. Wir dürfen uns daher rühmen, daß wir Dürers Werk vollendet besitzen.

      Thatsächlich nehmen theoretische Arbeiten in den letzten Lebensjahren Dürers einen breiten Raum ein. Schon früh hatte er gesucht, sich über die theoretischen Grundlagen seiner Kunst Klarheit zu verschaffen. Um 1512–1513 trug er sich mit dem Plane, ein umfassendes Buch zu schreiben, das wir nach heutigem Sprachgebrauch als Lehrbuch der Malerei bezeichnen würden. Der Plan blieb liegen. Nach der niederländischen Reise aber nahm er die Studien wieder auf und brachte wenigstens einen Teil derselben, die