Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum: Jahrgang 1900
gar nicht gewollt, worauf der Maler die ihm amtlich zugestellte Liste der zu porträtierenden Personen vorlegen konnte. Im August scheint Herneisen, wohl privater Aufträge halber, sich von Stuttgart entfernt zu haben, auf Befehl des Herzogs begibt er sich wiederum dahin, bemerkt aber, daß er mit sämtlichen ihm verdingten Arbeiten fertig sei.
In einer umfangreichen Eingabe ohne Datum, ungefähr im September, bittet er um seine gnädige Entlassung durch eigenes Secret, da er schon längere Zeit in Stuttgart ohne Arbeit liege. Er bittet um die Bezahlung seiner rückständigen Auslagen, dann um eine Entschädigung dafür, daß er in den Jagdstücken zuerst das Gefolge des Herzogs porträtiert und dann die Vorlagen seinen Genossen überlassen habe, weiter ersucht er um eine Erstattung der Reisekosten für ihn, seine Familie und sein Gesinde, eine Verehrung, die er dem Rat seiner Vaterstadt vorweisen und zu Ehren des Herzogs gebrauchen könne, und erinnert an den Abzug seiner Rechnung für den Neujahrsaufzug. Seine durchaus kräftigen Worte, seien teilweise, weil sie seine Lage und Stellung deutlich kennzeichnen, hier mitgeteilt:
»So khann ich mir ainigen gedanckhen nicht schöpffen, Warumben E. Frl. Gn. eben in disem stuckh mit dem Ich Zur Lötz vil grösser gnad Vnd dankh zuverdienen Vnderthenig Verhofft, mich In so mörkhlichen schaden steckhen, Vnnd mir halbe bezalung reichen zulassen gesynnt sein, Oder womit Ich doch hier Innen E. Frstl. Gn. missfälliges (dass ich, da es mir Angezaigt würde, zu änndern Vndthänig (sic) erbiedtig) gethan haben solte, Dieweil aber mir Armen Hanndtwerkhsmann vil zu schädlich Vnnd meinem Weib Vnnd kleinen Khindlin zu nachtheilig Vnnd Übel gehennd sein will, Ein solliche grosse Summam, In lannger saurer, bestölten Arbaitt wol Verdientes gellt, mir Abzichen, da doch hiebeuor E. Frstl. Gn. mich Vnnd Anndere Jedesmahls Verrichter Arbaitt mit gnaden nach Pillich dingen bezahlen lassen, So Pidt E. Frstl. Gn. Ich gantz Vnderthenig, sy wöllen auch dises Puncten halbenn mir die gepür gnedig verordnen.« Er schlägt schließlich die Prüfung seines Bildes durch auswärtige Maler vor. Der Vorschlag der Rentkammer und Badners, ihm 10 fl. Reisegeld und einen Becher im Werte von 26–30 fl., sowie Erstattung seiner Auslagen zu gewähren und nochmals seine Bitte um Nachzahlung für den Aufzug in Erwägung zu ziehen, fand natürlich den Beifall Jägers, der schon früher vorgeschlagen, man solle das mehrerwähnte Gemälde, wenn Herneisen nicht mit 100 fl. zufrieden sei, ihm ohne jede Entschädigung zurückstellen, nicht. Er erhält, nach dem ihm noch die Farben für das Bild ersetzt worden (21 fl.), am 22. Sept. ein Sommerkleid bewilligt, wobei Melchior Jäger in Bewahrung seiner kleinlichen Gesinnung ihm den seidenen Besatz und die Knöpfe streicht. So wird unser Meister wohl mit sehr gemischten Gefühlen die schwäbische Hauptstadt mit Weib und Kindern verlassen und in sein Heim am Geyersberg zu Nürnberg zurückgekehrt sein.
Übrigens hat Herneisen auch von Nürnberg aus versucht, zu seinem Geld zu gelangen. Der Rat hatte ihn schon am 15. April 1591 mit einer Erlaubnisurkunde, die Arbeiten in Stuttgart unaufgesagt seines Bürgerrechts fortzuführen, ausgestattet und ihn weiter, wie auch aus den Akten hervorgeht, dem Herzog empfohlen. Am 16. Dezember 1692 erfolgt ein weiterer Ratserlaß des Inhalts: »Auss Endresen Herneysens Malers supplication und fürschrifft an Herrn Ludtwigen Hertzogen zu Württemberg ec. ist verlassen dem Supplicanten antzuzeigen, das mein herren nit sehen köndten, wie er vil erlangen vnd zu wegen bringen möcht, wenn er inn dieser seiner Supplication den Melchior Jeger als einen geheimbsten Carmmerrat, vnd dann den Hofmaler antziehen wollt, wenn er aber ein solchs endern vnd auslassen wurd, so wolten Ime meine Herren ein fürschrifft mitteylen.« Herneisen hatte offenbar Melchior Jäger und Hans Steiner in seiner Eingabe an den Herzog angegriffen, was zum mindesten für die Erreichung seines Zieles sehr unklug war.
Noch einmal kam er mit dem Rat in Konflikt wegen eines Gemäldes, das er 1593 gemalt. Es wird eine »Tafel von allerley Calvinisten« genannt und ihm vorgeworfen, daß er dasselbe zum Ärgernis der Bürgerschaft zum Hause herausgehängt. »Der Rat ließ ihm solches untersagen; Herneisen achtete aber nicht darauf und hing noch einmal eine solche Tafel heraus. Nun wurde er vom Rate zur Rede gesetzt; der Maler entschuldigte sich, er habe die Tafel bereits nach Würzburg, dahin sie gehöre, geschickt; ein ehrbarer Rat möge es dabei bleiben lassen. Das geschah; aber eine sträfliche Rede mit Warnung ließen ihm die Herren dennoch sagen«[62].
In den Jahren 1597 erscheint Herneisen zum letzten Male in den Ratsverlässen. Es handelt sich, wie es scheint, um einen Aus- oder Anbau an seinem Haus am Geyersberg, den er anbringen wollte, wogegen sich aber sein Nachbar Jonathan Schwingsherrlein sträubt und dessen Ausführung auch trotz vielmaliger Eingaben der Rat nicht zugibt.
Nach dem von Direktor Bösch[63] jüngst in diesen Blättern veröffentlichten Verzeichnis der Nürnberger Maler von 1596–1659 war Andreas Herneisen von 1596–1600 Vorgeher des 1596 neugeschaffenen Handwerks der Maler. Daß er als der erste dieses Ehrenamt bekleidete, ist ein Beweis seiner Tüchtigkeit, wie der Achtung, mit der ihm seine Nürnberger Berufsgenossen entgegenkamen. Nach derselben Quelle bildete er nach 1596 noch vier Lehrlinge aus, nämlich Jeremias Putz, Hans Albrecht Stahl aus Bamberg (1594–97), Lienhart Kilga (1603–8) und Wilhelm Vogel (1606–10). Hieraus ergibt sich, daß Herneisen bis zum Tode die Kunst betrieb. Auch erfahren wir, daß ein Sohn von ihm, der erst in den 90er Jahren geboren sein kann, Namens Valtin (Valentin) den Beruf des Vaters ergrift, allerdings erst nach dessen Tode. Derselbe lernte 1610–1614 bei Wolf Eisenmann.
Es ist die letzte verbürgte Nachricht, die sich bisher über unsern Maler auffinden ließ vor seinem Tod.
Denn die in der früheren Litteratur des Öfteren wiederholte Notiz, er habe im Jahre 1613 den Hochaltar von St. Sebald gemalt, kann deshalb nicht wahr sein, weil er zu dieser Zeit längst gestorben war.
Nach dem Eintrag im Totenbuch der Pfarrei St. Sebald[64] ist er am 13. April 1610 verschieden.
Damit sei das Lebensbild des einfachen Nürnberger Meisters geschlossen. Möglich immerhin, daß von seiner offenbar weitverbreiteten Thätigkeit weitere, umfangreichere Werke sich erhalten haben, die mehr als das Genannte dazu beitragen würden, seinen künstlerischen Charakter festzustellen.
GOLDSCHMIEDEARBEITEN IM GERMANISCHEN MUSEUM.
VON TH. HAMPE.
II. LANGOBARDISCHE VOTIVKREUZE AUS DEM VI.–VIII. JAHRHUNDERT.
Erst vor wenigen Wochen ist die Sammlung frühchristlich-germanischer Altertümer des Museums durch eine Anzahl Kreuze aus dünnem Goldblech bereichert worden, die ich, da sie sich zeitlich unmittelbar an den in unserem ersten Aufsatz behandelten ostgotischen Schmuck[65] anschließen, gleich hier einer kurzen Betrachtung unterziehen will. Ich verbinde damit die Besprechung zweier weiterer Kreuze derselben Art, die sich schon länger im Besitz des Germanischen Museums befinden und von denen das eine auch bereits von Essenwein im ersten Bande dieser Mitteilungen (1886) S. 110 f. gewürdigt worden ist. Ebenso sind die zwölf neu hinzugekommenen Goldkreuze schon verschiedentlich Gegenstand der Untersuchung und Besprechung gewesen und den Fachgelehrten also keineswegs unbekannt. Sie gehörten früher den Kunstsammlungen des 1881 zu Mailand verstorbenen Cavaliere Carlo Morbio an und finden sich zuerst in dem Auktionskatalog dieser Sammlungen S. 57 ff. (Nr. 638–649) von J. Naue ausführlich beschrieben[66]. Diese Beschreibung findet sich um einige ergänzende und kritische Bemerkungen vermehrt auch in dem Aufsatze von Paolo Orsi »Di due crocette auree del museo di Bologna e di altre simili trovate nell’Italia superiore e centrale«[67], der umfangreichsten Arbeit, die bisher der Erscheinung dieser Kreuze — es werden deren im ganzen 81 namhaft gemacht und besprochen — gewidmet worden ist, und erscheint ebenso in dem Auktionskatalog Nr. 1204 von Rudolph Lepke, wo unsere Kreuze unter Nr. 383 aufgeführt werden. Auf eben dieser Auktion (am 14. Dezember 1899 und folg. Tage) wurden die zwölf Kreuze vom Germanischen Museum erworben.