Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum: Jahrgang 1900
Stellung zur Reformation gegeben hat. Gleich im Voraus sei bemerkt, dass sich der konfessionelle Standpunkt des Verfassers nicht vordrängt. Die Untersuchung über das Bekenntnis Dürers ist einem eigenen Kapitel zugewiesen, sachlich und für den Unbefangenen überzeugend geführt und die Polemik — vielleicht von einzelnen Ausdrücken abgesehen, maßvoll.
Die Schriften des Vereines für Reformationsgeschichte sind mehr oder minder alle Volksschriften, auch Zuckers Buch verfolgt die Absicht, die Kenntnis Dürers in weitere Kreise zu tragen, die der Kunstforschung fern stehen. Er will eine Vorstellung geben von dem Entwickelungsgang und dem reichen Schaffen Dürers und den Leser geneigt machen, vorurteilslos auf die Schöpfungen des grossen deutschen Meisters einzugehen.
Die Anordnung gruppiert sich, wie bei Kaufmann und Springer, nach den drei Hauptperioden in Dürers Leben und künstlerischer Entwickelung. Die ersten Kapitel behandeln die Jugend und die Lehrzeit mit Einschluß der ersten Reise nach Venedig. Daran schließt sich die Besprechung der Arbeiten Dürers bis zum Jahre 1504. Auf die Erzählung der zweiten Reise nach Venedig folgt die Erläuterung der von 1506 bis 1520 erschienenen Werke. Dann folgt die Reise nach den Niederlanden und die Besprechung der nach dieser noch entstandenen Gemälde und Stiche, sowie der theoretischen Studien und der Stellung Dürers zur Reformation. Es sind eine schlichte Erzählung des Lebensganges und gewissenhafte und zartsinnige Kommentare zu Dürers Werken. Das Buch ist aus gründlicher Kenntnis des Werkes Dürers und der reichen Dürer-Litteratur heraus geschrieben, aber es vermeidet ein zu tiefes Eingehen auf kritische Untersuchungen, zu welchen Dürer ja noch reichlich Gelegenheit bietet. Es ist im besten Sinne populär.
Die Quellen zur Biographie Dürers und namentlich zur Erkenntnis seines Entwickelungsganges bis etwa zum Jahre 1500 sind ungenügend. Er selbst berichtet, daß ihn sein Vater in seinem Handwerk, der Goldschmiedekunst unterwies, daß er aber mehr Lust zur Malerei hatte. Der Vater gab nach einigem Widerstreben nach und brachte ihn 1486 auf drei Jahre zu Michel Wohlgemuth in die Lehre. »In der Zeit verliehe mir Gott Fleiß, daß ich wohl lernete. Aber ich viel von seinen Knechten leiden mußte. Und da ich ausgedient hatte, schickt mich mein Vater hinweg, und bliebe vier Jahr außen, bis daß mich mein Vater wieder fodert. Und als ich im 1490 Jahr hinwegzog nach Ostern, darnach kam ich wieder, als man zählt 1494 nach Pfingsten.«
Wir wissen, daß Dürer nach Colmar ging, um bei Martin Schongauer zu arbeiten, diesen aber nicht mehr am Leben traf, indes nahmen ihn dessen Brüder freundlich auf. 1492 war er in Basel und arbeitete dort an Vorlagen für den Holzschnitt. Es werden ihm neuerdings zahlreiche Holzschnitte in den Baseler Verlagswerken jener Zeit zugeschrieben und ebenso eine Anzahl Vorzeichnungen auf Holzstöcken im Museum zu Basel, welche nicht geschnitten wurden. Zucker verhält sich zweifelnd gegenüber diesen Zuschreibungen. Gewiß ist es schwierig, das Jugendwerk eines noch unfertigen Künstlers rein nach stilistischen Anhaltspunkten zu konstituieren, die Zuschreibungen dieser Arbeiten an den jungen Dürer hat aber doch einen ziemlichen Grad von Wahrscheinlichkeit. Man hat noch andere Wanderziele für die Jahre 1490 bis 1494 nachzuweisen gesucht, Krakau, Köln, Venedig; für die ersteren liegen indes keine irgend zureichenden Gründe vor und die erste Reise nach Italien wird mit größerer Wahrscheinlichkeit in das Jahr 1495 gesetzt. Sie ist umstritten, wird aber von Zucker mit Recht als eine feststehende Thatsache betrachtet. Wodurch sie veranlaßt war, wird sich kaum mehr aufklären lassen. Mit dieser Reise darf Dürers Lehrzeit als abgeschlossen betrachtet werden, nun tritt er uns als fertiger Meister entgegen.
Die hohe Begabung Dürers lassen schon die wenigen Zeichnungen, die sich aus seiner Jugend, aus der Zeit vor dem Eintritt in Wohlgemuths Werkstatt erhalten haben, erkennen. Schon die älteste, das Selbstporträt des dreizehnjährigen Knaben vom Jahre 1484 zeigt nicht gewöhnliche technische Fertigkeit in der Führung des Stifts und trotz einiger Fehler in der Zeichnung, eine merkwürdige Sicherheit im Erfassen des Charakteristischen.
In Wohlgemuths Lehre hat er sich dann die Technik der Zeichnung und der Ölmalerei und wohl auch die knorrige Härte der Formgebung angeeignet, die ihm Zeitlebens geblieben ist. In der großen Werkstatt Wohlgemuths gab es reichlich Gelegenheit zu technischer Ausbildung. An welchen Werken Dürer beteiligt war, wissen wir nicht. Das Bildnis seines Vaters von 1490 in den Uffizien zu Florenz läßt erkennen, was er als Maler bei Wohlgemuth gelernt hat. Es ist ein sehr ansprechendes frisch aufgefaßtes und trefflich modelliertes Porträt. Gewisse Einzelheiten, die Dürer auch später liebte, wie die sorgfältige Behandlung der Haare und die Spiegelung des Fensters in der Pupille finden sich schon hier. Auch das starke Zurücknehmen der Nasenwurzel, das wir an späteren Porträts Dürers häufig wahrnehmen, ist, wenn auch nicht in auffälliger Weise, zu bemerken. Wenn es bei aller Sorgfalt der Naturbeobachtung noch nicht die frappierende Charakteristik späterer Bildnisse Dürers hat, so ist es doch ein sehr achtenswertes Werk, das innerhalb der Nürnberger Schule seinen Platz mit Ehren behauptet.
Die grosse Reihe der Holzschnitte für Baseler Verleger — angenommen, sie seien sicher Dürers Werk — ist Gelegenheitsarbeit, an welche der höchste Maßstab nicht gelegt werden darf, unter den Holzschnitten des spätesten XV. Jahrhunderts nehmen sie aber einen hohen Rang ein. Es sind ganz oberdeutsche Arbeiten, an welchen auswärtige Anklänge nicht wahrzunehmen sind. Wichtiger für Dürers Entwickelungsgang sind die Eindrücke, die er in Italien empfangen hat. Dürer hat die Renaissance nicht so vollständig aufgenommen wie Holbein, aber doch weisen die Architekturmotive in der grünen Passion, im Marienleben, so frei sie gestaltet sind, auf die eigene Anschauung von Renaissancebauten hin. Formale Zusammenhänge mit italienischer Kunst in der Behandlung der Körperformen finden sich mehrfach in Dürers Bildern und Zeichnungen aus jener Zeit. Auch das Colorit einiger seiner frühen Bilder, namentlich des Dresdener Altars und des Porträts Friedrich des Weisen ist aus der oberdeutschen Malerei nicht zu erklären. Solche Farbenakkorde waren der deutschen Kunst fremd; man geht kaum fehl, wenn man seine Vorbilder in den Eremitani zu Padua oder, im Archivio notarile zu Mantua sucht. Daß hier italienische Erinnerungen nachklingen, geht auch daraus hervor, dass Dürer die coloritischen Eigenheiten dieser Gemälde nicht festhält, sondern bald wieder das mit Lokalfarben arbeitende oberdeutsche Colorit aufnimmt.
Auf die Frage der Proportionen des menschlichen Körpers ist Dürer erst später gekommen (allerdings schon in dieser Epoche aber wohl nicht in Italien, sondern durch Jacopo de Barbari), ob aber nicht seine Kompositionsweise schon in der Apokalypse italienische Einwirkungen verrät, wäre näher zu untersuchen.
Nach seiner Heimkehr nach Nürnberg und seiner Verheiratung hat Dürer mehr für den Kupferstich und Holzschnitt gearbeitet und gezeichnet als gemalt. Noch scheint die Kunstanstalt Michel Wohlgemuths alle bedeutenden Aufträge festgehalten zu haben. In sechs Kapiteln bespricht Zucker die Apokalypse (Fig. 1), die Passionsdarstellungen mit Einschluß der etwas späteren Kupferstichpassion, das Marienleben, die erste Epoche der Thätigkeit als Kupferstecher, die Gemälde bis 1504 und die Einwirkung von Traditionen aus dem Altertum. Am gelungensten sind die schönen Kapitel über die Holzschnittfolgen.
Dürer steht mit diesen Werken schon hoch über seinen Zeitgenossen, wie in seinem technischen Können und der Fähigkeit klar und übersichtlich zu komponieren, so noch mehr an Reichtum und Kraft der Phantasie und an Tiefe der Empfindung. Er hat viel zu sagen und er bringt alles, was er sagt, treffend zum Ausdruck.
Im Spätherbst 1505 reiste Dürer zum zweiten Male nach Venedig und blieb dort bis in das Jahr 1507. Die Veranlassung zur Reise ist nicht bekannt. In Venedig erhielt er bald nach seiner Ankunft von den dortigen Deutschen den Auftrag, ein Altarbild für die Kapelle San Bartolommeo beim Fondaco dei Tedeschi zu malen, er berichtet dies seinem Freund Wilibald Pirkheimer am 6. Januar 1506. Er hoffte das Bild bis Ostern fertig zu stellen, aber die Vollendung nahm ihn bis zum September in Anspruch. Das Bild erregte selbst in Venedig Aufsehen. Noch in des Malers Werkstatt besichtigten es der Doge und der Patriarch und die Maler bekannten, sie hätten schönere Farben nie gesehen.
Das Bild ist das Rosenkranzfest, das heute im Besitze des Klosters Strahow in Prag ist, leider in traurigem Zustande. Die Komposition ist symmetrisch, die Hauptfiguren, Maria, Papst Julius II. und Kaiser Maximilian bilden eine pyramidale Gruppe, zu den Seiten knieen zahlreiche Teilnehmer an dem Feste. Dürer selbst steht mit einem Begleiter hinter denselben; im Hintergrund ist eine Stadt am Fuß eines