Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum: Jahrgang 1900
(französische?) Kräfte zurückgetreten waren, auf den Ausweg, zwölf Landschaften, die zwölf Forste Württembergs mit Jagddarstellungen zu geben. Die 201 Werkschuh lange und in der Gewölbfläche ungefähr 90 Werkschuh breite Decke des großen Saales wurde daher in drei Längsstreifen geteilt, von denen die äußeren je sechs der erwähnten Landschafts- und Jagdbilder enthielten, der innere Streifen aber religiöse Darstellungen aus der Offenbarung Johannis enthielt. Der mittlere Streifen, der offenbar auf Betreiben des geistlichen Ratgebers des frommen Herzogs Ludwig, Dr. Osiander, eingefügt wurde, erhielt Wendel Dietterlin von Straßburg zugetheilt[61]. Für die Bemalung der wahrhaft riesigen Flächen wurden außer Dietterlin und dem Hofmaler Hans Steiner, der den ersten Hauptentwurf und die Einteilung besorgt hatte, folgende Maler herbeigezogen: Andreas Herneisen, Hans Karg von Augsburg, Hans Dorn von Stuttgart, Jacob Zieberle (Zäberl) von Tübingen, Peter Riedlinger von Eßlingen (kurz nach Beginn der Arbeit verstorben), Gabriel Dachs (Stuttgart?), Hans Melchior Offstein von Göppingen und Philipp Grether von Stuttgart. Der Hofmaler, Hans Dorn und Herneisen waren insofern bevorzugt, als sie von Anfang an zwei Stücke (»Förste«) zugeteilt bekamen; die übrigen nur einen; später erhielt Herneisen noch einen Teil am Uracher Forst zu malen. Seine Landschaften waren der Stuttgarter und der Heidenheimer Forst.
Es ist interessant, aus den Akten über das Verfahren der Maler das Nötige zu erfahren. Zuerst mußte eine Farbenskizze (gemalte Tafel) in kleinerem Maßstabe dem Herzog zur Genehmigung vorgelegt werden. Da die Mehrzahl der Maler des Waidwerks unkundig waren, was ihnen, wie wiederum aus den Akten hervorgeht, einigermaßen zum Vorwurf gemacht wurde, mußten sie den vorfallenden herzoglichen Jagden beiwohnen, um dort Studien nach der Natur zu machen. Ebenso mußten sie die Landschaft aufnehmen und die Porträts des Jagd-, Forst- und Hofpersonals anfertigen, um sie dann auf das eigentliche Gemälde zu übertragen.
Von den einzelnen Abteilungen waren vier 40 Werkschuh, acht 30 Werkschuh breit und sämtliche 30 Werkschuh hoch. Da natürlich diese riesigen Flächen in einem Stück auf Leinwand zu malen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, wurden die Abteilungen in 5 resp. 4 »Tücher« zerlegt und erst beim Aufschlagen an der Decke zusammengefügt. Für jedes derartige Tuch erhielten die Maler außer Lieferung sämtlicher Malutensilien gleichmäßig 100 fl., 2 Schäffel Dinkel und ½ Eimer Wein nebst 8 fl. jährlichen Hauszins; eine, wenn man den mehr dekorativen Charakter der in einer sehr beträchtlichen Höhe (die Gewölbehöhe des Saales betrug 50 Werkschuh) angebrachten Malereien berücksichtigt, wohl recht zulängliche Bezahlung.
Sehr merkwürdig ist auch die Ordnung, auf welche die vereinigten Maler während ihrer Arbeiten am Lusthaus verpflichtet wurden. Mit Rücksicht auf ihre Ausdehnung muß leider auf Mitteilung des kulturgeschichtlich wichtigen Stückes verzichtet werden. Die Inspektion der Arbeit, wie die Verteilung der Materialien lag dem Hofmaler Steiner ob; bei vorfallenden Streitigkeiten hatte eine aus Steiner, Dietterlein und Herneisen bestehende Kommission zu entscheiden.
Die Arbeiten begannen im Juli 1590, nachdem die Skizzen vorgelegt waren und noch mancherlei Verhandlungen über die Höhe der zu verabreichenden Naturalverpflegung und den Mietzins gepflogen worden waren. In solchen Dingen scheint unser guter Herneisen geschickt, aber auch etwas vordringlich gewesen zu sein, wenn man die große Zahl seiner Schreiben an den Fürsten und die Rentkammerräte in Betracht zieht.
Daß Herneisen nicht mit Glücksgütern gesegnet war, beweist eine Eingabe vom 21. Juli 1590, worin er zur Anschaffung von Haushaltungsvorräten den Herzog um einen Vorschuß von 100 fl. auf den verdingten Lohn bittet.
Dr. Badner empfiehlt sein Gesuch, da er der weiten Entfernung halber keinen Hausrat mitgebracht habe und diesen nun neu beschaffen müsse, »auch für einen fertigen Maler gerühmt werde«. Am 1. August wird für Herneisen, abgesehen von Dietterlein, der ungefähr im Lohne gleichsteht, eine Erhöhung seiner Naturalbezüge über die übrigen hinaus beantragt, nämlich 2 Schäffel Dinkel und 2 fl. Hauszins und ½ Eimer Wein pro Tuch mehr und jährlich ein Sommerkleid. Das letztere wurde gestrichen, das übrige zugebilligt. In der zweiten Hälfte Januars bittet der Meister wegen des ersten ihm übergebenen Stückes, des Stuttgarter Forstes mit ihm abzurechnen, da die drei hauptsächlichsten Tücher fertig, die beiden anderen aber innerhalb des Monats vollendet würden, er aber an Lichtmeß an dem von ihm erkauften Haus in Nürnberg 150 fl. abzubezahlen habe.
Nach einer Eingabe am 23. Juni 1591 war er damals auch mit dem Heidenheimer Forst und damit seiner ganzen Arbeit ziemlich fertig. Er bittet darin um Zuteilung auch noch des zu vergebenden Uracher Forstes, erhält aber nur neben drei anderen Malern den vierten Teil desselben.
Nun gab es allerdings noch weitere Arbeiten, die Bemalung des Gesimses, d. h. wohl des Frieses unter Decke, oder über den Fenstern in der Höhe von fünf Schuh. Auch hier war es der Wunsch des Fürsten, sämtliche Maler, die bei der Decke thätig gewesen waren, wieder zu verwenden. Im Frühjahr 1592 wurde darüber verhandelt, um welchen Preis pro Quadratfuß die Maler die Arbeit übernehmen wollten, wenn sie diesmal Farben, Gold, Silber etc. selbst dazu lieferten. Die Maler verlangten für den Geviertschuh einen halben Gulden, aber auf Betreiben des Hofmalers, der unterdessen mit den übrigen in Dissidien gekommen war, beschloß man, ihnen nur einen drittel Gulden zuzubilligen.
Das brachte im April 1592 einen Streit zwischen Herneisen und Wendel Dietterlin einer- und dem Stuttgarter Hofmaler Hans Steiner anderseits zum Ausbruch. Bei diesem beschuldigte Herneisen den Letzteren, neben andern Durchstechereien, die ihn nicht persönlich betrafen, daß der Hofmaler ihm dafür, daß er ihm außer den ursprünglich angedingten Forsten auch den Steinberger Forst zu malen verhelfen werde, von ihm den Lohn für ein »Tuch« d. h. 100 fl. nebst vier Scheffel Dinkel und einen Eimer Wein als »Verehrung« verlangt habe, auch gleich eine dahin lautende Verschreibung nebst Siegel dem Nürnberger habe aufdringen wollen. Die 100 fl. habe Herneisen geben wollen, nicht aber die Viktualien, woraus gegenseitige Feindschaft entstanden sei.
Es würde zu weit führen, auf den Streit, der auf das Künstlerleben jener Zeit eigentümliche Streiflichter wirft und in den Akten in ermüdender Breite wiedergegeben ist, bis auf den fehlenden Abschluß, näher einzugehen.
Der Stuttgarter Hofmaler zeigt sich nach den aktenmäßigen Darlegungen als ein recht trauriger Patron, der mit Heuchelei und Verdrehungen nicht nur seine Kollegen verdächtigt, nachdem er mehr oder minder erfolgreiche Erpressungsversuche gemacht, sondern auch seinen Herrn in schmählicher Weise betrügt. Allein er scheint, obgleich der Referent in der Sache, Dr. Georg Badner, der sich überhaupt stets als ein gütiger und wohl wollender Vertreter der ihm unterstellten Malerkompagnie darstellt, dem Herzog nahe legt, ihn aus den fürstlichen Diensten zu entlassen, in dem allmächtigen Geheimrat des Herzogs, Melchior Jäger von Gertringen, einen starken Rückhalt besessen zu haben; er verlor seine Stelle nicht, wenn er auch nach den Akten in der Angelegenheit des Lusthauses nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.
Wie gewöhnlich scheint Herneisen mit seiner Arbeit am Fries (Gesims) des Saales rasch fertig geworden zu sein; wenigstens rühmt er sich dessen in mehreren späteren Eingaben. Der Herzog resp. Melchior Jäger behandelten ihn übrigens, jedenfalls unter Einwirkung des Hofmalers, möglichst schlecht. Obgleich im Verding nichts davon stand, wurde nachträglich verlangt, daß im Friese die Bildnisse der Räte und Diener des Fürsten angebracht werden sollten. Herneisen sollte die Vorbilder liefern. Als Herneisen eine Entschädigung verlangt, wird die Sache rückgängig gemacht; den Malern aber die Anfertigung nichts destoweniger zugemutet. Als auch sie insgesamt dafür eine Bezahlung verlangen, wird nach Anhören des Hofmalers u. s. w. die Sache an den bisher nicht am Sims beteiligten Maler Philipp Gretter vergeben und beschlossen, die fremden Maler baldmöglichst ziehen zu lassen. Zu einem sehr ausgiebigen Schriftenwechsel zwischen Herneisen und dem Hof, gab noch eine weitere Arbeit Anlaß. Der Herzog hatte den Maler beauftragt, einen am Neujahrstag 1592 anläßlich eines Feuerwerks stattgehabten Zug, in Öl auf Leinwand auf einer 15 × 22 Fuß haltenden Tafel zu malen. Dafür verlangte Herneisen eine im Verhältnis gleichmäßige Zahlung wie für die Deckengemälde im Lusthaus, nämlich 200 fl. und die dem entsprechende Menge Dinkel und Wein. Da er an sechzig Porträts darauf anbringen mußte, war die Summe vielleicht nicht übermäßig hoch. Es sollte sich an Herneisen aber bitter rächen, daß er keinen Vertrag abgeschlossen, denn der Herzog bewilligte ihm trotz oftmaliger Eingaben nicht mehr als 100 fl., obgleich die Kammerräte und Jörg Badner ihn befürworteten;